Die Kammerjäger der Republik

Noch 126 Tage bis zur Wahl

und das links-grün versiffte Ungeziefer

 

Déjà vu. Wie bei Martin Schulz in ähnlicher Situation hat es auch heuer einen Moment gedauert, bis das mediale Milieu verstanden hat, dass womögliche eine (von ihnen) Unberufene nach der Macht im Staate greift.

Forsischt – hier kommt ein Kattong

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Dass die Grünen PR-technisch eine saubere Kandidatinnen-Kür hinlegen und das Volk Annalena Baerbock so gut findet, dass mit ihr die Grünen in der Sonntagsfrage an der CDU vorbeiziehen konnten, das …äh … das kann nicht sein und insbesondere so nicht bleiben! 

Ralf Dahrendorf in seinem Grab

Die Manöver, in denen Annalena Baerbock einer unehrenhaften Gestaltung ihres Lebenslaufes und/oder ihres Ausbildungsganges überführt werden soll, waren so durchsichtig wie scheinheilig. Es ist eine Schande, dass sogar einigermassen mittelintelligente Menschen sich daran beteiligen. 

Ich selbst kenne Frau Baerbock nicht und habe über ihren Lebensweg daher auch keine Kenntnisse aus erster Hand. Eine der – in Fragen korrekter Ausbildungspfade – kleinlichsten und kleingeistigsten Zeitungen Deutschlands hat zu der Frage folgendes veröffentlicht:

„Sie wird als Völkerrechtlerin bezeichnet, ist aber keine Volljuristin. Einen Bachelorabschluss hat Annalena Baerbock nicht, aber Vordiplom und Master. Dennoch: Alles ging mit rechten Dingen zu.“ 

„…gibt als Ausbildung „Völkerrechtlerin“ an. Das ist korrekt.“

„Da zu der Zeit in Deutschland Bachelor und Master noch nicht flächendeckend eingeführt waren, war damals unter anderem das Vordiplom Grundlage für Aufnahme von Masterstudiengängen im Ausland.“ Die Diplom-Vorprüfung bestand Baerbock demnach mit der Note 1,3, das Masterstudium an der LSE „with Distinction“.“

Wenn an einem Skandal nichts dran ist und er gleichwohl medial gepflegt wird, ist das eine Kampagne. Als Analogie fällt mir das Falschparken ein: bei dem die „Durchsetzung von Recht und Ordnung“ nur den Vorwand zur Quersubventionierung der kommunalen Haushalte hergibt. Durchsichtig im „Falle“ Baerboch ist, dass das Ziel nicht in der Abprüfung ihrer Qualifikation besteht, sondern in der Herabsetzung ihrer Wahlchancen durch Rufschädigung. Ein alter Trick: Audacter calumniāre, semper aliquid haeret — Verleumde nur keck, etwas bleibt immer hängen.

„War da nicht mal was mit ihrem Studium?“ 
In der Tat, da war was! 

Eine regelrechte Überfliegerin legte mit 25 Jahren ihre Ausbildungsnachweise in einem – abseits der Politik – gesellschaftlich erwünschten Tempo vor, erst mit einer exzellenten Prüfungsnote in Hamburg (1,3) und dann mit einer eine Masterarbeit in London „with Distinction“ (das übersetzt sich „mit Auszeichnung“) – an einer der renommiertesten Universitäten der Welt (seinerzeit auf Rang 11 weltweit), an der, nebenbei bemerkt, auch Sir Ralf Dahrendorf studierte und die er überdies von 1974 bis 1984 als Director leitete. 

Diese „Einordnung“ ist nur deswegen erwähnenwert, weil der Frau Baerbock jetzt am Zeug geflickt wird. Schon der Versuch ist lächerlich. Es ist aber auch in einer zweiten Perspektive Ausweis kleinbürgerlicher Beschränktheit, nämlich in der regelhörigen Auffassung davon, was eine Qualifikation sei: Als wenn akademische Abschlüsse belastbare Auskünfte über die Eignung von Bewerbern für öffentliche Ämter bereitstellten. Einem Professor aus Heidelberg zumindest konnten sie nicht helfen. Nun würde ich umgekehrt auch nicht soweit gehen, einen akademischen Grad für disqualifizierend zu erachten, obwohl es dafür – wie man aus dem dem wunderbar gefakedten Larry Ellison-Zitat (in der Abb. rechts) schliessen könnte – Argumente geben mag. Was schlussendlich an einer akademischen Ausbildung qualifizierend und was lediglich der Abarbeitung einer Formvorgabe geschuldet ist, das wurzelt tief in Haltung und Charakter der studierenden Person. 

