Erst ein Narrativ legitimiert das Handeln

dagegensein - reicht nicht

 

Dagegensein, das kann jeder: Terror, AfD, Donald, Brexit (you name it). Es ist einfach, dagegen zu sein, ein warmes Gefühl in der Mitte meiner Peers, meiner Wagenburg. Zustimmung, Kopfnicken, jawoll, jawoll.

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Und natürlich ist es richtig, dagegen zu sein. Es überzeugt aber niemanden. 

Wenn Du dagegen bist (was richtig ist), und es laut sagst (was noch nicht falsch ist), werden Dir die zustimmen, die auch dagegen sind. Du wirst aber nicht jene gewinnen, der eher oder sowieso gegen Dein Dagegen sind. Dein Dagegensein ist nämlich kein Vorschlag, kein Ziel, keine Story, es ist eben "bloss eine Re-Aktion".  

Nun wird das jetzt gerne jeder missverstehen, deswegen ein Blick zurück:

  1. Nach dem Krieg, die Not war gross, besonders im Winter 48, ... das Land ging an die Arbeit. Gar keine andere Chance: Ärmel aufkrempeln, Zupacken, Aufbau! Nur nicht denken: machen. "Keine Experimente", sagte Adenauer, und in der soffjetischn Besatzungszone konnte man ja sehen, ... Der Pragmatismus der Not verdrängte: Zweifel, Sexualität, Vergangenheit ... Deutschland war ein muffiges Land, jeder dachte an sich. Voller Bigotterie, Spiessigkeit, Alt-Nazis, Wirtschaftswunderkindern, voller Patriarchen und KKK. 
  2. Auftritt: die 68er. Wie überhaupt konnten sie "Erfolg" haben? Relativ simpel: Die Linke versprach Freiheit! "Unter dem Pflaster liegt der Strand". Freiheit von den repressiven Arbeitsstrukturen (man kann sich das heute kaum vorstellen: "die" Arbeiter organisierten sich, ganz ohne Gewerkschaften, zu wilden Streiks), Freiheit von einer verklemmten Sexualmoral (wer was zu lachen braucht, schaue sich mal ein paar Ausschnitte Oswalt Kolle an), Freiheit vom reaktionären Geist der "Ent-Nazifizierten". War es naiv? Na klar. Hat es gewirkt? Und ob!
  3. Natürlich waren die 68er (auch) "dagegen", gegen die Ellbogen-Mentalität, gegen die bräsigen "Wusste-ja-keiner"-Eltern, gegen die "Wir-brauchen-hier-jemanden-der-sich-damit-auskennt"-AltNazis. Herr Globke war Herr Mustermann. Dieses Dagegen aber verband sich mit einem Dafür: mit einer Utopie, einem Traum von Gerechtigkeit, einer "besseren" Gesellschaft, einem glücklicheren Zusammenleben. Und ja, es gab es (auch) eine "5. Kolonne Moskaus", vor allem die DKP und ihre Splitter, doch das war eine Minderheit! Überhaupt: alle K-Gruppen galten als Sektierer. Die 80-, wenn nicht 90%-breite Linke war undogmatisch, liberal, anti-autoritär, mit einem gehörigen Einschuss anarchisch und mit einem mehrheitsnahen Einschuss feministisch! 

Das ist alles lange her. Muss man nicht, kann mann nicht, will man nicht dahin zurück. Geht nicht. Das Entscheidende aber ist, dass die Linke damals über ein positives Gesellschaftsbild verfügte, auch und gerade weil oder wo es nebulös war, an das viele, eine ganze Generation, glauben wollten. Ein Narrativ, das – und daher eine Legitimation, die – über blosses Eigeninteresse hinausging.

Der Erfolg der Rechten, besonders in Zeiten der strukturellen Bedrohung, ist eine eindimensionale Story: ICH-ICH-ICH, Ich-zuerst-und-Du-bist-schuld-und-geh-weg-Du-stinkst. Die Linke hatte dagegen immer das "Wir!" gesetzt, eine Vision, eine sichtbare Vorstellung davon, wie "das alles" zusammengeht. Als Ziel, als Vernunft, als Aufklärung. Demokratischer Sozialismus, so hiess das damals in der Zusammenfassung, und es war eine GEGENposition zur Sowjetunion. Now, don't get me wrong, that's history. There's no way back.

Aber an alle, die hier und überall in einem flächendeckenden "Dagegen-Sein" die Massnahme der Wahl sehen: reicht nicht, wirkt nicht.