wg.: Die Mehrheit

Sonntagsfragerei

Kandideldumdei

 

Ende Januar 2020, kurz vor dem Einbruch der Pandemie in die Wirklichkeit, fanden CDU/CSU bei 28,5% der Wähler’n’Wählerinnen Zustimmung; das blieb so bis Ende März.

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Nimm nur mal die Union:

Dann jedoch schossen die Umfragen in Monatsfrist fast 10% nach oben, im Juni gar bis auf 40%, und stabilisierten sich um die 37% bis Ende Februar 2021 (jedenfalls bei Allensbach, in Abweichungen ähnlich die übrigen Demoskopen). Dann, im März 2021, ein freier Fall um 10 Punkte nach unten (Grafik 1, in schwarz hervorgehoben der Zuwach). Schwankungen in der Zustimmung gab es natürlich auch bei den anderen Parteien, doch nirgendwo so stark, wie bei der Union. Mindestens sagt uns das, dass Aussagen zur kommenden Regierungsbildung in einem derart volatilen Umfeld wenig aussagen. Aha! –
Dann wäre es also zu früh, sich bereits jetzt mit der Bundestagswahl zu befassen?
Im Gegenteil! 

Und zwar aus zwei Gründen. 
Zunächst – der erste Grund – entscheidet sich in diesen Tagen, wen die derzeit in der Kanzlerfrage relevanten Parteien auf den Kandidatinnenschild heben. Dazu werden im Vorfeld sehr komplizierte taktische Überlegungen angestellt, auch persönliche Bekenntnisse sind zu beobachten; keine Rolle spielt: die Bürgerin draussen im Lande; tja. Nachdem die Union bereits Norbert Röttgen in die Kabine geschickt hatte, schickt sie sich nun an, dem Land den Luschet aufzunötigen!
Die öffentliche Meinung täte gut daran, die eigene Meinung rechtzeitig öffentlich zu machen.

Kandideldumdei

Wie etwa ein hinterhältiger Kommentator („Für mehr nach vorne“) auf ZEITonline; der fasste die Kandidatenfrage der Union so zusammen: „Laschet will die Kandidatur unbedingt und er wird die sich auch schnappen. Ich begrüße das, denn das erhöht die Chancen immens, dass die nächste Regierung ohne die Union gebildet wird.“ Glaube, Liebe, Hoffnung – Gerade hat Herr Laschet eine Rede geliefert, in der er seiner schwankenden Mass-und-Mitte-Fraktion einen Schluck Klosterfrau-Melissengeist verabreichte; denn um den Glauben an den Herrn stand es gar nicht so gut. In einzelnen Umfragen waren Union und Grüne nur noch eine Rundungsungenauigkeit voneinander entfernt, und eine Junior-Gottseibeiuns-Partnerschaft dräute. Dass Laschet, praktisch ein Durchwurschteler, den ein breit aufgespanntes Beziehungsgeflecht am umfallen hindert, der Aufgabe theoretisch nicht gewachsen ist, weiss die ganze Republik – minus der CDU. 

Mit Robert Habeck verhält es sich umgekehrt ähnlich: leider. Er ist, auch so eine doppelbödige Gemeinheit (zugegeben), der Aufgabe intellektuell überlegen – aber daher praktisch nicht gewachsen: mit freundlich-konsensualen Diskursansätzen wird man auf der Weltbühne der Interessen nicht bestehen. 

Als Begründung einer Empfehlung zur kommenden Wahl mag das jetzt ein wenig kurz geraten erscheinen. Das stimmt auch – da muss ich dran arbeiten! Bei einer Halbwertzeit von einer Woche könnte ich damit durchkommen.
Für den Moment will ich nur schon mal gesagt haben: 
Meine Wahl sind diese zwei!

Das dazu.

Der zweite Grund, andererseits, erscheint mir beinahe wichtiger. Was das Land braucht, ist eine Mehrheit!
Der Gedanke ist weniger simpel, als er klingt:

Seit Jahresbeginn beobachte ich den Verlauf der Sonntagsfrage, also die Entwicklung der Wahlpräferenzen. Die Grafik 2 (click!) zeigt – rechts – die Koalitionesmöglichkeiten im Zeitverlauf – in dunkeltürkis jeweils die Koalition, die die stärkste hinreichende Mehrheit erreicht sowie – in helltürkis – eine immer noch denkbare, aber unwahrscheinliche andere Koalition. Methodisch ist das Vorgehen – ich berechne den Mittelwert aller Erhebungen aus dem aktuellen Monat – wenigstens ebenso diskussionswürdig, wie eine Diskussion auf Basis der jeweils jüngsten Umfrage; egal: es ist noch eine ganze Weile hin und die Stimmungen sind ohnehin kurzlebig. 

