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Gretchen fragt

… und wie hälst Du's mit der Provision?

19-03-2021
 

Vier oder, leichte Erinnerungsunschärfe, vielleicht sogar fünf Mal habe ich einen Makler für die Vermittlung von Wohnraum bezahlt, in Summe ein mittlerer fünfstelliger Betrag, ungefähr.

Der freundliche Herr Sauter (Pressefoto von seiner WebSite)

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Umgekehrt habe ich einmal, vor fast 40 Jahren, einen Millionen-Deal selbst vermittelt: ich hatte eine Geschäftschance gesehen und zwei Personen, die beide nichts von der Chance und nichts voneinander wussten, zusammengebracht und bis zu einer Vertragsvereinbahrung begleitet; dafür habe ich eine angenehme, bescheidene Provision bekommen – in Form eines Mac (einer der ersten). 

Diese kleine Einleitung steht zwar am Beginn – ist mir aber tatsächlich erst eingefallen, als ich mit diesem Blogpost fast fertig war; offenbar hatte ich den mich betreffenden Sachverhalt sehr tief im Keller meiner Erinnerungen archiviert; nicht ohne Grund! Denn der Vorfall änderte nichts an meiner Wertschätzung für den Beruf des Maklers; ich würde sogar sagen: Jeder hasst Makler, aber man ist froh, wenn man einen in der Bekanntschaft weiss.

Makler monetarisieren Informations- und Kontaktvorteile, ein überwiegend luftiges Geschäftsmodell. Irgendwo zwischen unmoralisch und unangemessen empfinde ich solche Maklertätigkeiten, die in engen Märkten – sozusagen fingerschnippend – den Mangel ausbeuten, gleichgültig ob der sich auf der Angebots- oder auf der Nachfrageseite breit macht. Unter Umständen habe ich aber auch Verständnis, zum Beispiel, wenn so ein Vermittlungsvorgang in Arbeit ausartet. 

So wurde ich einmal gefragt, ob ich ein Unternehmen der New Economy (das war 2001, also bereits unter "prekären" Bedingungen!) verkaufen wollte. Es ging um eine 9-stellige Erwartungshaltung, die ich selbst "realistisch" um „eine Stelle weniger“ bewertete. So ein Deal könnte in Wochen, wahrscheinlicher aber erst nach Monaten oder gar Jahren über die Bühne gehen. Im Erfolgsfall wäre ein 10%-Honorar mein Entgelt: allerdings hätte ich meine, gerade auf dem Karrierepfad im Zustand der Beschleunigung befindliche, berufliche Tätigkeit mindestens aussetzen müssen, und ob am Ende ein Erfolg die Mühe lohnt, stand in den Sternen. Das Honorarversprechen, ich wäre danach sozusagen saniert, empfand ich damals atemberaubend – aber auch angemessen: Für die „Tätigkeit“ wären weltumspannende, langwierige Reisen unvermeidbar; und selbst, wenn es „gar nicht soo schwer“ sein sollte, Interessenten zu finden, … als maximal kompliziert und nicht selten eine stressige Achterbahn erweist es sich dann, solche Deals zum Abschluss zu bringen. Ohne mein Zutun fand der Verkauf an den fünften ernsthaften Interessenten schlussendlich nach 18 Monaten statt.

Ich habe also eine uneindeutige, Fall-bezogene und ansatzweise bigotte Haltung. Natürlich ist mir auch bewusst, dass meine Haltung im Grundsatz falsch ist: Denn entweder erbringt der Makler eine (definierte) Leistung, gleichgültig welche und gleichgültig, was es dazu braucht –, dann steht ihr ein marktadäquates Honorar zu. Oder wir sprechen von einer „Leistung“: die Vermittlung, die eigentlich gar keine ist; dann sollten sich daraus, Markt hin oder her, auch keine Ansprüche ergeben. Anders gesagt: Entweder, es geht um Fakten, Recht und Gesetz oder es geht um Moral; aber nicht: mal so, mal so. 

