Zeitung für Deutschland

aus den RestRedaktionen der Republik

für?

 

Die FAZ für eine staatstragende Institution zu halten, das war einmal ... selbstverständlich. Bei mir entsteht immer öfter der Eindruck, dass in der oberen Etage des Hauses die Parole gilt, das Land sturmreif zu kommentieren. Unterstellt, das liest noch jemand. Vielleicht aber ist es eh schon wurscht, was in der Zeitung steht, weil es keiner mehr liesst, weil es keiner mehr ernst nimmt.

Ross und Reiter? Die SPD und Frau Nahles!

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Heute kühlt der Herr von Altenbockum, nomen est omen, sein Mütchen: „die lächerliche SPD“ titelt sein Kommentar. Man hätte halt den Mund nicht so voll nehmen sollen. Denn „dass Horst Seehofer kurz vor der Bayernwahl ...“ und dass Frau Merkel „dabei auf der Seite der Opposition ...“, oder dass „Maaßen sich den braunen Schuh anzieht“, das alles sei ja nun nicht zu erwarten gewesen. Ach so. Die SPD hätte halt den „Verfassungssschutzpräsidenten nicht ganz so hysterisch verfolgen sollen“. Verräterisch: „nicht ganz so“.

Das hat Methode:

Vor ein paar Tagen hörte ich einen FAZ-Korrespondenten oder -Reporter, der in einem PodCast zum Hambacher Forst befragt wurde: der ganze Protest sei ja unsinnig, weil der Wald, selbst wenn die Kommission sich für den Ausstieg aus der Braunkohle entschiede, nicht mehr zu halten sei; das würde ja schon aus Termingründen nicht klappen. Klar, oder? Dass man einen Bagger „abschaltet“, das ist ja eine undenkbare Alternative, logisch: dann ist auch Protest unsinnig. Genauso Altenbockum: Weil die Verursacher sich nicht „sowieso“ bewegen würden, solle halt die SPD die Klappe halten. Also: „Die Kritik an der in der Tat kuriosen Bestallung“ liesse sich womöglich begründen, aber wenn man halt nix machen kann, dann soll man auch nix machen. 

Ich halte Frau Nahles als Parteivorsitzende für eine schlechte Wahl, ich kann sie nicht leiden und habe noch nie eine ihrer Positionen geteilt. Aber ihr deswegen den Schwarzen Peter in die Schuhe zu schieben, das würde mir nicht einfallen. Umgekehrt wird doch ein Schuh draus: wie lange noch kann sich unser Land eine Russisch-Roulette-Hasardeur wie den Herrn Seehofer leisten? Was tut er „für unser Land“? Ich sehe nur, dass er in grandioser Fehlspekulation ob seiner Bayerwahl als Vater aller Probleme rücksichtslos Flurschäden erzeugt. Die Entscheidung Maaßen war eine loose-loose-Entscheidung: die Herr Maaßen verursacht und Herr Seehofer zu vertreten hat. Was hätte Frau Nahles denn „richtig“ machen können? Und wie wäre „dann“ die Kommentarlage?

Wenn ich von einer Zeitung wie der FAZ (ZEIT, Süddeutsche, .. na, viel mehr wollen mir grad nicht einfallen) irgendetwas erwarte, dann ist es die geistige Anstrengung, in den Schuhen des beteiligten Personals zu gehen und nach Lösungen zu suchen, statt die Grosse Koalition aus jeder denkbaren Perspektive kaputt zu kommentieren. Kommt da vielleicht der Verdacht auf, ich würde vor Veränderungen zurückschrecken?

Der Verdacht ist richtig.

Jetzt Neuwahlen, das erinnert mich derart gänsehäutig an Weimar, dass ich lieber den Arsch zusammenkneife. Neuwahlen: ein Jahr Stillstand. Und dann eine Regierung unter Beteiligung der AfD, das wäre der Todesstoss für ein wankendes Europa. Ich kann nicht nachvollziehen, wie man das billigend in Kauf nehmen könnte.

Allerdings führt der Verdacht in die falsche Richtung. Ich halte Veränderungen nicht nur für nötig, ich halte revolutionäre Umstürze für nötig: Klimawandel, Digitalisierung, Migration, Finanzsysteme – in allen Ecken brennt die Hütte. Aber solange es dafür kein Rezept und keine Perspektive gibt, wie und wer diesen Problemen gewachsen wäre, ist eine GroKo mit dem Handfeuerlöscher besser als alles, was die Wahlforschung sonst so hergibt (zumal Herr Lindner seine Chance vertan hat).