Es ist durchaus ein heftiges Signal, wenn die staatstragende „Zeitung für Deutschland“ „offiziell“ Zweifel an der geistigen Verfassung Donald Trumps, dem Führer des mächtigsten NATO-Verbündeten, auf die Homepage rückt.
Wie so oft bei der FAZ endet der analytische Zugriff kurz vor der Realität und deswegen auch vor der Relevanz. Zunächst, einerseits, ist die Ferndiagnose vermutlich nicht ganz falsch: Trumps Sprache und Herumgeeiere lassen darauf schliessen, dass seine intellektuellen Mittel ins Herrenhandtäschchen passen. Doch andererseits daraus zu schliessen, dass der Zufall seiner Tagesform die US-Politik dirigiert, greift zu kurz. Möglicherweise wird sogar umgekehrt erst ein Schuh draus: Die Unberechenbarkeit der Trump'schen Volten, Wendungen und Themenwechsel ist ein Erfolgsfaktor. So macht er einen konzertierten Widerstand seiner Widersacher schwer, wenn nicht unmöglich. Sie sind Getriebene, jeden Tag auf's Neue gefordert, eine "adäquate" Antwort zu finden – und dabei nicht in die Falle zu laufen, sich durch Schrotschüsse zu deligitimieren.
Es ist so erstaunlich wie erschütternd: obwohl das Project 2025 weltweite Aufmerksamkeit erzeugt hat – und man dessen Zielsetzung, zumindest in groben Zügen, als bekannt voraussetzen kann (sollte) – wird es dennoch nicht zum Ausgangspunkt der Analyse. Lang und schlapp folgen die Kommentare den Pirouetten der Tages„politik“, als wären es je Einzelereignisse mit wechselndem Horizont und bedürften einer steten Nachjustierung bei den Reaktionen.
Trump – und richtiger eben: die US_Administration und die Strippenzieher im Umfeld der Heritage Foundation – definiert mit seinen Entscheidungen und Methoden den Faschismus des 21. Jahrhunderts: der vertikale Durchgriff und die Entkernung der Gewaltenteilung und der föderalen Strukturen UND der horizontale Übergriff in alle Bereiche der gesellschaftlichen Gestaltung. Dabei arbeitet die US-Administrationen noch, überwiegend an den "Bedingungen der Möglichkeit": Die "Durchsetzung dieser Möglichkeiten" (darunter die Abschaffung von Institutionen, die Einstellung von Zahlungen, der Einsatz der Nationalgarde, ...) hat gerade erst begonnen!
Wer der einschlägigen US-amerikanischen Öffentlichkeit folgt, kommt an der Feststellung nicht vorbei, dass die oppositionelle Kommentarlage, von Gavin Newsom bis Robert de Niro, von Stephen Colbert bis Jane Mayer (u.v.a.), zunehmend unverblümter, ja, sogar aggressiver wird. Es gehört nun aber zum Wesen des Faschismus, dass er seine Opposition ausschaltet. Insofern rechne ich rechne mit (weiteren: siehe WSJ) Schauprozessen und spektakulären Verhaftungen. Und auch das ist nur die Spitze des Eisbergs: Um die Pläne gegen alle Widerstände durchsetzen zu können, braucht die Administration den Ausnahmezustand. Trump, so kolportierte es Rieke Havertz im PodCast "Ok, America", zeigte sich "sehr interessiert", als Selenskyj ihm erläuterte, dass in der Ukraine "während des Krieges" keine Wahlen stattfinden dürfen.