Das sind keine schlechten Argument, die #OliverWeber hier vorträgt. Besonders gut gefällt mir, dass er Carolin Emcke würdigt: „[Die Rede war …] ein überzeugendes Plädoyer für Menschenrechte, Liberalismus und Diversität. Im Prinzip eine Bekräftigung des Grundgesetzes im Vokabular der Frankfurter Schule.
Was wäre ein Fundament?
Die Schwäche der … Liberalkonservativen?
Ehmckes Rede in der Kritik
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Die Verleihung und die Rede waren also insofern Ereignisse, unter die so gut wie jeder gute Demokrat seine Unterschrift setzen könnte.“ Aber ich finde es genauso richtig, dass Weber (mit Joachim Gauck) den Finger auf eine wunde Stelle legt: „Denkt man die Ausführungen Emckes zu Ende, gibt es schlussendlich keine „Deutschen“ mehr, die sich von anderen liberalen Demokratien unterscheiden könnten. Jede über-individuelle Übereinkunft unterhalb des Weltstaates wäre im Prinzip illegitim.“
Ich meine auch: das ist ein Problem, und zwar nicht, weil ich nationalstaatlich gesinnt wäre, sondern weil ich keinen belastbaren, gesellschaftsstiftenden Wertekanon erkennen kann, auf den sich ein solcher Weltstaat gründen liesse. Nicht mal theoretisch, um genau zu sein, denn was bei Berücksichtigung der globalen Diversität an Werten übrig bleibt, ist, wenn überhaupt irgendetwas, jedenfalls zu wenig für ein gesellschaftliches Fundament.
Ich selbst würde deshalb offen lassen, wessen oder besser welche Schwäche damit zu Tage tritt. Vielleicht die der Liberalen, bestimmt auch die der Konservativen (siehe #SaschaLobo) und von mir aus auch die der Liberal-Konservativen (deren programmatischer „Value add“ mir grad nicht ganz klar ist). Allerdings sind damit noch nicht alle am Tisch.
Was eigentlich überhaupt ist das Fundament einer Gesellschaft?
Meine Generation und die meiner älteren Geschwister hat sich darin erschöpft, alles (zu zerschlagen) zu dekonstruieren, was überhaupt über fundamentale Qualitäten verfügt. Das war einmal historisch richtig und notwendig, als Eltern und Grosseltern von „dem Muff aus tausend Jahren“ nicht recht ablassen wollten, und das ist tausend Mal gesagt. Und hundert Mal gesagt ist auch, dass inzwischen ein anderer Muff durch’s Land weht, der mit ersten Zeichen von Starrsinn durchsetzte Altersmief meiner Generation und der meiner älteren Geschwister. Der Aufbruch, die Revolution, der lange Marsch durch die Institutionen: es ist schlicht nicht zu leugnen, dass der Geist meiner Jugend in überkommenen Einsichten und ritualisierten (PC- oder Gutmensch)Gesten stecken geblieben ist.
Ein oder sogar das Problem ist, scheint mir, dass wir mit den ewig gestrigen Attacken eines Roland Tichy der notwendigen Neubestimmung keinen Schritt näher kommen; im Gegenteil. Wer versucht, dem link(sliberal)en Geist meiner Generation mit dem Geist oder den Parolen des kalten Krieges beizukommen, trägt dazu bei, dass sich der gesellschaftliche Diskurs über der falschen Alternative polarisiert. Links oder rechts, progressiv, konservativ, liberal, das alles sind politische Ortsbestimmungen aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert. Bei Lichte betrachtet können wir vielleicht mit dieser oder jener Kategorie auch aus der Vergangenheit weiter arbeiten, nur stammen die (insofern noch) brauchbaren Begriffe und Motive aus allen Lagern und müssen für eine tragfähige Zukunft neu sortiert und verzurrt werden.
Für diese poly-politische Notwendigkeit gibt es ein fundamentales, zunächst ökonomisches, aber gleich schon auch kulturelles Argument: Die Digitalisierung der Welt ändert die Grundlagen der Gesellschaft, jeder Gesellschaft. Das liegt ganz besonders daran, dass der Begriff der Arbeit (dem es in einer digitalen Welt an Austragungsformen mangelt) neu bestimmt werden muss (und damit die Frage der Verteilung), aber auch die Vorstellungen von Eigentum, Identität, Entfernung, Zeit … und eben auch Nation, Klasse, Geschlecht …
Das Aufkommen der populistischen Rechten reflektiert die (noch) im Aufkommen befindliche Krise der Digitalisierung – bewusstlos. Das „Drohpotential“ wird allenthalben gefühlt, der Komplexitätsgrad wird als (mutmasslich) unbeherrschbar erkannt. So entsteht die Sehnsucht nach den einfachen Parolen, nach Erösung von all dem komplizierten Übel.