„Bundeskanzler“ oder „Präsidentin“ sind keine Lehrberufe. Sogar Berufserfahrung schadet eher als dass sie hülfe, denn die Administration eines beamteten Politikapparates erfordert fundamental andere (darunter abwesende) Fähigkeiten, als die erfolgreiche Tätigkeit in einem Unternehmen – oder gar dessen Steuerung. Politisch-strategisch ist der souveräne (darunter der subversive) Umgang mit dem Dienstweg weit aussichtsreicher als jede Initiative, und im Allgemeinen ist es von Amts wegen besser, nichts zu tun, als etwas Falsches. Nicht wenige Parteigewächse belegen umgekehrt, dass eine rein institutionelle Laufbahn ihrerseits durchaus lebensferne Opportunisten hervorbringt, die zuweilen nicht einmal dann verstehen, wenn man ihnen ihren groben Unfug vorbuchstabiert. 

In meinen Augen sind allein Intelligenz, Erfahrungen und, was etwas anderes meint, Lebenserfahrung geeignet, auf so einen „Job“ vorzubereiten. Deswegen lautet die eigentlich dieser Diskussion hinterfütterte Frage doch: 

Was disqualifiziert eine Person zur Ausübung eines Staatsamtes?

Etwa betrügerische (oder fahrlässige) Hochstapelei? Mag sein. Doch spätestens seit Gottfried Kellers „Leuten von Seldwyla“ wissen wir um deren Ambivalenz. Mit Vorsicht aber auch die: alles verstehen heisst nicht, alles zu vergeben. Wenigstens im Falle eines Freiherrn von und zu ist deutlich geworden, dass es neben der betrügerischen Tat auch ein begünstigendes Umfeld geben muss – als soziales Umfeld etwa, mit näselnder Erwartungshaltung (und um’s Geld ging’s bei den Von-und-Zus wahrlich nicht!), hier auch als universitäres Umfeld, mit beflissen vorauseilender Dienstbereitschaft und akademischer Trübäugigkeit. Halten wir fest, dass sich Herr Guttenberg seine erfolgreiche Disqualifikation, wenigstens die, ohne gesellschaftliche Kollateralschäden erarbeiten konnte. Da gibt es ganz andere Fälle, beispielsweise bei der folgenschweren, folgenlosen Aushandlung von Verträgen. Noch ein unsicherer Kandidat in der Liste disqualifizierender Vorgänge ist die Korruption. 

Die traditionell erst im Amt selbst zum Tragen kommt – und insofern nicht schon im Qualifikationsprofil vorab geprüft werden kann; das stimmt natürlich. Andererseits ist die Korrumpierbarkeit bereits in der Person „davor“ angelegt, beispielsweise in dem, was wir lange Jahre (korrekt) als Seilschaft denunziert haben und nowadays als Netzwerk für gut befinden. Manus manam lavat. Dass allein die Korrumpierbarkeit nicht und sogar die Korruption – zuweilen schon – aber doch eher selten ins Abseits führt, ist sattsam bekannt. Als definitiv hinreichendes Fehlverhalten gelten – immerhin – Pädophilie oder Antisemitismus. 

Sind wir froh, dass Donald Trump als Beispiel für unsere deutschen Verhältnisse allzu abgelegen ist; der konnte „grab her by the pussy“ ohne Schaden zu nehmen, und dass seine  steile These, nach der „I could stand in the middle of 5th Avenue and shoot somebody and I wouldn't lose voters" nicht für die rote Karte genügte, erschüttert das Credo wie auch die „shared values“ von Demokraten. Wie gesagt: Amerika, abgelegen, „the land of the free and the home of the brave.“ Für uns kann das nicht gelten.

Was nun genau zur Disqualifikation qualifiziert und von wo bis wo etwaige Toleranzen reichen, wohnt in wechselnden und, das deutete sich schon an, unscharf abgegrenzten Zonen auf dem Zeitstrahl. Mal bringt es den Pool zum Überlaufen, wenn sich ein Kandidat beim Planschen fotografieren lässt. Mal reichen demokratisch inakzeptable und vermutlich sogar strafwürdige Ehrenwörter nicht. Diesen und jenen (plural!) kosten ein paar privat verjuxte Business-Bonusmeilen den Sessel, in der Nachkriegszeit reichte eine Mitgliedschaft in der NSDAP nicht. Mitunter werden die Geschäfte des Lebensabschnittsbegleiters zum Schicksal, während manch einer sogar die Steinwürfe seiner Jugend überlebt. Wir erinnern Fälle, da ging der ganze Wahlkampf den Bach hinunter, als ein Kandidat für den Liter Sprit einen Preis von 5 Mark in Aussicht stellte oder ein anderer einen Pinot Grigio für 5 Euro für minderwertig erachtete. Auch ein Veggie-Day kann teuer werden. 

