Mein Leben für mein Leben

DefCon 2

Der Aggressor diktiert die Wahl der Waffen

 

Es ist schwer, auf der Höhe der Entwicklung zu denken; noch schwerer ist es, die deutsche Zurückhaltung gegen die existentielle Not und das Pathos des ukrainischen Präsidenten zu verteidigen; die Frage, die landauf, landab diskutiert wird, lautet gar: ist es nicht sogar unredlich?

WOHIN MIT DER TASCHE ??

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Wie die meisten sitze ich in bedrücktem Schweigen vor den Nachrichten aus der Ukraine, die Tod, Not, Leid und Zerstörung berichten. Die Verbrechen und Kriegsverbrechen des Wladimir Putin erzeugen Wut und vergleichbar hilflose, dunkle Gedanken, wie sie in der Karikatur zum Ausdruck kommen

Gelegentlich quälen mich sogar Überlegungen, die militär-theoretisch unter dem Stichwort „Enthauptungsschlag“ geführt werden;

„quälen“, weil ich eine Denktradition des Pazifismus in mir trage,
„theoretisch“, weil die Praxis noch immer alle Theorie unterläuft.

 

Qual

Ich habe mit 17 Jahren den Kriegsdienst verweigert.

Mir war das ein existentielles Anliegen: so habe ich mich erklärt, noch bevor ich überhaupt zur Wehrpflicht „erfasst“ worden war. In der Folge wurde mein Gewissen von einer Kommission geprüft. Die Verfahren der Gewissenserforschung waren – zu meiner Zeit – ein einziger Skandal und Gegenstand zahlloser Beschwerden aus der gesamten Republik (später wurde sie als rituelle Farce abgehandelt). In seiner Rolle als aufrechter Bürger der Republik war der Vorsitzende meiner Kommission, ein Oberst a.D., für die bundesweite Ausdehnung der CSU zur „Vierten Partei“ auf- und angetreten – zufällig habe ich das Jahre nach meiner „Anerkennung“ aus seiner Todesanzeige (!) erfahren. Lange her: Die „Vierte Partei“ war kurz-vor-rechtsradikal positioniert, um die zeitweiligen Erfolge der NPD zu absorbieren, und folgte damit der FJS-Maxime, nach der es rechts von der CSU keine parlamentarische Kraft geben dürfe. Die Personalie wirft ein Licht auf den gegen „linke Gammler und Drückeberger“ gerichteten Geist, der in diesen Kommissionen gepflegt wurde.

Mein Gewissen erforschte der Vorsitzende mit der Frage, ob denn der von mir vertretene bedingungslose Gewaltverzicht auch so weit ginge, tatenlos zuzuschauen, wenn „meine Freundin im Park angegriffen und vergewaltigt“ würde. Die Frage brachte mich in Atem- und Argumentationsnot. Nicht exakt die gleiche, aber doch eine sehr ähnliche Frage stellt mir und uns jetzt Wolodymyr Selenskyj.

Die Anekdote erwähne ich, weil sich im Laufe meines Lebens meine pazifistische Haltung geändert hat. Ich lernte, dass die Abwesenheit, Vermeidung oder Ächtung von Gewalt ein Vakuum erzeugt, in das, fast muss man sagen: naturgegeben, „fremde Gewalt“ eindringt; die Konsequenzen dieser Lektion – ich habe mich lange geweigert, das einzusehen – könnte man so zusammenfassen: es ist der Gegner (Feind, womöglich), der den Austragungsmodus eines Konfliktes bestimmt.

Der Angriffskrieg Putins zeigt das paradigmatisch: gleich zu Beginn hat er die Wahl seiner Waffen bekanntgegeben, darunter das russische Atomarsenal, und damit in einer Geste maximaler Dominanz die „Unterstützung der Ukraine“ gleichsam reguliert: „Mischt Euch nicht ein, oder ich bombe Euch in die Steinzeit.“ Die jüngst abgefeuerten und eingeschlagenen Hyperschallraketen haben Putins Position nochmals unterstrichen: solche Raketen können mit Atomsprengköpfen ausgestattet werden, fliegen mit 11-facher Schallgeschwindigkeit, können bis zum Einschlagpunkt ferngelenkt werden und sind in dieser Kombination aus Steuerung und Geschwindigkeit auch von einer State-of-the-Art-Raketenabwehr unerreichbar. Putin, so sollen, so müssen wir seine Nachricht lesen, ist zum Weltuntergang bereit.

