Getretener Quark wird breit, nicht stark

Heribert Prantl kämpft

für die Demokratie!

 

Zunächst: ich leugne nichts, denke (zumindest in diesem Punkt) stur geradeaus, hoffe auf den Impfstoff und halte mich „mehr als nur“ an die Regeln.

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Zunächst: ich leugne nichts, denke (zumindest in diesem Punkt) stur geradeaus, hoffe auf den Impfstoff und halte mich „mehr als nur“ an die Regeln. Ich gehe dem Virus durch weitgehende Selbstverknastung aus dem Weg – bei gelegentlichen Freigängen – zum Einkauf – verhalte ich mich umsichtig vorsichtig. 

Ich habe ungefähr Mitte Februar die Lage und die Bedrohungslage verstanden, etwa Mitte Mai war ich von einer zweiten Welle überzeugt, und daran hat sich seither nichts geändert. Im Verlauf des März hatte ich den Meinungsbildungsprozess verfolgt, diese oder jene wissenschaftliche Position zur Kenntnis genommen und dann erkannt – mindestens mal für mich selbst – dass dieses ganze Gerede nur die Bereitschaft zu entschiedenem und Erfolg-versprechendem Handeln erodiert (weil es den Zweifel in die Köpfe derer trägt, die die Fakten zu bewerten nicht kompetent sind und so zur Aushöhlung der Folgebereitschaft beiträgt). 

In meiner inneren Kommentarlage war ich davon überzeugt, und hier wurde mir das glaubwürdig bestätigt, dass der Regierung jede vorhandene Expertise zu Gebote stand, in der gebotenen Breite und Tiefe. Dass das Regierungshandeln in der unerwarteten und (in der Praxis) unbekannten Situation dennoch an der einen oder anderen Stelle nicht frei von Fehlern war, habe ich, wie die Bundeskommentatoren von der Deutschen Corona Liga, erwartet, gesehen und verstanden; das hat mich weder in meiner Selbstdisziplin noch in meinem Zutrauen zum Regierungshandeln erschüttert. Das gelang nur den Kommentatoren, die, in Ermangelung eigener Kompetenz, jeden Mediziner vor die Mikrofone zerrten, der „Virus“ und/oder „Pandemie“ fehlerfrei aussprechen konnte und nicht bei drei auf dem Baum war. Für die narzisstischen Pfauen, die, weil sie nicht gefragt worden waren, sich öffentlich spreizen mussten, und damit eine Diskussion befeuerten, die nur schädlich sein konnte, empfand ich Verachtung und ein wenig Mitleid. Die PR-Agentur „Storymaschine“ hätte ich, wenn mir die Mittel zu Gebote gestanden hätten, so ausgiebig strafrechtlich verfolgt, dass sie damit für dieses Jahr zumindest beschäftigt gewesen wäre.

In meinen Augen wird die Lage auch nicht von jenen aufrechten Aufklärern verbessert, die – ich konzidiere die „gute Absicht“ – über kilometerlange Recherchen und Rückungen versuchen, die fehlende Kompetenz ins Publikum zu tragen: eher im Gegenteil. In der Bubble dieser Informationselite trägt die vermeintliche Selbstaufschlauung auch nur dazu bei, zu glauben (!, man ist ja „informiert“), es im Zweifel selbst besser zu wissen – und daraus wiederum gewisse Sonderrechte bei der Selbst-Beregelung abzuleiten: „Übrigens kenne ich die Studienlage. Die Massnahme kann gar nicht wirken, leider, und deshalb: ich weiss, was ich tue.“ 

Noch mehr als die Pandemie selbst, nervt mich also die Corona-Diskussion, seit Monaten! Ich habe also, nach anfänglicher Kentnnisnahme, jede Lektüre eingestellt, die über die nachrichtliche, faktische Entwicklung hinausgeht. Mehr wäre dazu nicht zu sagen.

Eigentlich

Nun erwischt mich heute morgen Heribert Prantl auf dem falschen Fuss: ein Zufall, ich streunte medial und hatte nicht richtig hingeschaut, bevor ich richtig hinschaute. Doch da ist mir jetzt doch der Knopf vom Kragen gesprungen. Sollte der Herr Prantl in seinem langen Leben bereits viel Kluges gesagt und geschrieben haben, so wäre ich nicht der Zeitzeuge, dies zu bezeugen, bin ich ihm doch nur immer mal wieder und, wie erwähnt, eher zufällig begegnet. Was ich aber doch sagen kann, ist, dass ihm dies diesmal, in diesem StaatsGrossKommentar und Ordnungsruf, verwehrt blieb.

