Zufällig lese ich drei Aufsätze hintereinander. Und stutze. Während Thomas Assheuer ("Rechte Systemsprenger: Die Politik mit dem Mythos") und Anna Sauerbrey ("Putsch trendet") durchaus zusammenhängen, war Bernd Ulrich ("Ist da noch was zu retten") eher zufällige Frühstückslektüre. Bei allen dreien jedoch fällt mir auf: da stimmt doch was nicht.
Die intellektuelle Unschärfe
Über Denken bei Nebel
Wo bitte geht's zum Subtext?
Zerberus: Die Hölle ist ein Closed Shop (Städt. Graphik-Kabinett Backnang-by-nc-sa/4.0)
In der aktuellen Ausgabe der „Blätter für deutsche und internationale Politik” unternimmt Thomas Assheuer eine ehrenwerte und tierschürfende Anstrengung, eine derzeitige „Konjunktur der rechten Internationale“ zu identifizieren, zu beschreiben und zu interpretieren. Chapeau: er leuchtet in eine Vielzahl dunkler Ecken. Ich halte das für sehr lesenswert.
Allerdings stellt sich bei mir eine überraschende Verbindung zur Quantenphysik ein. Zwischen Einstein und Heisenberg, so schildert es Tobias Hürter in seinem ebenfalls sehr lesenswerten Buch „Das Zeitalter der Unschärfe“, gab es einen Disput darüber, ob die Theorie einer Beobachtung folgt, man also nur interpretieren könne, was man zuvor gesehen hat (so, sagt Hürter, dachte Heisenberg,) oder ob die Beobachtung der Theorie folge, wie Einstein insistiert habe. Ich tendiere in dieser Frage zu Einstein: Du er-kennst nur, was Du kennst; Du siehst nur, wovon Du bereits ein Bild hast; usw..
Und so geht es mir mit Assheuer: er beschreibt aktuelle geo-politische Entwicklungen aus der (seiner) alten Rechts-Links-Dichotomie. Das ist in sich durchaus schlüssig und auch solide argumentiert, doch sein gefügtes Weltbild behindert ihn darin, den eigentlichen Subtext zu lesen; es missinterpretiert das Motiv, wie ich es sehe. Bemerkenswert daran ist, dass Assheuer den Punkt, in den sich der Subtext einbettet, selbst benennt:
»Keine Frage, die Weltlage erzeugt eine stark erhöhte Nachfrage nach narrativer Beruhigung. Das Stakkato aus Krisennachrichten und Katastrophenbildern überfordert den seelischen Immunschutz und belastet die kognitiven Verarbeitungskapazitäten. Der Zerfall der Weltordnung, neue Kriege, endlose Machtkämpfe, Terror, Inflation, empörende Ungleichheit, Pandemien, Artensterben, Dürrekatastrophen, Monsterhurrikane, Erdfieber – die impertinente Krisendichte erzeugt das Bild einer unerzählbaren Gegenwart, in der es für den Einzelnen immer schwieriger wird, einen angstfreien Ort zu finden.«
In der Angst liegt der Hund begraben.
Doch er berücksichtigt ihn nicht und verbleibt in einem politischen Raum, in dem ich lediglich plakative Vorwände beim sich am miteinander rum-am-kabbeln sehe. Assheuer forscht in den tiefen rechter Mythologie, liest und reflektiert abseitige Literaturen und stellt grossräumige Zusammenhänge her. Dugin-Kisoudis-Legutko-Dreher-Ellmers-Straus und schliesslich zurück zu Carl Schmitt; diese Autoren verortet Assheuer in der Abteilung „rechte Mythologie”; für die passende Praxis dagegen stehen Putin-Trump-LePen-Orban … und wie ein Bindeglied zwischen Wahn und Politik: Peter Thiel, mit dessen Auszeichnung die FAZ 2021 das Erbe Frank Schirrmachers besudelte.
