Elon Musk –

Ashlee Vance schrieb eine Biografie über

Man, Bastard, Gamechanger

13-02-2019
 

Es ist schwer, etwas gut, gar exzellent oder sogar herausragend hinzukriegen. Um 4,5 Sterne zu bekommen braucht es SEHR wenige Rezensionen (Mama, Papa und die beste Freundin) ODER ein sehr gutes Produkt. In diesem Fall sprechen die 252 Bewertungen eine deutliche Sprache.

252 Bewertungen können sich nicht irren

Noch keine Bewertungen vorhanden

„Verrrtrrraue mierrr“, sagen die Bewertungen – und das tat ich und griff zu der ... exzellenten Biografie „Elon Musk – Tesla, PayPal, SpaceX – wie Elon Musk die Welt verändert“ von Ashlee Vance. Man soll einem Autor nicht den Buchtitel vorwerfen, in aller Regel sind Verlage dafür verantwortlich. Tesla, PayPal, SpaceX – warum? Wenn man eine Biografie schreibt, geht es doch um den Ablauf, oder? Zuerst gab es PayPal (gegründet 1998), dann SpaceX (2002) und dann Tesla (2003), also historisch (und zwei weitere Unternehmungen bleiben unerwähnt).  Im Original war es noch eine Nuance anders: „Elon Musk: Tesla, SpaceX, and the Quest for a Fantastic Future“. Stimmt: so ein Untertitel ist nicht wirklich wichtig, das Marketing legt sein Schleppnetz aus, wahrscheinlich orientiert an der ungestützten Markenbekannheit, … na, egal.

Literarisch ist das Buch ungefähr so faszinierend wie ein Betonsockel. 

Es ist … solide. Es sagt, was es zu sagen gibt; allerdings das Meiste davon in ungefähr vier bis achtfacher Ausführung. Offenbar hat der Autor mit vielen Beteiligten und ehemaligen Mitarbeitern  gesprochen. Die Statements, die sie zu Protokoll gegeben, tun niemandem weh; Füllmaterial. Immer wieder beeindruckend, das Menschen mit erwiesenermassen herausragenden Skills und scharfen Hirnen sich mit derlei Belanglosigkeiten zitieren lassen. Das Buch erinnert an einen Kanon: Space X – Tesla – Solar City (und wieder von vorn, mit leichtem Versatz). Eher als Einleitung erfahren wir gerade genug über Kindheit und Jugend, Zip2 und PayPal.  

Sprachlich, denken wir positiv,  ist es gut verständlich. 

Ich habe, wie so oft, das Hörbuch gewählt und schliesse mich, was den Vortrag betrifft, dem Urteil meiner Frau an, der es als Einschlafhilfe gute Dienste erwiesen hat. Der Sprecher verfügt über zwei Modi: Elon, in wörtlicher Rede, den er immer wie einen 13 jährigen Schuljungen verschleift, der grade eben und staunend das Licht der Welt erblickt hat, sowie alles andere, das er ungefähr so spannungsreich vorträgt wie eine Schüssel Spinat, aber ohne den Blubb. Ausserdem ist das Buch ca. 2014 geschrieben – und da es literarisch nichts hergibt, ist es, was die Entwicklung betrifft, bereits ein wenig abgestaubt. Ein vernichtendes Urteil, warum darüber reden?

An diesem Buch ist eines gut, und das ist sein Thema, Elon Musk. Der Typ hat so viel Ecken und Kanten, dass ich ganz froh bin, nichts mit ihm zu tun haben zu müssen. Mehrere Quellen werden zitiert, die Elon Musk für eine Mischung aus Steve Jobs und Bill Gates halten, etwas(!) freundlicher als Steve und etwas gebildeter als Bill. Interessant wird die Frage, ob Mann ein Tyrann sein muss, um Grosses zu erreichen. Und das ist der einzige Aspekt, über den es sich lohnt, eine Weile nachzudenken.

Elon Musk wird als ein Besessener geschildert, der sein eigenes Leben „in den Dienst der Menschheit“ gestellt hat, dessen übermenschliches Ziel „die Rettung des Planeten“ ist. Der aber Zweifel hat, dass das gelingt, und deswegen alles daran setzt, den Mars zu besiedeln, ernsthaft, als Zuflucht. Zu diesen Zielen hat es ihn (ich folge den Aussagen des Buches, die indirekte Rede ist mir aber zu lästig) nicht aus dem Stand getrieben, aber als er durch Aufbau und Verkauf seiner ersten beiden Unternehmen ein reicher Mann geworden war, erschienen ihm die üblichen Geschäfts- oder Lebensziele zu banal. 

Die Gründung von SpaceX wird uns als eine Art seriöser Amoklauf vorgestellt: Musk weiss so gut wie „nichts“ über die Raumfahrt, aber nimmt sich vor, alles besser UND billiger hinzukriegen als die Boings, Lockheeds und Nasas. Musk hat ein Hirn, dass schon als Kind die gängigen IQ-Tests gesprengt hat – und mit diesem Hirn gräbt er sich in die Physik. Als Ingenieur verfügt er über ganz passable Grundlagen.

Der Amokteil des Vorhabens besteht darin, dass Musk rücksichtlos sein eigenes Geld in den Plan investiert, bis an die Grenze der persönlichen Pleite (weil die Lernkurve gewaltige Summen verschlingt; nach vier Fehlstarts verfügt er nur noch über ein paar Hundert Tausend Dollars); es gelingt ihm aber darüber hinaus, auch anderer Leute Geld Sack-weise zu verfeuern, und bereits das ist eine beachtliche Leistung. 14 Jahre später ist das Unternehmen mit 20 Starts im Jahr erfolgreich (zu je sterbensgünstigen 62 Millionen $, die Ariane 5 braucht 160-170 Mio, hier eine Übersicht), beschäftigt 6.000 Mitarbeiter, hat 100 Aufträge in der Pipeline, hat als erstes Unternehmen eine Rakete ins All und wieder zurück gebracht und neuerlich eingesetzt. Ein Blick auf die WebSite ist unterhaltsam. .  