Die Haltung eines zu Tod oder Selbstmord bereiten Täters ist durch keine kluge Strategie beherrschbar: Wenn Du nicht bereit bist, Dein eigenes Leben dagegen zu setzen, wird Dir der Täter seinen Willen aufoktroyieren. Die Dramatik dieser Alternative spiegelt sich in dem Satz jener Ukrainerin, die ihre Flucht (sinngemäss, aus dem Gedächtnis zitiert) so beschrieb:

„Ich bin Ärztin und mein Mann ist Programmierer. Eben noch haben wir ein normales Leben geführt. Einen Moment später schlug eine Rakete ins Nachbarhaus. Jetzt bin ich mit einem Koffer auf der Flucht und mein Mann kämpft um unser Leben an der Front.“ 

Putins Krieg gegen die Ukraine ist ein solitärer Schrecken – oder nein: nicht solitär. Er folgt – in mindestens sehr vielen Aspekten – dem Drehbuch Adolf Hitlers. Wobei wir auch nicht umhin können, diese Sicht als eine eurozentristische Position zu konzedieren: viele andere Schrecken toben an Schauplätzen jenseits unserer Aufmerksamkeit: im Jemen, im Süd-Sudan, im Kongo, in Afghanistan oder Pakistan … solitär ist Putins Krieg also lediglich relativ, gemessen an der Zeit und seinem Austragungsort in Europa. Hier, in Europa, wähnten wir uns im 21. Jahrhundert; ein Irrtum.

 

Global

Zu den intellektuell schwer zu verarbeitenden Bedingungen der globalisierten Welt gehören die zahllosen kulturellen, ideologischen, technischen und ökonomischen Gleich- und Ungleichzeitigkeit – mit ihren moralischen, intellektuellen und philosophischen – und schliesslich vor allem praktischen – Implikationen. Wir leben "gleichzeitig", aber, gemessen an der gesellschaftlichen Normierung, in verschiedenen Jahrhunderten. 

  • Wir sehen Wladimir Putin mit nacktem Oberkörper und in militärischen Cargohosen. Zu Pferde, mit Gewehr oder im Eisbad. Wir WISSEN, welchen Testosteron-schwangeren, martialischen Machismo diese Ikonographie kolportiert, aber wir denken es nicht: wir sind mit Energieverträgen oder Diskussionen über den korrekten Gebrauch von Gendersternchen beschäftigt. Wir glauben an Worte und ignorieren darüber all jene Taten, die nicht in unsere Erklärungsmuster passen.
  • Wir sehen, wie Journalisten oder Oppositionellen Köpfe abgeschlagen werden und Frauen für die Taten ihrer Vergewaltiger gesteinigt werden, aber wir denken es nicht: wir genehmigen den Bau von Gotteshäusern, in denen zuweilen auch der „Krieg gegen den Westen“ gepredigt wird und sind mit Diskussionen über Diversity, die Freiheit unter der Burka und politische korrekte Integration beschäftigt.
  • Wir sehen Donald Trump, der eine verlorene Wahl als gestohlen behauptet und seine Anhänger zum Sturm auf das Capitol anleitet; wir sehen eine Nation, deren eine Hälfte sich nach faschistoiden Gesellschaftsmodellen sehnt, deren Ordnungskräfte zutiefst rassistisch sind, deren Ökonomie ungezügelte Zerstörungskräfte freisetzt … aber wir können nicht es denken: wir pflegen transatlantische Lobbyverbände, singen das hohe Lied von der Wertegemeinschaft und alimentieren die US-Rüstungsindustrie.
  • Wir sehen eine aufstrebende Weltmacht, die die mit weitem Abstand führende Kraft des Klimawandels ist, die ethnische KZs betreibt, jede Opposition einsperrt, und Verträge gerade solange einhält, wie es opportun erscheint (siehe HongKong oder ... Taiwan). Aber wir können es nicht denken: Wir ducken uns hinter unsere Wirtschaftsinteressen, helfen, wo wir können, beim Aufbau der Neuen Seidenstrasse und sehen zu, wie diese Weltmacht sich stikum halb Afrika unter den Nagel reisst.   