»Mit ihren Mythen, so Mason, bewirtschaften rechte Politiker eben nicht nur die Wut der Unterprivilegierten, sondern auch den Zorn der Unglücklichen; sie dringen in psychische Resonanzräume ein, die linken und liberalen Politikern verschlossen bleiben. Linke, so ließe sich mit Mason sagen, fordern das Vernünftige und Richtige; sie fordern höhere Mindestlöhne, höhere Renten, bessere Schulen, mehr Kitaplätze und mehr Gerechtigkeit sowieso. Die Rechte verspricht – solange sie in der Opposition ist – zwar ebenfalls mehr Gerechtigkeit, doch darüber hinaus verspricht sie noch viel mehr. Sie verspricht nicht bloß praktische Erleichterung, sondern existenzielle Erfüllung. Nicht einen verbesserten Alltag, sondern ein neues Leben.«
Die theoretische Blindstelle Assheuers offenbart sich schon da, wo er die (Masons) Forderungen der Linken als „das Vernünftige und Richtige” qualifiziert. Es entgeht ihm, dass jenes „neue Leben”, dass, wie er sagt, die Rechten versprechen, eine Erlösung nur sein kann, wo sie das „alte Leben” bereits beerdigt hat, haben muss. Dass also, um diesen Gedanken zuzuspitzen, die Linke mit ihren (meine Meinung: falschen) Forderungen daran arbeitet, dazu beiträgt, letztlich daran schuldig wird, ihr Publikum dem sicheren Tod auszuliefern. Die „Angst” entsteht, weil die Linke, die Vertreter der Vernunft, der Aufklärung, an Mindestlöhnen festhält, anstatt sich – und zwar wirkmächtiger als mit ein paar blassen Lippenbekenntnissen – um das ÜBERleben zu kümmern. Für genau diesen Vorhalt stehen, übrigens, Greta Thunberg und Luisa Neubauer!
Stellen wir die Fehlsichtigkeit für einen Augenblick zurück: Die mythologische Sehnsucht nach Erlösung, die Assheuer in der rechten Klientel verortet, benennt lediglich den Blick von unten, aus der Perspektive der Bedrohten. In dieser Perspektive dominiert der Weltuntergang. Slavoj Žižek hat das soeben so zusammengefasst: „In unserer Zwangslage wird notwendig eine globale Katastrophe eintreten, die ganze gegenwärtige Geschichte läuft darauf hinaus, und es ist notwendig, dass wir Maßnahmen ergreifen, um sie zu verhindern.” (Das Zitat steht in einem etwas anderen Zusammenhang ... es passt nur grad so gut: so ungefähr ist die weltpsychologische Gefühlslage.)
Von oben, aus der Perspektive der Herrschaft, sind diese Ängste und Sehnsüchte ein weltpolitisches Risiko. Auch in der rechten Analyse, meine Interpretation, sind die zivilisationsgefährdenden Krisen längst antizipiert. „Die Rechte“ ist nicht zu dumm, die Untergangsgefährdung zu erkennen, im Gegenteil. Sie bereitet mit ihren mythologischen Nebelmaschinen die Strukturen vor, die es braucht, um eine vor Katastrophenangst, und mehr noch: -betroffenheit, hysterische/hyterisierende Weltbevölkerung in Schach zu halten. Die Angriffe auf die (der Liberalität und den Menschenrechten verpflichteten) staatlichen Institutionen sindeben nicht, wie Assheuer es interpretiert, Ausdruck eines Kulturkampfes; der ist nur der Vorwand, um ein Repressionsgelände zu planieren und einzuzäumen, um all die liberalen Hindernisse für eine totalitäre Repression aus dem Weg zu räumen. Der rechten Analyse ist die Kultur schnuppe – oder jedenfalls ist sie nur (mis-)brauchbares Material.
Vor Jahr und Tag erklärte mir eine US-amerikanischer Wirtschaftsführer, auf die Frage: Du hast doch Kinder. Beunruhigen Dich die Klimanachrichten denn gar nicht? – Doch, schon, war die Antwort, ich werde jedoch mit den mir zur Verfügung stehenden, nicht unerheblichen, Mitteln alles dafür tun, dass meine Familie sozusagen unter der Welle durchtauchen kann. Denn ich glaube nicht, dass der Kollaps zu verhindern ist.
Das ist, in meinen Augen, die Motivlage der Rechten. Als Realisten und Zyniker und mit Einblick in die tatsächlichen Entwicklungen, wissen sie schon lange, in welchem Ausmass die Welt NICHT zu retten ist. Und/aber natürlich schärft und fokussiert die EinSicht nur ihren Wunsch, die Katastrophe(n) zu überstehen: ob in Neuseeland, in der Arktis oder auf dem Mars.