Tesla wurde (2003) nicht von Musk gegründet, aber er ist so früh (2004) und so heftig eingestiegen, dass man inzwischen die Gründer (Martin Eberhard und Marc Tarpenning,) erwähnen muss, um historisch gerecht zu bleiben. Heute realisiert das Unternehmen, dass mit einer Handvoll Ingenieure gestartet wurde, ca. 22 Mrd. $ Umsatz mit über 45.000 Mitarbeiter und ist profitabel. 

Game-Changer

Elon Musk gründet game-changing Companies und macht sie erfolgreich. Unterwegs verbrennt er nicht nur das Geld seiner Investoren sondern auch die Lebensenergien seiner Mitarbeiter. Bezeichnend für seinen Stil ist die Geschichte seiner Assistentin und Programm-Managerin Mary Beth Brown, die über zwölf Jahre dafür gesorgt hat, dass das geschah, was geschehen sollte: die Musk gemanged hat sowie namhafte Bereiche der öffentlichen und der internen Kommunikation, und nicht selten Geschäftsentscheidungen gefällt hat, die gerade nicht im Fokus ihres Chefs waren. Schliesslich wollte sie auch wie eine Führungskraft bezahlt werden. Musk gab ihr ein zwei Wochen Urlaub; er wolle ihren Job einmal selbst machen und sehen, ob er wirklich so schwer sei, wie sie sage. Am Ende dieses „Urlaubs“ hat er sie nicht mehr gebraucht

Von Steve Jobs kennt man sehr ähnliche Geschichten. Die Frage, die sich mir stellt, ist nicht die der Moral. Natürlich weiss ich, dass diese Art des Managements ein Klima der Angst erzeugt. Und es ist kaum der Rede wert, dass ich mit der Arschlöchrigkeit, die darin zum Ausdruck kommt, nicht wirklich zu tun haben will. Mich interessiert vielmehr, ob es notwendig ist, diese Brutalität und geschichtslose Rücksichtslosigkeit zu entwickeln und durchzuhalten, um Ziele zu erreichen, die jenseits einer „Jahreszielvorgabe“ liegen? 

Ziel und Legitimität

Das Buch vermittelt den Eindruck, dass die Mitarbeiter, die Musk zum Erfolg verholfen haben, allesamt ihre Persönlichkeit vor dem Fabriktor ins Schliessfach gelegt, und dennoch oder deswegen? an sieben Wochentagen 14 oder 18 Stunden für das Unternehmensziel gearbeitet haben. Überwiegend, aber nicht nur Männer. Ein wesentlicher Teil dieser Depersonalisierung und kontinuierlichen Überforderung legitimiert sich, so legt es das Buch nahe, aus der Tatsache, dass Musk mit sich selbst nicht schont (wenn wir einmal die Lustgewinn der Machtausübung aussen vor lassen; versteht sich). Ein anderer Teil, heisst es, sei in den „hehren Zielen“ verwurzelt: die Zwecke des Einzelnen zählen nicht, wenn es um die Existenz der Menschheit geht. 

Naja, mag sein, dass Musk diese Ziele tatsächlich verfolgt. Das Buch macht glaubhaft, dass er immer und immer wieder sein persönliches Vermögen vollständig in den Dienst dieser Ziele gestellt hat, bei mehr als nur einem maximalen, nämlich bei einem verrückten, krankhaften Risiko, alles zu verlieren; eine Million Dollar auf die Null: ein Hasardeur. Andererseits ist er auch auf gutem Weg, zu einem der reichsten Menschen der Welt zu werden.

Der heilige Zweck

In der Auseinandersetzung vor allem mit dem Kommunimus (Lenin, Stalin) und seinen Konvertiten (Sperber, Koestler, Leonhard … ) habe ich viel darüber gelernt, was dabei herauskommt, wenn der Zweck die Mittel heiligt. Heute, in der Auseinandersetzung mit Jobs, Bezos oder Musk lerne ich, … frage mich jedenfalls, ob ich das lerne, dass Ziele, die über den Common Sense hinausweisen, die mit Regeln brechen und Strukturen auf den Kopf stellen, schon für sich genommen gewalttätig sind. Du kannst, sagt Einstein, ein Problem nicht mit den Mitteln lösen, die es hervorgebracht haben. Alle nicken, die Konsequenz dieses Gedankens aber ist, dass darüber hinaus gehende Mittel die bestehende Struktur brechen müssen. Ist das mit einer win-win-Philosophie zu schaffen?

In Deutschland und Europa pflegen wir einen anderen Stil, überwiegend. Das Land ist erfolgreich, und auch der Kontinent, überwiegend. Wenn man sich die Liste der deutschen Weltmarktführer anschaut, sticht allerdings kein Unternehmen ins Auge, dass in den letzten sagen wir 20 oder 30 Jahren entstanden ist und die Welt verändert hat. Alles hoch solides Mittelmass. Wenn wir an die Einführung der LKW-Maut denken oder den Bau des BER, dann kommen doch Fragen auf: ist das ein systemisches Versagen? Oder ein kulturelles? Führt der Verzicht auf wegweisende, grosse, gewalttätige Ziele, der Verzicht auf brutale und radikale Mittel, in eine Abwärtsspirale?