Der Morgen danach – leichte Katerstimmung. Aber komm: reiss Dich zusammen!
Enttäuschung – keine Tränen
Ich kann mich nur wiederholen
Die FDP hilft beim Aufräumen
Da dampft der Dampfer davon
Die Wahl
Die SPD hat geblutet: an die Linke (550k) logisch, erwartbar, ähnlich an das BSW (400k) und die Grünen (460k); 1,8m jedoch an die Union – das ist erstaunlich. Die Grünen verlieren weniger: 330k an die Union, jedoch 540k an die Linke und 120k sogar an das BSW. So die Wählerwanderungserhebungen der FAZ. Ich hatte tatsächlich leichte Zugewinne für die Grünen erwartet, doch insbesondere die Verluste hin zur Linken habe ich nicht vorhergesehen.
Das Wahlergebnis enttäuscht mich – ich habe mir eine schwarz-grüne Regierung erhofft, während eine neuerliche Regierungsbeteiligung der SPD dem Strafbefehl der Wähler widerspricht –, es beruhigt mich aber auch ein wenig. Immerhin nur eine Zweier-Koalition, und vielleicht hilft frisches SPD-Personal auch dabei, tatsächlich einen Politikwechsel zu ermöglichen. Für Europa erweist sich der Rückzug von Michael Roth jetzt als schmerzliche Leerstelle (sein Nachfolger im Wahlkreis, Daniel Iliev, ist ein blasses Parteigewächs. Dass er Roths Wahlkreis – meiner übrigens – nicht gewinnen konnte, heisst aber nicht, dass es Roth nicht gelungen wäre! Der ist – war – schon ein anderes Kaliber).
Der Abgang – und wie ich hoffe: der Untergang – der FDP folgt meinem Wählerwunsch. Ich habe mich einmal verleiten lassen, die FDP zu wählen, weil das Wahlmarketing seinerzeit eine innovative Politik versprach. Es erwies sich als ein gewaltiger Etikettenschwindel! Lindner wandelte sich vom Posterboy zum Betonkopf, der die Anforderungen der Zeit nicht verstand, wahrscheinlicher: gestützt durch die Einflüsterungen eines MOC Döpfner wohl auch nicht verstehen wollte.
Das Scheitern des BSW empfinde ich nicht als Verlust. Frau Wagenknecht hat sich in einer polit-analytischen Sackgasse verlaufen. Hier zeigt sich – wie auch bei Volt, die mit 0,7% noch weit unter meiner ohnehin schon zurückhaltenden Erwartung blieben –, dass Politik auf Basis einer Marktanalyse nicht funktioniert. Es braucht einen emotionalen Resonanzraum in der Wählerschaft – und den erzeugen nur Menschen, deren Kommunikation Hirn und Herz erreicht (wie es – offenbar – Heidi Reichinnek mit ihrer Rede im Bundestag gelang).
Die Regierung
Jetzt der sich formierenden Regierung einen Sprechzettel mit auf den Weg zu geben, zielt ins Leere. Für die nächsten Wochen und Monate sind die Betroffenen so sehr damit beschäftigt, den administrativen Anforderungen nach innen und aussen zu genügen, dass jeder Kommentar, jede Forderung, jede strategische Überlegung nur die Galerie erreicht. Die Politik – und dafür muss man ein gewisses Verständnis aufbringen – hört grad nicht hin. Insofern können in diese Richtung gehende Überlegungen nur der Selbstvergewisserung dienen: was erhoffe ich mir, womit muss man rechnen, was ist zu befürchten.
Von Friedrich Merz erhoffe ich mir eine Wiederbelebung der deutsch-französischen Partnerschaft, womöglich sogar eine Erneuerung und Erweiterung: um Polen. Mit Macron und Tusk sollte das möglich sein; ob allerdings Merz aus seiner transatlantischen Verankerung ausscheren kann, ist fraglich. Mir ist unklar, ob er über die intellektuellen und charakterlichen Fähigkeiten verfügt, eigene Impulse zu setzen, eine tragfähige Agenda zu entwickeln und – auch gegen zu erwartende Lobby-Energien – einen neuen, europäischen Weg zu formulieren. Diese „Herausforderung“ hat eher die Ausmasse eines Problems: er müsste die EU hinter der Ukraine versammeln und gegen eine amerikanisch-russische „Achse“ in Stellung bringen. Er müsste Geld und Organisationskraft in die militärische Neuausrichtung Deutschlands und Europas investieren und rasch zu Entscheidungen kommen, die der Ukraine einen zweiten Atem verschaffen. Mag sein, dass ihn Boris Pistorius darin unterstützen könnte: wenn die Union das zulässt!
Trump hat das Wahlergebnis begrüsst – mal sehen, wie lange das anhält. Sollte sich Merz, wie ich es erhoffe, als eigenständig erweisen und den US-Interessen widersprechen oder gar zuwider handeln, wäre es mit der Sympathie rasch vorbei. Grundsätzlich müssen wir damit rechnen, dass die Trump’sche Chaos-Politik es maximal erschwert, eine konsistente europäische Perspektive zu entwickeln.
Innenpolitisch – naja, man muss mit der CSU rechnen. Es würde mich beruhigen, würde sich die neue Regierung auf die Bundeswehr, den Wohnungsbau und die Infrastruktur konzentrieren, zu befürchten aber ist, dass der Zauber des Beginnens ein paar Übermütigkeiten provoziert. Die unterbelichtete Parole vom Ende vom Ende des Verbrenners hat Merz bereits ausgegeben, und will (oder muss) er sein sogenannt konservatives Profil schärfen, werden ihm noch ein paar mehr unselige Überlegungen dazwischen kommen. Ich erwarte jetzt Weichenstellungen in Fragen der Migration, die ich vorab nicht unter übermütig oder unselig einsortiere: die Kommunen sind überfordert, finanziell, materiell, und die Terrorattentate sind unerträglich. Ich befürchte, dass mir ein paar der harscheren Massnahmen nicht gefallen werden, meine aber auch, dass ich die – im Sinne der Regulierung und zur Vermeidung einer weiter sich verschärfenden Überforderung der Gesellschaft – in Kauf nehmen muss.
Tja, ein relativ kurzer Post: er spiegelt meine Verfassung am Morgen nach der Wahl. Noch viel Nebel, noch wenig Substanz, die zu kommentieren wäre.