Diese durchaus ambivalenten Überlegungen beschäftigen mich im Fall Alfred Sauter. Wie immer wissen wir wenig, und was es zu bewerten gilt, zeichnet sich nur in Umrissen ab: als Anwalt habe er gehandelt – nicht als Abgeordneter –, im Namen und auf Rechnung seiner Kanzlei habe er einen Vertrag ausgearbeitet. Dass Herr Sauter haupt- oder nebenberuflich – auch keine ganz einfache Entscheidung – eine Kanzlei betreibt und damit „Nebeneinkünfte“ > 250.000 Euro jährlich erwirtschaftet, ist amtsbekannt (der Abgeordnete ist verpflichtet, eine gestaffelte „Grössenordnung“ anzugeben, nicht aber eine genaue Zahl). Das ist insofern rechtlich einwandfrei und für sich nicht vollkommen verwerflich. Normalverdienern schlackern gleichwohl mit den Ohren: allein als Abgeordneter müsste Herr Sauter irgendwelche 70-80 Wochenstunden ableisten; so jedenfalls berichten es viele seiner Kolleg:innen. In welchen Randstunden er überdies seine Kanzlei betreibt – wir wissen es nicht.

Vorgehalten wird dem Herrn Sauter aber nicht seine anwaltliche Tätigkeit, sondern Bestechung und Bestechlichkeit; ein Anfangsverdacht besteht. Die Zeit zitiert den ehemaligen bayerischen Justiz(!)minister mit den Worten: „Hinsichtlich des in der Öffentlichkeit kolportierten Vorwurfs eines zusätzlich zum Anwaltshonorar geleisteten Geldbetrags war von Anfang an beschlossen, den nach Abzug aller Steuern verbleibenden Nettoertrag gemeinnützigen Zwecken zuzuführen, was durch Familienangehörige und mich auch sichergestellt wurde." Und spätestens an dieser Stelle bekommt die Angelegenheit ein Geschmäckle! 

Für das, was in vergleichbaren Fällen abzurechnen ist, gilt zunächst das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG, bis 2004 und immer noch besser als BRAGO bekannt), das sich einerseits tabellarisch an einem Gegenstandswert bemisst, andererseits aber auch „unter bestimmten Voraussetzungen“ (§ 4a Erfolgshonorar) frei ausgehandelt werden kann. Bevor es „tabellarisch“ zu einem Honorar in Millionenhöhe kommen kann, müsste sich der Gegenstandswert in Multimillionenhöhe bewegen – die RVG-Tabelle endet bei 1 Mio und veranschlagt dann eine Vergütung von € 5.189 plus/minus irgendwelcher Ab- oder Zuschläge. Liesse sich eine Vergütung linear hochrechnen, müsste der Gegenstandswert dann irgendwo im Bereich von 200 Mio liegen – soo abwegig ist das „im Maskengeschäft“ nicht, wissen wir immerhin, dass der Bundesbeschaffungsminister 6 Euro pro Maske gezahlt hat (bei der Gelegenheit wurden die Teile in Medienberichten mit Euro 1,50 Einkaufswert beziffert). 

Zitat aus der Zeit:

»Zudem betonte er nochmals, dass er seine Arbeit als bayerischer Landtagsabgeordneter und Rechtsanwalt trenne. Als Mandatsträger arbeite er für alle, als Anwalt vertrete er seine Mandanten. Es gehöre zum Anwaltsberuf, "auch Mandate für oder gegen die öffentliche Hand wahrzunehmen". Dies sei in zahlreichen Vorschriften geregelt. "Diese Vorschriften habe ich immer beachtet." Bei den Verhandlungen mit dem bayerischen Gesundheitsministerium habe er "für alle erkennbar als Rechtsanwalt gehandelt"

Es hat also eine „Vergütung“ gegeben, vermutlich „frei“ nach RVG, plus einen „Geldbetrag“. Warum, frage ich mich, belastet der Herr Anwalt öffentliche Budgets mit Beträgen, um sie dann gemeinnützigen Zwecken zuzuführen? Das ist, mit Verlaub, Quark mit Sosse! Hahnebüchen! Soll er doch den „Geldbetrag“ gar nicht erst hereinverhandeln! Das käme die Steuerzahlerin billiger! So aber zweckentfremdet er öffentliche Gelder um sie nach seinem Gutdünken zu verwenden? Erfüllt das nicht bereits den Tatbestand der Veruntreuung? Und da haben wir uns mit dem Verdacht, dass eben diese Spende erst eingeleitet wurde, als die Angelegenheit bereits ruchbar war, noch nicht befasst. Und schon gar nicht mit dem Umstand, dass so ein Kaufvertrag ohnehin nur aus millionenfach bewährten Textbausteinen besteht; nichts daran ist kompliziert.