In all seiner Vorläufigkeit deutet der Trend aber in Richtung der folgenden Diagnose: die SPD gewinnt keinen Blumentopf (den Medien ist das eh schon wurscht). Die Union ist dabei, ihre Blumentöpfe an der nächstbesten Betonwand zu verproben (verschiedene unsortierte Medien leisten allerlei vermischte Beihilfe). Herr Lindner schliesslich (alleinvertretungsberechtigt, wie es scheint, aber mit plötzlich wieder breiter medialer Unterstützung) versucht, mit staatsmännlicher Geste die Scherben unter den Teppich zu wischen, die er nach den letzten Wahl hinterlassen hatte. Die Linke und die AfD schliesslich wären die Worte nicht wert, die überdies auch noch erst mühsam zusammengesucht werden müssten. 

Vom Trend profitieren die Grünen.
Aber!

Zu den virulenten Gefahren dieses Wahljahres gehört die Weimarisierung des demokratischen Willens. Wenn die ehemals „grossen“ Parteien irgendwie um die 20% herumoszillierten, die Grünen in diesem erlauchten Kreis dann auch noch die Nase vorn hätten, führte das ziemlich alternativlos in eine Regierung der Schwäche! Schon eine 2-Parteien-Koalition ist eine kritische Konstellation, in der die Kompromisse stets ein wenig Fäulnis verströmen. Wenn aber zudem die Partner nahezu gleich stark sind, oder, schlimmer noch, obendrein einen dritten brauchen, kann das nicht gut gehen. Ohne eine satte und überzeugende Mehrheitsfraktion zerfleddert die politische Entscheidung, denn keine der aus der dann obwaltenden Kleinteiligkeit zusammengeklüngelte Entscheidung wird a) die Überzeugungskraft entfalten, um b) die Opferbereitschaft evozieren, die Veränderung braucht. 

Der aktuelle Stand Ende März, mag als bösartiges Beispiel dienen: ein Gruselkabinett aus Habeck-Laschet-Lindner – eine solche Jamaica-Kakophonie – wäre in meinen Augen die vermutlich schlechteste Konstellationen – und sogar mit dem Risiko behaftet, dass dieses Mal die Grünen den Lindner geben würden. Doch selbst wenn es gelänge, sich sich auf einer solchen Grundlage zusammenzuraufen, die anstehenden Entscheidungen stünden unter der andauernden Vetodrohung eines der Partner. Eine Regierung mit eingebautem Verfallsdatum. Das sollte das Land sich nicht leisten!

Noch ist es Zeit, an so etwas wie einer „Willensbildung“ zu arbeiten. Es gibt ja doch eine Reihe von Menschen, die sich als unabhängige Zulieferer der öffentlichen Meinung verstehen und das Ihre beizutragen versuchen, um eben dieser öffentlichen Meinung Richtung zu geben. Gerade in den sozialen Medien wünsche ich mir so etwas wie eine virale Welle zur Herstellung einer erfolgversprechenden Mehrheit! Mir ist dabei fast schon egal, welche. Ich will das Argument nochmal zuspitzen: Mir wäre es lieber, die Grünen erreichten 52%, als wenn sie die CDU um einen Punkt überholten; mooment. Die Pointe kommt erst jetzt: ODER UMGEKEHRT! Ich nehme das in Kauf: bloss nicht so einen Entscheidungsbrei. Was Deutschland jetzt braucht, ist eine starke Regierung und – eine starke Opposition. Union, Grüne und die SPD als Opposition – und allen anderen den Dank des Vaterlandes(/Mutterstaates*). Sie liefern keinen Beitrag! (Das ist jetzt eine Nuance zu pauschal, deswegen: Was die Linke betrifft: sie könnte – und sollte vielleicht auch – mit der SPD fusionieren. In Sachen der FDP habe ich einmal eine Chance gesehen, durch sie den technologischen Arm der Ökologie abzubilden; die hat sie vertan. Und was die AfD angeht, keine Ahnung. Man fragt ja gelegentlich: wozu die gut ist – beantworten könnte ich nur, wozu sie schlecht ist.)

Vorbedingung einer solchen "Mehrheits-Kampagne" jedoch ist ein Ende der analytischen Kritelei – für die sich, keine Frage!, immer wieder und ausgiebig Gelegenheiten und Begründungen finden liessen. Ich fordere Forderungen! Nicht länger klagen, was alles falsch und schief läuft, sondern mit dem verfügbaren Hirnschmalz formulieren: was es JETZT braucht. Auch das wird ein vielstimmiges Konzert, gewiss, aber es bereitet eine Wahlentscheidung vor, die, ungefähr, eine Konstellation bestärken wollte, die diese Forderungen ermöglicht: sozusagen bei dann zusammengekniffenen Pobacken.

 

 

* dieses Ge-Gendere bringt mich noch um den Verstand.