Personen, die menstruieren

Heimat und die

Homeland-Security

17-06-2020
 

Wenn ich überhaupt so etwas wie „meine Heimat“ kenne, so ist es meine Sprache. Vielen Bemerkungen meines Umfeldes kann ich entnehmen, dass ich sie „ganz gut“ beherrsche; vielleicht auch etwas zu gut.

Someone help me out. Wumben? Wimpund? Woomud?

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Als ich kürzlich mit dem Notruf der Polizei zu tun hatte und einen Fall schilderte, in dem ich Hilfe brauchte, sagte der Beamte am Telefon: „Sie reden so komisch. Ich kann Sie kaum verstehen.“ Ich versteh den Mann: das war hochdeutsche Schriftsprache, deutlich prononciert und in gemessenem Tempo. Hört man im hessischen NordOst-Sibirien nicht alle Tage. Muss man sich erstmal dran gewöhnen. 

Aber das nur zur Einstimmung. 
Denn das ist jetzt son Aufreger-Ding. 
Es geht mir aufn Keks. 

Ich will mal mit den gaaanz entfernten Sachverhalten anfangen: 

Das N-Wort und seine Derivate nicht zu benutzen, erscheint mir als eine Frage des Respekts, der Aufklärung und eines hinreichenden historischen Bewusstseins. Für mich wird die Sache kritisch, wenn ich mich vor Gebrauch eines Synonyms bei Wikipedia über die aktuell angesagte Formulierung informieren muss. 

Heisst es jetzt LBGT oder LGBT oder geht ohne QI oder QIA oder QIA+ mal gar nichts? Wen soll man da fragen? Die NYT ist noch auf dem Stand vom 7.Juni 2019, gildet der noch? 

Neuerdings sind Frauen aus der Mode gekommen; Stand heute darf man das Wort Frauen noch benutzen, allerdings sind darum harte Kämpfe mit JKR ausgebrochen. Die Angreifenden wollen nur „Personen die menstruieren“ gelten lassen. Früher hätte ich Angreifer geschrieben, eine Weile hab ich es mit * versucht, mit grossem Binnen-I. Wie aber mit Metzgern umgehen? Metzgenden? Fleischernden? Besser: Vegetarier werden. 

Das klingt nur lustig, hat aber natürlich einen ernsten Hintergrund, zwei sogar. Da ist zum einen die politische Korrektheit; obwohl, ich bin unsicher, ob Korrektheit das richtige Wort ist. Ist ja ein feminines Substantiv(, das!), also nicht genderneutral, womöglich Frauen-diskriminierend? Oder geht das jetzt zu weit? Man kennt sich ja gar nicht mehr aus (ist „man“ noch erlaubt? Ich war ja immer der Meinung, man solle ich sagen, wenn man ich meine…, da schleifen sich Nachlässigkeiten ein). 

Nachlässigkeiten, genau darum ging es mal. Anfangs war das mit der politischen Korrektheit ja korrekt krass normal. Was mich betrifft, so fing es im Hörsaal VI der Frankfurter Universität an, wo meine Mitstreiter-*-n-I-den sich dahin gehend disziplinieren mussten, dass die Genossn’n’Genossn korrekt als solche adressiert wurden. Oder sie waren von Opel, dann waren sie Kollegn’n’Kollegn. Sons gab’s Tomaten! Oder Eier, was unter den heute geltenden Massstäben vermutlich auch nicht mehr pc wäre. 

Also Nachlässigkeiten. Je weniger wir erreichten, desto genauer musste das versagende Personal benannt werden. Das war eine Frage der Ehre, damals, der Aufrichtigkeit, also, wenn das Herz auf dem rechten Fleck war, usw.; damals kam der Widerspruch ganz unerwartet von meiner Frau Mama, die mich darüber aufklärte, dass die Genossn früher Volksgenossen waren, und zwar solche, die in „der Bewegung“ aktiv waren. Da hatte ich ihr grade erzählt, dass „die ganze Bewegung“ – von Wackersdorf kommend –  auf dem Weg jetzt nach Gorleben war, und sie war kreidebleich geworden.

Also, das war schon mal das eine, dass man die Dinge beim Namen nennen soll, beim richtigen, also die Menschen! Aber auch die Sachverhalte. Denn es geht ja nicht um die Tat als solche, sondern um das Bewusstsein, und das muss sich wandeln. Was Rio Reiser sagt:

„Alles verändert sich, wenn Du Dich veränderst." 

Gut, wenn dann Zeit vergeht … sowas geht ja auch leicht wieder verloren. Oral history ist dann, wenn „Grossvatter wieder, der vom Kriech erzählt.“

Also heute sind ALLE verändert, aber

– … sonst nichts. Das ist schon … komisch, oder? Und nicht nur die Geschichte geht verloren, auch Du selbst verläufst Dich, in all den Sprüchen und Ansprüchen und Nebenwidersprüchen, vielleicht: wenn’s (aufgepasst: genderneutral:) uns (Ha!) zu gut geht. Esel*Innen auf Eis.

Der zweite ernste Hintergrund ist beinahe noch wichtiger. Es geht ja nicht um Sprache oder Korrektheit; es geht um, na? Wer weiss es? Um Maaacht, na klar, um Herrschaft, um Deutung, um Richtlinienkompetenz, es geht darum, wer wem was zu sagen hat. Früher, als es noch um den Hauptwiderspruch ging, sollte die Krankheit zur Waffe werden, zum Beispiel. Das war Subversion. Heute dagegen ist die korrekte Sprache die Waffe. Nämlich der Subordination. Das richtige Argument, falsch intoniert – und Du schwupps – stehst im Abseits. Abpfiff. Austausch. Das hat Logik! Weil: Im Falschen kann kein Richtiges sein. Wissen wir, das. Lange schon. 

Und vielleicht gibt es noch einen dritten Hintergrund, so ein kleiner, nur halb-ernster, nicht so wichtiger. Der hiesse dann divide et impera, und die (aufgepasst: genderneutral:) Herrschenden würden sich die Hände reiben. Aber Vorsicht! Das liefe jetzt vermutlich, theoretisch, auf eine Verschwörung hinaus. Mit Merkel, Gates und Soros an der Spitze, einer US-chino-russischen Trollarmee plus den Systemmedien im Regierungsjet.