Und wozu eigentlich braucht das Gesundheitsministerium einen Anwalt? Haben die keine Rechtsabteilung? (Doch: unter Ministerialdirigent Markus Theuersbacher [Abteilung Z]  ist Frau Dr. Lucia Rüth für das Referat Z4 [„Recht, Vergabestelle] auch für die Beschaffung zuständig.) Weiss Frau Dr. Rüth nicht, wie man einen Kaufvertrag aufsetzt? Was überhaupt hat ein Vermittler in einem solchen Deal zu suchen? Weiss man in dem für Beschaffung zuständigen Referat nicht, wen man für welche Beschaffungsmassnahme ansprechen kann? 

Und selbst wenn! Der Abgeordnete und Ex-Minister Alfred Sauter hätte ja helfen können. „Frag mich doch!“ Er dient dem Gemeinwohl! Sein Tun und Streben will den Nutzen mehren und Schaden abwenden. Er ist sogar Rechtsanwalt: mal eben über den Vertrag drüberschauen, das macht der doch mit links! Aber so läuft das nicht. Je genauer wir hinschauen, desto klarer erkennen wir eines: halbkriminelle Energie! Die handlungsleitende Frage dieses dem Gemeinwohl verpflichteten Mandatsträgers war, offenbar: wie stopfen wir uns die Taschen voll. Wäre der Vorgang sauber, müsste man auch nix zur Entlastung wegspenden. 

Da, heisst es treffend in der Literatur, ist was faul im Staate Dänemark.
Und zwar zweierlei: die Nebentätigkeit von Abgeordneten und die Vergütungs“pflicht“ für Vermittlungsleistungen.

Was die Nebentätigkeiten betrifft, das ist eine mehrschichtige Angelegenheit. Immerhin werden Abgeordnete gerade mal „gut genug“ bezahlt, um ihre ganze Kraft dieser einen Aufgabe zu widmen. Ein Abgeordneter im Bundestag erhält eine „Entschädigung“ von 10.083,47 Euro, die sie zu versteuern hat. Zugleich finden sich das Anforderungsprofil für wie auch der Austragungsort in diesen Aufgaben bisweilen in Bereichen, wo die Luft schon mal dünn wird. „Diäten" heissen vermutlich nicht umsonst so: Vergleichbare Verantwortung und ähnliche Anstrengungen werden in der sogenannten „freien Wirtschaft“ zumeist sehr viel üppiger honoriert. Dass ein soziales Gefälle obwaltet, wenn die einen mit den anderen zu tun haben, wird nur bestreiten, wer es nicht miterlebt hat – und dass dabei gewisse „Pull-Kräfte“ freigesetzt werden, sollte nur bestreiten, wer im Glashaus sitzt.

Ich bin deswegen schon lange der Auffassung, dass Abgeordnete mehr verdienen müssen, gerne mit leistungsbezogen Bestandteilen, aber auf einem mit der Wirtschaft wenigstens vergleichbaren Level. Abgesehen von den Aspekten der materiellen Symmetrie und der sozialen Psychologie ziele ich mit dieser Forderung aber vor allem darauf, dass die unseligen Nebentätigkeiten eingeschränkt, wenn nicht grundsätzlich abgeschafft werden. Sie erzeugen einen Wettbewerb der Interessen und der Anstrengung, die mindestens der öffentlichen Aufgabe Schaden zufügen, wenn sie nicht, wie im Falle Sauter geradezu pervertieren (siehe Zeitzitat: »Als Mandatsträger arbeite er für alle, als Anwalt vertrete er seine Mandanten. …«).

Was nun die Provisionen betrifft, so braucht es einmal eine grundsätzliche rechtliche Regelung, die alle sozusagen „leistungsfreien“ Tätigkeiten betrifft. Auch das ist kein leicht zu regelndes Feld, zumal es nicht wenige Berufsbilder gibt, in denen „Kommunikation“ die einzig verbliebene Leistung ist (sagen wir beispielhaft: Versicherungsvertreter:in). Und natürlich ist eine Vermittlung immer eine zumindest kommunikative „Leistung“. Auch ist die Nachfrage in engen Märkten – wie etwa Wohnraum in Innenstädten – bisweilen so gross, dass bereits das blosse Ablehnen von Anfragen in Arbeit übergeht. 

Doch nur, dass es kompliziert ist, kann nicht genügen, um es nicht zu regeln. Wir haben über 70 Gesetzestexte in Deutschland; allein das deutsche Energiegesetz umfasst 3200 Seiten. Da sollte es die Mühe wert sein, auch so ein grosses, ekeliges, ungerechtes und parasitäres Thema zu regulieren.