Die Jagdgesellschaft hat sie zur Strecke gebracht. Sie mag sich aufbäumen, sich gegen den auf sie fokussierten kollektiven medialen Vernichtungswillen wehren.
Es wird nichts nützen.
Annalena Baerbock ist verbrannt
Ich bedaure, es sagen zu müssen:
Eine maximale Reaktion tut not
Grafik © – https://dawum.de/Bundestag/
Jeder kommende Bericht, jeder nächste Kommentar, in dem ihre Kandidatur eine Rolle spielt, beginnt mit den Textbausteinen
- Lebenslauf
- Mitgliedschaften
- Nebeneinkünften und nun auch noch
- Plagiatsvorwürfen.
Wer die Verlagsprozesse kennt, ahnt, dass das Manuskript des Buches Frau Baerbocks oder den zuständigen Schreibtisch bereits vor Monaten verlassen hatte, zu einer Zeit, als noch „alles gut“ und die Aufmerksamkeit … vielleicht nicht ganz so krümelkackerisch entwickelt war, wie es sich jetzt als „besser wär das“ erweist.
Keiner der „Fehler“, über die sie jetzt stolpert, ist der Rede wert, auch der Plagiatsunsinn nicht.
Politisch, praktisch, theoretisch ist NICHTS passiert, nahezu nichts: keine Korruption, keine Unterschlagung oder Steuerhinterziehung, keine staatspolitischen oder Steuergelder-verschlingenden Fehlentscheidungen, keine verbalen Entgleisungen, keine sexuellen Skandale.
Als wären wir naiv, begriffsstutzig und blind und hätten zu wenig House of Cards gesehen oder Designated Survivor nicht verstanden, werden diese Petitessen skandalisiert, bis die Druckertinte sich rot färbt.
Das bleibt nicht ohne Wirkung.
Seit Januar 2018 führen Baerbock und Habeck die Grünen und haben dabei einen beeindruckenden Job hingelegt - bis zur Kür der Kandidatin am 19. April 2021. Der selbstgerechte, links-grün versiffte Teil der Medienrepublik hatte darüber einen Riesenhype veranstaltet, und zwar genau so lange, bis gegen Ende April die Grünen in den Umfragen die Union überholten, die Zustimmungswerte zeitweise bis 28% gestiegen waren und alles darauf hin deutete, dass die Grünen als neue Partei der Mitte sich reale Chancen auf das Kanzleramt ausrechnen konnten.
Dann – die Grafik rechts zeigt den Kipp-Punkt deutlich – war es, als ginge ein Ruck durch die Medienlandschaft und alle, nahezu alle, eine Absprache oder Verschwörung war gar nicht nötig, erkannten, dass es in der Konsequenz ernst werden könnte mit dem Umbau des Landes, und dann auch mit dem Ende des gewohnten Lebens. Und aus den Chefredaktionen der Republik erging jetzt die Parole:
„Das wolln wir doch mal sehn!“
Genau das ist passiert: Das Land – i.e. die nicht gewählten Vertreter des Volkes – erkannte, dass es so nicht weiter gehen würde, wenn das so weiter ginge. Mit einem mal hatte das bereits abgehalftert geglaubte, reaktionäre, bigotte und feige Juste Milieu ante wieder das Heft in der Hand.
21.5.: Nebeneinkünfte nicht gemeldet
31.5.: Baerbock will Benzin verteuern
07.6.: Lebenslauf/Mitgliedschaften korrigiert
15.6.: Fluch nach Parteitagsrede
29.6.: Plagiatsjäger erhebt Vorwürfe
Eine Welle nach der anderen. Nicht zu vergessen, das Dauerfeuer der Umfragen. Die von Springer beauftragten Institute INSA und Kantar erhöhten ihre Umfragefrequenz von Januar bis Mai (INSA von 5 auf 8, Kantar von 3 auf 5), um inzwischen fast jeden zweiten Tag neue Umfragetiefs für die Grünen vermelden zu können; nebenbei notorisch 2, 3 Punkte unter den Umfrageergebnissen der Forschungsgruppe Wahlen oder von Infratest dimap.
Annalena Baerbock ist das Opfer einer Journaille, und leider nicht nur des Boulevards, der politische Integrität und handwerkliche Qualitäten im Clickbaiting verloren gegangen sind. Ich könnte kotzen.
Aber.
Sie ist selbst Schuld.
Sie hat es selbst mehrfach eingeräumt; vor allem fehlt ihr und der Partei ein konzerngestähltes Controlling; und das ist ein strategischer Fehler, der schwerer wiegt, als das KleinKlein. Als das Establishment der Republik in Panik geriet (!), waren die Grünen nicht vorbereitet oder von ihrem Erfolg überfordert oder beides. In ihrem „casual friday“-Politikstil hatten sie solche miesen Nickeligkeiten nicht auf dem Schirm (andere schon …), und eben deshalb deswegen sind sie der Kandidatin und der Partei unterlaufen.
Und die Trolle der Politik machen ein Festmahl daraus. Doch wo Rauch ist, ist auch Feuer – das ist Frau Baerbocks Schuld.
Aber.
Wer sich von diesen Schmutzkampagnen beeindrucken lässt, übersieht, dass hier ganz nebenbei das Schicksal der Republik verhandelt wird. Nicht nur: die hülsenhafte Teflonigkeit eines Armin Luschet ist ja genau das Ergebnis einer Öffentlichkeit, die an Stelle der politischen Auseinandersetzung stets ad hominem attackiert. Aber vor allem geht es um eine prekäre Zukunft!
Ist Frau Baerbock die richtige Kandidatin? Vielleicht …, vielleicht aber doch nicht; klar ist nur: das Land muss sich ändern, grundlegend.
Sind die Grünen die richtige Partei? Zweifel sind erlaubt und mich selbst plagen einige (und ich werde sie auch noch ausführen); aber was, bitte sehr, sind die Alternativen?
Die CDU hatte seit 2005 Zeit zu handeln, und jetzt schickt sie den denkbar falschesten Kandidaten.
Die SPD etwa?
Die ganze Operation Baerbock – traditionell ein Job für das Sturmgeschütz der Demokratie – hat nichts anderes zum Ziel, als diesen Wechsel zu verhindern.
Was nun?
Das Momentum des Jahresanfangs haben die Grünen sich abnehmen lassen. Frau Baerbock wird sich von den Attacken nicht wieder erholen; anders gelagert, erinnert der Vorgang irgendwie doch an Hillary Clinton. Wenn die Grünen jetzt nicht maximal reagieren, verspielen sie die Wahl. Ich bedaure, beklage sogar meinen eigenen Wankelmut: Nach langem Zögern und gegen meine mehrheitlichen Sympathien, hatte ich mich schliesslich doch auf Frau Baerbocks Seite geschlagen; jetzt geht das nicht mehr. Sie ist verbrannt, die immer gleichen Wiederholungen werden sie alle Energie und auch Überzeugungskraft kosten.
Ich muss mein Votum ändern. Die Grünen sollten es mir nachtun.
Was wäre eine maximale Reaktion der Grünen?
Sonderparteitag – gleich am nächsten Wochenende, wenn möglich.
Dann Robert Habeck installieren.
Und eine nie dagewesene Mobilisierung lostreten:
Aufbruch!