Reform versus Revolution

Komplexität und direkte Demokratie

zu Paul Mason in den "Blättern"

11-06-2016
 

Immerhin, Paul Mason bedenkt den Einfluss der Information auf die Grundfesten des herrschenden ökonomischen Modells. Zumindest aber in diesem Aufsatz gibt es aber einige Schwachpunkte, ohne deren Auflösung dieses Denken stecken bleibt.

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Wie nebenbei und am Ende versucht Mason eine reformatorische und eine revolutionäre Position gegenüber den herrschenden Verhältnissen zu vereinen. Das ist, meine Meinung, Unsinn. Jede reformatorische Position ignoriert die "Leiden des Übergangs", die sie verlängert, nicht auflöst. Jede revolutionäre Position ignoriert den Zwang zur Gewalt und die daraus notwendig erwachsenden "Kollateral"schäden, ohne die ein schneller, radikaler Wechsel nicht möglich ist. Diese beiden Positionen sind bereits theoretisch unvereinbar, und es "mal eben so zu behaupten", ist lediglich wishful thinking.

Ein zweiter grundlegender Schwachpunkt in Masons Vortrag (ich kenne sein Buch nicht, eigentlich kann er das nicht übersehen haben), ist die Ungleichzeitigkeit. Die Krise des Neoliberalismus, die er beschreibt, gilt für ein paar wenige (wenn auch derzeit dominierende) Volkswirtschaften. Solange (beispielhaft) Afrika gleichsam in Agonie vor sich hin dümpelt, kann man nicht von einem Mangel an Wachstumsmärkten ausgehen. Und in China können wir sehen, dass sich wahrscheinlich keine Volkswirtschaft davon wird abhalten lassen, mit Verve die gleichen Fehler zu machen, wie die "entwickelten" Länder es in ihrer Vergangenheit vorgemacht haben.

Es ist, meine Meinung, deshalb illusorisch, die Möglichkeit eines radikalen oder reformatorischen Wandels zu propagieren, solange die weltweit wirkenden Potentialunterschiede der Volkswirtschaften nicht annähernd ausgeglichen sind.

Drittens sehe ich zwei gewaltige Wachstumsmärkte in Masons Aufsatz unberücksichtigt: Body-Enhencement einerseits, also die sukzessive Umwandlung des Menschen in eine Maschine (Stichwort: Retina- oder Kochlea-Implantate ff), und die Virtualisierung von Gesellschaften andererseits (Stichwort Second Life), die sich als einer der wenigen Auswege aus dem ökologischen Desaster erweisen wird.

Das jedenfalls fällt mir beim Frühstück dazu ein ...