Die Rolle der Medien

Die Frage nach einem disqualifizierenden Kriterium ist nicht ohne Hinterhalt. Objektiv ist ihr kaum beizukommen, zumal das eigene Sein auch über das Werte-Bewusstsein bestimmt: der Empiriker erhielte vermutlich sehr viele und auch sehr fluide Antworten, von denen nicht wenige eine Korrelation zur aktuellen Bild-Titelseite aufwiesen. Diese Bemerkung gibt zugleich einen Hinweis darauf, dass politische Disqualifikation grundsätzlich nicht vom - sondern vor dem Volke verhandelt wird: Medien entscheiden darüber!   

Im zurückliegenden Jahr haben wir einiges über die Herdenimmunität gelernt; für die politischen Diskussion müssen wir die öffentliche Krankheit quasi von hinten aufzäumen, nämlich aus der Perspektive der Vergiftung schauen und über den R-Faktor bei der Herdeninfektion sprechen. Ein wesentlicher Indikator medialer Herdeninfektion kristallisiert in der Frage, ob ein Kandidat „tot ist“„mausetot“ oder gar „erledigt“. Als, beispielsweise, Herr Feldenkirchen seine Reportage über den Wahlkampf von Manfred Schulz veröffentlicht hatte, war der „erledigt“. Schon vorher war er erst tot, dann mausetot, aber mit der Spiegelreportage war auch seine Zukunft besiegelt und es ging nur noch um Pensionsansprüche. Das zeigt sehr anschaulich, dass die Herdeninfektion sozusagen invers erfolgt: es genügen wenige hotspots, die – sei es kontinuierlich, seien es sehr starke – Erreger in die Gesellschaft absondern. 

Die FAZ (u.a.) positioniert sich als so ein hotspot und bedient aus ihren Kommentarseiten die Petrischalen der Sozialen Medien. Vor dem „Fall“ Baerbock (fassen wir es breiter: den Grünen) hatte sie über Monate damit zu tun, Frau Giffey zur Strecke zu bringen, die sich als überraschend widerstandsfähig erwies. Als die Meute der Denunzianten schliesslich das Ziel doch noch erreicht hatte, waren wieder alle überrascht; fast könnte man sagen, dass Frau Giffey den akademischen Erbsenzählern und deren medialer Lobby den Stinkefinger zeigt. Im Nachgang zum „Fall Giffey“ bekommt jedoch der Case Baerbock ein Skalenproblem: Plagiiert wurde hier gar nichts, und auch von „Fehlern" ist keine Rede. Wie aber jetzt noch den versuchten Rufmord einem sachlich unbestrittenen Master – „with Distinction“ – anheften? Deswegen, Runde zwei, bis zur Wahl dauert es noch, wird mit vorsätzlich falsch zitiertem Kurzstreckenverbot und (parteininternen) Bonuszahlungen und deren Versteuerung munter nachgekartet. 

Noch ein Wort zu Frau Giffey: wie ich auch, kam sie nackt, leer und dumm auf die Welt. Nichts von dem, was sich in ihrem (oder meinem) Kopf angesammelt hat, kann Originalitätsstatus für sich in Anspruch nehmen; seien wir gnädig: weniges. Alles haben wir irgendwo abgespickt; was wir gemeinhin als Erziehung und Bildung zusammenfassen. Jetzt könnte man sagen, dass von Zeit zu Zeit dennoch ein paar recht eigenständige Kombinationen aus dem Vorgefundenen erarbeitet werden und noch seltener findet oder erfindet jemand etwas wirklich grundsätzlich Neues. OK, nur gemessen an der Zahl der Promotionen (~182.000 Promovierende/work in progres in 2019, ~29.000 Abschlüsse/work finished in 2017) verfügen die jeweiligen Disziplinen gar nicht über genügend Neuigkeitsmaterial, und wenn mal und wo doch, so sind es überwiegend Marginalien. 