In einer Mischung aus Scham, Bequemlichkeit, Feigheit und analytischer Indolenz ignorieren wir das Weltgeschehen ganz besonders dort, wo neuer Faschismus auftritt oder droht – genauer noch: wo das Wegschauen unserem bräsigen Interesse nützt. Grosse neblige Flecken überziehen unsere Weltkarte. Wir sehen, was passiert, wollen es nicht glauben, nicht wissen, nicht aussprechen. Wir sind zur Analyse unwillig, zu Schlussfolgerungen unfähig; zu unserer Entlastung suchen wir nach Erklärungen.

Wir haben, jedenfalls glauben wir das, die Lektionen von Faschismus und Nationalsozialismus gelernt. Sie haben sich tief in unser kollektives Bewusstsein gebrannt. Jeden Tag werden wir daran erinnert: eine Kultur nennen wir das. Wir leben für Gleichheit und Emanzipation, für Freiheit und Gerechtigkeit, für Frieden und Fortschritt, nach innen. Nach aussen gestatten wir uns jede Form der Erblindung oder Verblendung, sogar dann, wenn unsere höchsteigenen Interessen berührt oder gar verletzt werden. Laissez faire, laissez passee, et chacun à son goût. Das liberal-politische Cocooning ist die säkulare Religion des Westens. Dass es Ungläubige gibt und, schlimmer noch, ganze Gesellschaften, die unsere Vorstellung vom richtigen Leben für träumerisch-gefährliche Dekadenz oder auch gotteslästerlichen Unfug halten, wollen wir uns nicht vorstellen.   

 

U-Turn

Nun hat Wladimir Wladimirowitsch den hauchdünnen Firnis der Zivilisation zerrissen. Über ein halbes Jahrhundert pflegte die deutsche Politik eine kaum verhohlene, militärische und geopolitische Abstinenz; bis hin zu einer Art staatlichen Pazifismus’ fehlte nicht viel. Diese Zurückhaltung war historisch geboten. Sie wurde, nebenbei, ganz ordentlich honoriert und brachte uns eine anhaltende Friedensdividende. Jetzt diagnostiziert Olaf Scholz die Zeitenwende. Mit beispiellosen Beschlüssen vollzieht die SPD, wieder einmal die SPD, was die CDU nie und nimmer hätte bewerkstelligen können. (Btw: das demokratische Paradox nennen wir gerne Wahlbetrug, es ist aber nur Logik. Grundstürzende Entscheidungen können nur jene Parteien auf den Weg bringen, die in der Opposition dagegen waren, weil der parlamentarische Gegner jetzt nicht verweigern kann, was er als – vormalige – Regierung nur nicht durchsetzen konnte.)

Sekundiert wird Herr Scholz von Frau Baerbock und Herrn Habeck, die das Notwendige dechiffrieren – allemal besser als Herr Lindner, dessen staatstragendes Vibrato einem schon gehörig auf den Keks gehen kann. Auch sie zeigen sich der Lage gewachsen, vollziehen einen ideologischen U-Turn ohne gleichen. Bei allem Bedauern: das ist angemessen und richtig.

Ich werden stets abstreiten, es je auch nur gedacht zu haben, aber im Stillen hoffe ich, dass der Frau Baerbock nicht irgendwie zufällig das Kommando über den Fliegerhorst Büchel zufällt: so, wie sie ohne lange zu fackeln der Realität die Pistole auf die Stirn setzt, würde mir flau in der Magengegend. … Naja, ich weiss das: solche Befürchtungen sind von der Realität nur insofern gedeckt, als in der NATO die schwerwiegenden Entscheidungen kollektiv gefällt werden müssen; theoretisch.