Mischen wir jetzt eine Prise Verschwörung unter die Analyse: Natürlich haben sich die Machthabenden und Wirtschaftsführer in Davoser Hinterzimmern und bei ihren Bilderbuch-Konferenzen oben auf dem Berg – oder wenigstens im je kleinen Kreis, vielleicht beim Golf – darüber verständigt, dass man doch nicht einfach nur zuschauen kann, wie alles den Bach runtergeht. Mischen wir jetzt noch eine Messerspitze Hollywood und Geheimdienste in die Gemengelage, dann sind all die „rechten“ politischen Treiber am Ende nur die Marionetten und nützlichen Idioten, die eben jene politische Lage „herstellen“, in der und für die sich die Machthabenden mit allen Instrumenten ausstatten, die sie für die Domestizierung der „kommenden Aufstände” benötigen, angefangen mit der Wahrheit, gefolgt von der Meinungsmaschine über zu Strafrecht und Jurisdiktion und schliesslich bis hin zur polizeilich-militärischen Durchsetzung.
OK, jetzt streichen wir die Verschwörung ff wieder aus dem Text und beginnen mit folgender Überlegung: WARUM passiert das alles? Gleichzeitig?
Any Ideas?
Das Versagen der Intellektuellen
Der Text von Anna Sauerbrey („Putsch trendet”) zeigt die Überforderung der Autorin bereits in der Überschrift. „...trendet”, Putsch als Modeerscheinung, phhh. (Schon gut, ich weiss, dass Frau Sauerbrey womöglich nicht für die Überschrift verantwortlich ist. Für diese Art „Textmarketing” gibt es gemeinhin Spezialisten.) Dann aber, gleich im ersten Satz: „Sie haben es wieder getan, dieses Mal in Brasilien. Am Sonntag stürmten Extremisten das Parlamentsgebäude, den Präsidentenpalast …” Als gäbe es da eine international agierende Putztruppe, die mit United, Lufthansa oder Aeroflot durch die Welt jettet, um bei guter Gelegenheit Regierungsinstitutionen zu stürmen.
Bevor ich ins Detail gehe: Dass das ein Putschversuch war, keine Frage! Pläne dazu seien im Justizministerium gefunden worden. Wer weiss, ob das stimmt; wer weiss überhaupt, was stimmt. Aber ich habe durchaus Mühe, die Nachricht zu bezweifeln! Ich könnte mir sogar vorstellen, dass das Aufstandsgeschehen von dunklen Verschwörern auf internationaler Basis ausgeheckt wurde. … Nur: der Mob ist ein brasilianischer; es ist nicht etwa so, dass die Sturmtruppen des Kapitols (o nicht a) auf Brasilienurlaub waren („…wieder getan…”) und mal eben einen Jahrestag abgefeiert haben. Das ist journalistischer BullShit.
Im Text heisst es dann: „Nur: Diese "Putschversuche" sind in Wahrheit keine. Sie sind Demütigungsgesten und Machtdemonstrationen, das sichtbarste Zeichen des Umsturzwillens. Wer Mobiliar zerstört und Polizisten verletzt, reißt noch lange nicht die Macht an sich.” Frau Sauerbrey hat, wie mir scheint, die Historie nicht mehr präsent. Ob Putsch oder Revolution, so eine gesellschaftliche Disruption beginnt gern mal als spontanes Missverständnis, als zufälliger Aufstand, der nur den Funken in ein Pulverfass wirft. Ob das dann explodiert – oder doch nicht –, das ist meist weder geplant noch erkennbar. „Der eigentliche Umsturz ist ein Zeitlupen-Putsch. Die wirksameren Putschisten marschieren nicht ein in die Institutionen. Sie verändern sie so, dass sie sich gegen sich selbst wenden. Und auch hier wird viel kopiert.” Das ist beinahe richtig, nur eben, dass sich nicht die Institutionen gegen sich selbst wenden, sondern ein unfriendly takeover stattfindet, mit dem die Institutionen sodann zu einem Werkzeug der „Putschisten” werden. Das ist ein Unterschied – und ich verstehe nicht, wie man so messerscharf daneben liegen kann. Zwei Schritte zurück: Vermutlich könnte ich die Autorin in einem ruhigen Sonntagsgespräch davon überzeugen, dass ihr ein paar schlaksig-ungenaue Formulierungen unterlaufen sind. Sie schreibt ja keine üble Propaganda …Aber.