Herr Prantl schmeisst sich mit geschwellt-offener Brust – hier stehe ich, ich kann nicht anders – der Demokratie in die Bresche und seinen Kommentar dem Parlament vor die Füsse: J’accuse! 

Was ein grober Unfug – was Pharisäertum.

Das erste, wichtigste und in vielleicht zwanzig Wendungen immer wieder paraphrasierte Argument Prantls, die freiwillige Selbstentmachtung des Parlamentes sei verfassungswidrig, ein Verrat, eine Beschädigung der Demokratie, ist in seiner formalistischen Dummheit beeindruckend. 

Unser Parlament! Mann! Da, wo die Debatten der Nation die Einordnung und Kontrolle besorgen! Wo der Citoyen seine Repräsentanten rapportieren lässt! Wo die geistigen Führer des Landes dem Volk und der Regierung den Weg weisen. Wo die Vielfalt der dialektisch-feingeklöppelten Argumente der Gesetzgebung zu universaler Güte verhilft. 
Und die lassen das, freiwillig, und die Merkel-Ministerpräsidentendiktatur schaltet und waltet.

Prantl räumt ein, „Die Stunde der Not sei nun einmal nicht die Stunde der Legislative, sondern die Rechtfertigung und Entschuldigung des parlamentarischen Shutdowns. Das mag sein. Aber diese Stunde dauert nun schon acht Monate.“ Ein verräterisches Argument, denn entweder geht die Kontrolle vom Parlament aus, dann immer und zu jedem Zeitpunkt, oder sie ist Krisen-begingt und Krisen-gebunden verzichtbar oder gar kontraindiziert. Dann gilt das, solange die Krise dauert. 

Zu erwarten, dass die rituellen Redebeiträge der Parteigranden und -kleinen einen Jota zur Qualifizierung der Regierungsmassnahmen beigetragen oder – „Ein Parlament hat nicht nur legislative, sondern auch politpädagogische Aufgaben“  (Prantl a.a.O.) – das Regierungshandeln verständlicher gemacht hätte, ist in seiner inneren Verlogenheit schon eine beachtenswerte Position. Aber dann: „Nun ist nicht gesagt, dass vom Parlament generell ganz andere Entscheidungen zur Corona-Bekämpfung getroffen worden wären, als diese von MerkeI, Söder, Laschet und Co. getroffen worden sind; wahrscheinlich wären die Grundrechtseinschränkungen zum Teil ähnlich ausgefallen; …“ Herr Prantl hyperventiliert, weil die Fundamente des Nationalstaats wackeln, um dann einzugestehen, dass das Parlament kaum zu anderen Ergebnissen hätte kommen können. Was Welle, was Maulheldentum, was lachhafte Position.  

Wenn die Krise eines liebt, so ist es die Diskussion. Nichts verhindert glorreicher, dass Massnahmen befolgt werden und Wirkungen schaffen, als wenn Krethi und Plethi ihren Senf dazu geben. Dass die Krise nunmehr in der zweiten Welle wogt und schon acht Monaten dauert, ist das Ergebnis Kompromiss-verseuchter Halbheiten und der zersetzenden Kraft der öffentlichen Kakophonie. Herr Prantl hat dem „Diskurs“ einen neuen Höhepunkt hinzufügen dürfen.

 

p.s.:

übrigens liebe ich Diskussionen und sehe ich eine Menge Ansätze! In meinen Augen ist es lediglich in der Sache kontraindiziert, über Corona und die Wissenschaft und die respektiven Massnahmen und die Fehlentscheidungen der Regierung oder gar den Verfassungsverrat des Parlamentes zu palavern. Diskutieren könnte man aber sehr wohl darüber, wie die unfasslichen Geldströme unsere Zukunft gestalten – oder deren Gestaltung verhindern (etwa, indem die Gelder in Zombi-Unternehmungen versenkt werden) – oder Einfluss nehmen auf Probleme, die (Du-weisst-schon-wo) gleich nach der Corona-Krise wieder aufpoppen.