Einer Doktorarbeit nun „Fehler“ nachzuweisen, etwa dass sie „nicht alle“ Übernahmen aus dem Bestand ausgewiesen hat (oder gar „viele nicht“), ist für sich schon eine Nachfrage wert, zumal diese Art Jadgszenen inzwischen ein strengen Hautgout aufweisen: Es handelt sich im „Falle“ Giffey, so heisst es, um 27 Zitate auf 260 Seiten, die nicht gekennzeichnet waren (ich, zum Beispiel, erinnere speziell diese Angabe exakt, vermutlich habe ich sie in einem PodCast aufgeschnappt, weiss aber nicht mehr in welchem). Eigentlich sollten die Prüfer qualifiziert sein, das selbst und ohne Hinweise zu erkennen, und noch eigentlicher – sozusagen akademisch fundamental argumentiert – sollten sie ihre Aufmerksamkeit darauf richten, ob a) der Stand der Forschung hinreichend reflektiert wurde und b) überhaupt irgendetwas qualitativ Weiterführendes erarbeitet werden konnte. Der Rest ist Regelpupserei – die, nebenbei bemerkt, die akademische Arbeit ganz allgemein auszeichnet (wie, schon wieder eine Analogie, das Golfspiel: gleiche Zielgruppe). Wenn die Frau Giffey, wie der Herr von und zu mit Vorsatz und halbseidener Energie, sich ihren akademischen Grad erschlichen hat oder hätte, so hätte ihr dieser, to begin with, gar nicht erst attestiert werden sollen. Wenn die Prüfer – aus Gründen persönlicher oder qualifikatorischer Überforderung – nicht in der Lage waren, die Täuschung zu identifizieren, so fällt das zu allererst auf sie zurück. Noch eine interessante Analogie, diesmal zur Spionage und zum Bankgeschäft: dort wird ein Hack lieber vertuscht, als dass das Vertrauen in die Institution beschädigt wird. Und auch ein erfolgreicher Hack ist eine Qualität, wovon uns 76.314 Hollywoodfilme überzeugt haben.

Ich sollte noch gerade rücken, dass ich keineswegs „für die Fälschung“ oder den Betrug spreche. Ich spreche gegen das Denunzianten- und Korinthenkackertum, gegen die Bigotterie und die Scheinheiligkeit, und tatsächlich war ich mit den Medien“ noch nicht ganz fertig:

MOC Döpfner

„Wer mit der "Bild"-Zeitung "im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihr im Aufzug nach unten", hat Springer-Chef Mathias Döpfner vor fünf Jahren gesagt.“ Herr Döpfner ist eine Nummer in der Branche, Präsident des BDZV, und so haben sich die Kolleg:innen das einmal zu Herzen genommen. In der Spiegelstory über den Mailbox-Rant Christian Wulffs, der dieses Zitat entnommen ist, finden sich ausführliche Hinweise zur Herdeninfektion über Bande, denn nicht die Bildzeitung selbst hatte von den auf Kai Diekmanns Mailbox hinterlassenen Drohungen des Präsidenten berichtet, sondern die FAZ hatte sie kolportiert. Im Spiegel stand: 

„Der kürzestmögliche Weg von Diekmanns Mailbox in die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" würde über Diekmann und den "FAZ"-Herausgeber Frank Schirrmacher laufen, die schon früher enge Kontakte pflegten; aber natürlich sind auch andere Wege denkbar.“

„Erst nachdem die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" ("FAS") und die "Süddeutsche Zeitung" ("SZ") die Mailbox-Tirade zum Thema machten, reagierte "Bild" mit einer kurzen "Erklärung in eigener Sache".

„Bewusst den indirekten Weg gewählt 
Der verzögerte und verschleierte Weg der Nachricht von der Mailbox des "Bild"-Chefredakteurs in die Medien hat etwas Verdruckstes und Dubioses. Diekmann soll dem Bundespräsidenten in einem späteren Telefonat, nachdem Wulff sein Bedauern über den Anruf geäußert habe, gesagt haben, die Sache sei damit für ihn erledigt. Gut denkbar, dass er dann aber den indirekten Weg über ein anderes Medium gewählt hat, die Nachricht zu lancieren, um sie benutzen zu können, ohne sich selbst die Finger schmutzig zu machen.“ 

So oder so ähnlich geht – inzwischen – der Goldstandard. Und selbst noch dann, wenn damit die unsägliche mediale Mechanik – jetzt im Falle Baerbock, wie in vielen anderen Fällen zuvor – tatsächlich demaskiert ist: selbst dieser aufklärende Versuch lenkt ab von einer dahinter oder darunter lauernden Wahrheit. Zwar spielen die Medien ihr Spiel mit dem Volk, aber das Volk rezipiert das Spiel, wie die sogenannten Gaffer den Autobahnunfall: Eine Art Exerzitium. Sonntags während der Predigt wollen wir alle alles tun, den Klimawandel abzuwenden, aber schon Montags hat eben dieses Volk Angst davor, dass die Grünen den Job tatsächlich angehen.

Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.