Zum Ende hin kommt Frau Sauerbrey zu der Frage: „Was kann man tun?” Und ihre Antwort zieht mir nochmals die Schuhe aus: „Am besten lassen sich die Institutionen einer Demokratie durch die Institutionen der Demokratie selbst schützen, durch Parlamente, Regierungen, Gerichte, auch durch die Sicherheitsbehörden.” Himmel hilf! Hast Du denn Deinen Böckenförde nicht verstanden? „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“
Immer häufiger kommt mir der Verdacht, dass in der politischen Redaktion der Zeit die Parole „Demokratie-Optimismus” ausgegeben wurde, in etwa so: „Wir werden uns an diesem Untergangsgerede keinesfalls beteiligen.” Wenn man Ileana Grabitz im Zeit-PodCast „Das Politikteil” zuhört, kommt man nahezu wöchentlich an die Stelle, wo ihr erleichtertes Aufatmen die Aussage irgendeines eingeladenen Kollegen oder Zeitzeugen begleitet, nach der alles nicht so schlimm kommt, oder es Zeichen der Besserung gäbe. Ich halte diese Art Pfeifen im dunklen Wald nicht für das passende MindSet, wenn man eine Politikredaktion leitet.
Die beinahe pathologischen Fehlfarben haben sich inzwischen auch bei Bernd Ulrich eingeschlichen (eigentlich mein Lieblingsautor bei der Zeit, der eigentlich einen Text über Gregor Gysi schreiben wollte), der die Ursachen des Untergangs der Linken (also: die Linke) in der Zerstrittenheit des Personals verortet (und Gysi soll oder will sie versöhnen). Keine Frage: die Wissler-Mehrheit (die ist allenfalls sozusagen uralt-sozialdemokratisch) und die Wagenknecht-Minderheit (es wäre eine bösartige Polemik, würde ich die als national und sozialistisch beschreiben; ich muss nochmal im Wörterbuch nachschlagen) sind zerstritten; die eigentliche Ursache jedoch ist, dass an der Linken – weder mehrheitlich noch minderheitlich – nichts mehr links ist. Und überhaupt:
Das ganze politische Begriffsgebäude wackelt. Die Linken sind nicht links oder progressiv, sondern versteinert, rückwärtsgewandt, und haben sich in den allgegenwärtigen Identitätsfalten verstolpert. Die Rechten sind nicht rechts oder konservativ, sondern mit Dampfhämmern bewaffnete Dekonstruktivisten. Ob links oder rechts: teleologisch herrscht das 19. Jahrhundert.
Es ist beinahe gleichgültig, worum es geht: in den politischen Analysen lese ich begriffliche Unschärfe, pseudo-kritische Fehldiagnosen und überhaupt eine Wirklichkeitsverleugnung, dass es mir die Sprache verschlägt. Wir werden beharrlich mit filettierten Fragestellungen zugemüllt (Maskenzwang, Preisdeckel, Tempolimit, …). Dass es aber ein Gesamtbild gibt, Gott bewahre, da lauert die Systemfrage.
Beispiele? Bitte gern:
Am Rande erwähnenswert jene „Mobilitätskonferenz”, in der neben den derzeit höchstrangigen Politikern aus Bund und Ländern nur Vertreter der Autoindustrie sitzen. Kein ÖPNV (31 Mio regelmässige Nutzer), keine Fahrradfahrer (es gibt 81 Mio in Deutschland); die kriegen später ein paar Einzelgespräche, vermutlich auf Abteilungsleiterebene. Wird die Nachricht unterschlagen? Nein! Wird sie analysiert: auch nicht! Das versendet sich. So lösen sich die Fragen der Zukunft.