„Sie sagte, „Wehrhaftigkeit“ sei „lange kein Wort gewesen, das man einfach so in den Mund genommen hat“. Nun gelte es aber, Wehrhaftigkeit auf der Höhe der Zeit zu definieren, etwa die Abwehr von Cyber-Bedrohungen aufzunehmen.“

„Auch der klassischen militärischen Wehrhaftigkeit widmete Baerbock Aufmerksamkeit: Deutschland müsse seine Fähigkeiten auch zur nuklearen Abschreckung erhalten. Daher habe die Bundesregierung jetzt rasch entschieden, amerikanische Tarnkappenbomber anzuschaffen, um weiterhin die nukleare Teilhabe mit amerikanischen Atomwaffen ausführen zu können.“

Für eine Politikerin der Grünen sind das jedenfalls beeindruckende und zugleich erschütternde Statements. Die Zeitenwende legitimiert und erzwingt einen neuen Blick auf die Welt, bei mir auch; Erschrecken, Bewunderung und Zustimmung verbinden sich zu einer irritierenden Suspension.

 

Strategie

Wladimir Putin nötigt die deutsche Gesellschaft zu einer Revision, einer strategischen Neuausrichtung. Doch bei all dem Bohai in den Talkshows, die du-weisst-schon-welche Kernfrage wird raunend umschifft. Sie hat zwei Aspekte:

  • Sind wir bereit, die russische Regierung und ihr Militär „auszuschalten“?
  • Sind wir bereit, eine europäische Verteidigungsgemeinschaft einzurichten?

Welcher dieser beiden Aspekte müsste zuerst genannt werden, gibt es eine Priorität? Hier, in Europa, steht der europäische Aspekt wohl doch an erster Stelle: denn unter Berücksichtigung aller Realitäten trauen wir es uns nicht zu, den ersten Teil der Frage aus eigener Kraft und aktiv zu beantworten. Noch stellen wir uns unter dem Sammelbegriff „der Westen“ unter und verlassen uns darauf, dass die USA es „zur Not“ schon richten werden. Für den Augenblick mag das zutreffen; Joe Biden redet und handelt danach. Nur hat er in wenigen Monaten seine midterm elections. Wie handlungsfähig wird der Präsident danach noch sein? Selbst wenn, es folgen nur noch zwei (Wahl-)Jahre, in denen wir uns auf Joe Biden verlassen zu können glauben.

Wer es sich nicht ausmalen will, zu welch weiterer Revision uns ein neuerlicher Präsident Trump zwingen würde, sollte jetzt in die europäische Gemeinschaft investieren: finanziell, organisatorisch, militärisch, mental. Die „Wehrhaftigkeit“, von der Annalena Baerbock spricht, ist zwar nationale Anstrengung, kann aber nur zu den Bedingungen einer europäischen Verteidigung beitragen: um als europäischer Partner ernst genommen zu werden. Verteidigung in Europa national zu denken, ist Unsinn; die NATO dagegen ist eine "Brücken-Allianz".

Fähigkeit und Bereitschaft verschränken sich also zur Kernfrage: es geht um die Haltung, die Überzeugung, die Bereitschaft des Westens, einem Aggressor in seiner Sprache zu widersprechen. Der Feind wählt die Waffen: Propaganda, Lug&Betrug, rücksichtsloses Kalkül, Atom- oder Chemiewaffen. Dem muss sich der Westen entgegenstellen – können wir das? Die USA, vermuten wir, schon. Europa, fürchte ich, nicht.

Ist das dekadent? Zumindest ist es eine feine Linie, die Fortschritt und Zivilisation von der Unfähigkeit zum Selbsterhalt trennt. Hunderttausende demonstrieren auf der Strasse gegen Putin, doch Gesänge mit dem Refrain „Frieden, Frieden, Frieden“ – werden den nicht beeindrucken. Und wie viele versammeln sich hinter der Parole „Nieder mit Putin“, „Tod dem Aggressor“? Viel weiter als bis zu einer Karikatur (s.o.) gehen unsere Gedanken, geht unsere innere Bereitschaft nicht. Die Frage, ob wir Deutschen notfalls - wie die Ukrainer – „überhaupt“ bereit wären, unser Land zu verteidigen, geistert seit Jahren durch die einschlägige Qualitätspresse. Es ist auch die Frage, die Wolodimir Selensky stellt, und die mir der Vorsitzende der Gewissenskommission gestellt hat.

