Christoph Kappes empfiehlt einen „Wissenshappen zum Schnappen“, einen FAZ-Text über die Scholastik als „Hardcore für Leute mit Philosophie-Interesse“. Na, das wäre dann ich.
Bin aber ratlos danach.
Mich zwackt die Zukunft
Christoph Kappes empfiehlt einen „Wissenshappen zum Schnappen“, einen FAZ-Text über die Scholastik als „Hardcore für Leute mit Philosophie-Interesse“. Na, das wäre dann ich.
Bin aber ratlos danach.
Das Bild wurde gelöscht – Mind the ©
Wie soll ich mich ausdrücken? Bin ich gegen Wissenshappen? Im Gegenteil. Mir scheint, es kommt darauf an, wann welcher Gegenstand auf dem Radar als „Wissenshappen“ erscheint.
Da gibt es das Phänomen, dass, wenn man sich für die Anschaffung eines Gegenstandes, sagen wir eines Autos, entschieden hat, plötzlich überall diese Marke auftaucht. Vorher ist mir das nie aufgefallen, aber: meine Entscheidung (und sei es die Anbahnung derselben) schärft und richtet meine Wahrnehmung. Mag sein, dass dem Gedanken keine „Beweiskraft“ innewohnt, aufdringlich ist er schon; Dinge haben Saison, sind Trend, machen Welle, weil sich einzelne Entscheidungen (oder deren Anbahnung) auf sie richten.
Ich habe eine theologisch-religiös intensive Jugend durchlebt, eine Zeit, in der mich die „Gottesfrage“ sehr bewegt hat und beinahe mehr noch ihre Konnotationen zu Religion und Kirche. Ich habe seinerzeit eine Entscheidung getroffen, die meine Wahrnehmung fürs Leben geprägt hat: Ob es (einen) Gott gibt, ist für mich unerheblich bis esoterisch, die Kanonisierung Gottes in der Religion ist ein gesellschaftliches Herrschaftsinstrument und die Kirche ist deren Exekutive. Ich habe damit nix am Hut und wende mich ab. Meine Aufmerksamkeit gilt anderen Dingen. Bei Gelegenheiten, etwa bei der ersten Lektüre von Stephen Hawking, und überhaupt im Zusammenhang mit allen Grenzgebieten wissenschaftlicher Erkenntnis, ist mir die Gottesfrage immer wieder mal untergekommen. Einen entscheidenden Impuls bekam ich durch meinen Vater, der Gott, das war vor vielleicht 35 Jahren, als „eine Formel“ definierte (keine Ahnung, wie er drauf gekommen war); heute würden wir sagen: als einen Algorithmus.
Seit ein paar Jahren denke ich wieder vermehrt, ja, sogar intensiv über die Gottesfrage nach: nur nicht in der historischen Perspektive. Es ist in dem Wechsel von „der Formel“ zum „Algoritmus“ angelegt, nämlich die Gottwerdung des Menschen. Es hat diese Anmassung durch die Geschichte hindurch immer wieder gegeben (Pharaonen, Päpste, bis hin zu Goethes Prometheus-Gedicht und Nietzsches U-Turn …), nur waren die damit einher- oder davon ausgehenden Allmachtsphantasien mehr dem Bereich der Fantasy zuzuordnen. Das hat sich in sehr vielen Perspektiven dramatisch geändert: Die Genetik befindet sich, unumkehrbar, wie mir scheint, auf einem Pfad hin zur „Lebenserzeugung/-gestaltung“, die Hirnforschung und die Informatik haben Tendenz, sich in nicht allzuferner Zukunft zur „Weltenstiftung“ zu verbinden, und die KI-Forschung könnte sich mit der Robotik dazu verbinden, reale Götter, Schöpfer, zu erzeugen. Die Gottesfrage ist virulent, nur eben in einer radikalen Neuinterpretation.
Was hat das mit Kappes und der Scholastik zu tun? Die Brücke mag fragil erscheinen, aber es geht um Regression. So wie wir politisch derzeit einen irrationalen RollBack in überkommene Gesellschaftsvorstellungen gewärtigen, so tauchen neuerdings eben auch staubige und schimmelige spirituelle Konzepte auf, ganz so, als hätten „wir“ diese nicht in der Aufklärung und den in ihrer Rechtsnachfolge eingebetteten Epochen ein für alle mal beerdigt. Mit einem Mal müssen wir uns ernsthaft mit einem noch im Mittelalter heimischen Islam auseinandersetzen, Herr Bolz rät insbesondere der protestantischen Kirche zu einer Rückbesinnung auf den Dogmatismus, das Feuilleton suhlt sich im Lutherjahr, und, gleichsam aus diesem heiteren Himmel, bietet die FAZ einen „Wissenshappen“ zur Scholastik. Was ein Agenda-Setting, was ein subtiler Interventionismus! Vermutlich bin ich der Einzige, der sich darüber aufregt.
Für meinen Teil will ich dem nicht auf den Leim gehen. Wenn es etwas zu diskutieren gibt, dann ist es die Zukunft. Und bitte sehr: ich habe nichts gegen, nein, alles FÜR Kenntnisse und Wissenshappen. Aber ich bin ganz entschieden der Meinung, dass es eine gigantische Menge überwundenen UnSinns gibt, den zu kennen keinen Deut weiter hilft; nein: den kennenzulernen teure Lebenszeit verbraucht. Oder noch anders: Wenn Du diesen Wissenshappen nicht zurückbindest auf die aktuellen Problemlagen, sondern, als ginge es um ein fortgesetztes, unbewertetes Studium Generale, einfach mal so in den Raum stellst, dann trägst Du mehr zur Verneblung der Landschaft bei, als zur Fortführung der Diskussion.
Also gut – ich versuche eine versöhnliche Variante: Was, bitte schön, lerne ich aus diesem Wissenshappen (ich hab ihn gelesen)?