Oder die Ukraine: Die Berichterstattung überschlägt sich in Sachen Einzelschicksale. Weiss ich, dass Krieg Leid und Elend ist? C’mon, was soll die Frage! Glaube ich, dass die Erkenntnis den Krieg abkürzt? Letztlich zahlen all die Einzelschicksale nur auf das Konto der Waffenlobby ein. Dagegen Analysen der strategischen Entwicklung, der Kriegsziele: Fehlanzeige. Die Medien sind in Fragen der Militärstrategie personell so blank, dass über Nacht die Teilnehmer eines relativ unbekannten, privaten PodCast zu Medienstars avancieren (Carlo Marsala, Frank Sauer, Thomas Wiegold, Ulrike Franke).
Im Gegenzug wissen die einschlägigen Kommentatoren alles über Führungsschwäche und Zögerlichkeiten; das kommentiert sich locker, auch ohne Fachkenntnisse. Die Journalisten des Landes sähen es am liebsten, würden die Bestände der Bundeswehr komplett als CarePaket an die Ukraine geliefert. Jene Bundeswehr, die sie, die gleichen Journalisten, seit Jahren als blank und bankrott beschreiben. Das galt mal als „Abgrund von Landesverrat”, heute ein Gemeinplatz. Wenn Herr Scholz nur „im Verbund mit den Partnern” liefern will, zerreissen sie, deutsche Journalisten, Steuerzahler allemal!, sich das Maul über dessen „Ausflüchte” und verlieren KEIN Wort darüber, was eigentlich hinter dieser „Verbundsfrage” steht: Wer bezahlt denn wohl das ganze Blech? Als es um den Ringtausch ging, haben sich die osteuropäischen Partner mit aufgerissener Heldenbrust des eigenen Schrotts aus Sowjetzeiten entledigt, um sich im Gegenzug von Deutschland das Depot mit frisch-geputztem Metall auffüllen zu lassen. Analyse? Fehlanzeige. Auch kein Wort darüber, dass Europa, eine konzertierte europäische Antwort auf die Ukrainekrise, annähernd inexistent ist. Und warum verausgaben sich die USA bei ihren Lieferungen an die Ukraine?
Wege die Freiheit? Wege die poor Ukraine people?
In der Ukraine kristallisiert der Seinsgrund der NATO: Krieg gegen Russland, ja, aber auf europäischem Boden. Ich komme vom Hölzgen aufs Stöcksgen, aber die Stossrichtung ist klar, oder?
Es ist beinahe egal, worum es geht, at the very end kranken die politischen Sachverhalte allesamt an dem gleichen Phänomen – dass nämlich die vorherrschende politische Beschreibung, das Vokabular, die fundamentale Systematik usw., dass all das begriffliche Gedöns die Wirklichkeit nicht mehr reflektiert. Und dass die journalistische, und leider auch die intellektuelle Analyse, gnadenlos einäugig in die falsche Richtung schaut.
Es braucht hier noch eine Conclusio
Ein Zwischenruf, nur, zugegeben! Und eigentlich hat mir der Text von Thomas Assheuer gefallen. Darüber, dass er den eigentlichen Punkt sehenden Auges unterbewertet, ja, letztlich sogar ignoriert, bin ich gestolpert. Da ich am Tag allerlei lese, und mir dann bei Sauerbrey und Ulrich ähnliche Unschärfen begegnet sind, habe ich mich zu ein paar Verallgemeinerungen verleiten lassen, die drei so zufällig aufgereihte Belege – eigentlich – nicht hergeben. Wer mich kennt, nickt und stellt fest, dass mir mal wieder mein Steckenpferd durchgegangen ist.
Dies eingeräumt habend: Die Diagnose der intellektuellen Unschärfe, ich meine sogar: der vorsätzlichen Ablenkung von-, und/oder des opportunistischen Selbstbetrugs in der Realitätsbeschreibung, ist aber die Summe VIELER Eindrücke, nicht nur der Tageslektüre heute. Ja, sicher, ich selbst habe mich auch oft geirrt. Wo und wenn es nur Irrtümer oder ungewollte Fehleinschätzungen sind, die anderen unterlaufen, würde ich den Teufel tun, das jenen vorzuhalten. Wo ich dagegen Vorsatz wittere oder Nachlässigkeit, kann ich nicht umhin, das „anzuprangern”.
Ob fahrlässig oder willentlich: Es ist nicht zu erwarten, dass eine falsche Analyse zu den richtigen Massnahmen führen wird. Und so folge ich weiter dem Verdacht, dass wir uns gerne was in die Tasche lügen.