Mein Leben für mein Leben?

Spätestens seit Hegel verläuft an dieser Frage ist die Grenzlinie, an der sich entscheidet, wer der Herr und wer der Knecht (und von mir aus: die Frau und die Magd) sein wird.

 

So what

… aber diese Überlegungen machen doch nur dann Sinn, wenn ich bereit bin, folgenden Satz zu schreiben und zu verantworten:

„Ja, ich bin dafür, Putin zu töten; und sei es durch einen Erstschlag.“

Der Reihe nach. Zunächst einmal macht der Satz deutlich, dass das Verteidigungs-Versprechen der NATO unhaltbar ist:

a) Anders als die gängige Doktrin käme doch NUR der Erstschlag, bei aller Wahnhaftigkeit des Argumentes, in die Nähe einer Verantwortbarkeit – nämlich als „vollständige Vernichtung des russischen Atomarsenals“. Das militärische Gegenteil des Erstschlages ist die Eskalation, … die auch erst an der Ultima Ratio endet, enden kann – das ist die Logik der Abschreckung. Die Stufen der Eskalation aber sind, insofern sie erst nach dem ganzen Arsenal konventioneller Vernichtungsmethoden bis zur Ultima Ratio vordringen, „noch unverantwortbarer“ als der Erstschlag. Eskalation KANN nur als Ende der Zivilisation enden, während der Erstschlag „versucht, durch das Schlimmste das Schlimmste zu vermeiden“.

Jenseits des Wahns ist natürlich auch das ein unhaltbares, weil theoretisches Kalkül! – s.o..

b) Aber wie sonst sollte man sich eine Beendigung des Krieges vorstellen? Glaubt irgendjemand, dass Putin seinen Scheitern eingesteht und seinem historischen Vorbild folgt? Vielleicht hat er Krebs? Zu wünschen wäre es ihm.
Wie aber – wenn er es selbst nicht tut – wäre ein Attentat auf Putin vorstellbar? Ich könnte für mich sprechen: „Ja, ich bin bereit, Putin zu töten.“ – eine Position jenseits aller Realisierbarkeit, und also eher aus der Kategorie Maulheldentum.

Damit sind wir am „Ende der Geschichte“: Eine diplomatische Lösung kann ich mir nicht vorstellen – wer so redet, sediert sich am eigenen wishful thinking. Eine militärische Lösung kann ich mir schon gar nicht vorstellen, geschweige denn, dass irgendjemand sie verantworten könnte. 

Gegen Putin gibt es kein verantwortbares Handeln. Es gibt nur die singuläre, unverantwortbare Entscheidung (eines Einzelnen) ihn – gezielt oder kollateral – zu töten. 

 

Zeitenwende
Der Gedanke endet da nicht! In seiner und unserer Not hält der Bundeskanzler eine beeindruckende Rede. Seine Schlossfolgerungen sind zwingend, ich schreibe das ohne jeden Zynismus, ohne jede Doppelbödigkeit. Ich komme aber doch zu der Frage: zu welchem materiellen Ziel bewaffnen wir uns (die Bundeswehr, Europa)? Welche Zwecke können wir damit erreichen, von der Umverteilung von Steuergeldern in die Kassen der Rüstungskonzerne einmal abgesehen? Wollen wir etwa Polen oder Dänemark überfallen? Für Deutschland, NATO-Mitglied, ist doch – wenn es gegen Russland ginge – alles unterhalb des Atomkrieges nur Gedöns: Menschenvernichtung, Materialvernichtung, CO2-Produktion.

Der Atomkrieg selbst aber löst allenfalls das Klimaproblem.

Emotional ist das Handeln unserer Regierung rational: wir können nicht anders; aber die materiellen Aspekte dieses Handelns finden sich ausserhalb eines schlüssigen Sinnzusammenhangs. Oder anders gesagt: die notwendige und unvermeidliche Aufrüstung ist sinn-frei.