Intelligenz als Waffe:

Hoch die, weg mit ...

15-12-2016
 

1. Ich erinnere einen Moment, in dem ich ein zynisch-ironisch-sarkastisches "faschistoides" Pamphlet für eine ernstgemeinte Aufforderung gehalten habe und einen flammenden Protestbrief an den Freund geschrieben habe, der es mir geschickt hatte (damals herrschte noch das Briefzeitalter).

Kampfansage

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Der Freund rief mich an, erschreckt und belustigt, und wies mir haarklein mein Unverständnis nach. Es lag ja eine lange Kupferleitung zwischen uns, so konnte er nicht sehen, wie ich vor Scham und Wut rot anlief. Es ist Jahrzehnte her, ich habe die Demütigung nicht vergessen.

 

2. Daraus habe ich gelernt und bin nun meinerseits schneidend scharf, wenn ich ein falsches Denken konstatiere; interessanterweise fühle ich mich dabei stets im Recht. Das bessere Denken besiegt das Schlechtere, so sehe ich das, wenn ich beredt über die intellektuell-ziviIisatorische Rückständigkeit etwa von Boxern, Gewichthebern oder Sozialdarwinisten herziehe. Oder, was es nicht besser macht, mit sonorer Stimme sanft und pädagogisch wertvoll einem Dummkopf auf den rechten Pfad helfe.

3. Deutschland, das Land der Dichter und Denker, hat sich über ein paar Jahrhunderte (mit einer nur knappen, tausendjährigen Pause dazwischen) in dieser Mischung aus Erfolgsrausch und Hybris eingerichtet. Die Dummen waren sich ihrer Schuld bewusst und hielten demütig die Klappe. Es war nämlich so, dass jede dumme Bemerkung sofort und gnadenlos blossgestellt wurde, und wehe dem, den die Gruppe dann anschaute. Gelegentlich, Gott, wer erinnert das noch, etwa bei Opel in Rüsselsheim, haben die Schlauen die Dummen für ihre Demut mit Verbrüderungsgesten belohnt.

4. Nicht zu rechnen war mit einer Zeit, in der jeder alles sagen kann, öffentlich, unwidersprochen (jedenfalls meistens). Und jetzt machen die Dummen die Erfahrung, dass die Welt nicht zusammenbricht, wenn sie einmal klar und deutlich sagen, was sie von den Schlauen halten. Und sie machen die Erfahrung, dass andere das auch so sehen. Plötzlich gelingt es den Dummen, die Schlauen abzukanzeln, zurechtzuweisen, zu demütigen. Und das fühlt sich gut an. Und es kommt nicht darauf an, ob dabei Wahrheit im Spiel ist, oder was. Egal. Und ... - endlich lohnen sich die Stunden in der Kampfschule, endlich herrscht wieder ein Gleichgewicht zwischen Körper und Geist.

5. Historisch, meine ich, nennt man es einen Rollback, wenn es den (historisch zu Recht) Besiegten gelingt, zu Recht oder Unrecht, egal, den arroganten Siegern eins aufs Maul zu klatschen, und sie, sind sie doch in der Minderheit (grundsätzlich), in die Ecke zu stellen. Und weil die Dummen in der Mehrheit sind, und sie oft und reichlich gedemütigt wurden, ist ihre Wut gross, und der Durst auch. Und so eskaliert das.

Intellektualitat und Wissen sind Formen der Gewaltausübung.
Ich habe es immer so gelebt, aber nie so gedacht.