In meinem Blogbeitrag „Argumente-für-eine-zweite-Amtszeit” vom 20-08-2020 habe ich schon einmal über die segensreichen Wirkungen der Trump-Administration nachgedacht. Damals konnte ich mich nicht durchsetzen. Letztes Jahr habe ich wieder darüber nachgedacht („Was, wenn Trump gewinnt”, Blog vom 07-10-2024) und diesmal hatte ich den Zeitgeist auf meiner Seite … nur mein Kontinent pennt weiter. Jetzt aber, nach der „Rede” des J.D.Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz, sollte auch die letzte Schnarchnase aufgewacht sein. Deutschland wählt – wir sollten Europa wählen!
Die Wahl: Es ist die Stunde Europas
Wir wählen in Deutschland – aber
J.D. Vance für den Karlspreis 2026!
Klare Sicht – nach dem sich der Nebel gelichtet hat
Ich werde – Herrn Habeck wählen,
aber ich wähle nicht den Habeck, der sich mir in den Medien präsentiert. Ich wähle eine Idee von Habeck, eine Ahnung … man könnte von Illusionen reden, … und ich muss mir Rechenschaft darüber abgeben, ob ich meine Wahl vertreten kann. Warum eigentlich glaube ich, einen Habeck wählen zu können, den ich medial nicht belegen kann?
Zunächst: Er ist in Inhalt und Stil einer der fähigsten politischen Kommunikatoren des Landes, aber – er kann nur so gut sein, wie es seine Gegenüber zulassen. Es ist schwer, Herrn Habeck gegen die Medien und die Journaille zu verteidigen. Gegen den pseudokritischen, pseudojournalistischen verbalen Widerstand und das Dazwischenreden der Frau Schausten, Chefredakteurin ZDF (Was jetzt, Herr Habeck?) etwa, kommt (s)eine gute Rede erst gar nicht zustande – aber auch keine guten Antworten, sagen wir: kaum, folgt die „Einordnung” – und es wird nicht besser! Auch wenn es – in diesem Fall – an das Zusammenfassen geht, Herr Fuest und Herr von Lucke auf ZDF-life, ist deren ja–aber stets kleinkariert und von einer strategischen Auseinandersetzung Lichtjahre entfernt. Das zieht sich durch. Von der FAZ-Propaganda und deren Überschriften- und Bebilderungs-Kampagnen nicht zu reden. Von der Springer-Journaille zu schweigen.
Wenn Herr Habeck mit Frau Will spricht, hat er Gelegenheit, seine Argumente zu entwickeln, immerhin, und Frau Will redet auch nicht so profilneurotisch dazwischen. Aber überzeugt er mich?
Nicht dort; ehestens noch im Bundestag, in seiner Rede vom 11. Februar, erreichte Robert Habeck Ansätze dessen, was ich zu wählen glaube.
Was, wenn ich es so beginne, wäre denn eine zielführende Kritik?
Bei Frau Schausten antwortet Herr Habeck auf die ihm gestellten Fragen. Das ist … unüblich – und schadet ihm, sowohl vom Anfang wie vom Ende her betrachtet. Vom Anfang: weil JournalistInnen sich darauf einstellen und so mit ihren Fragen dasjenige Gespräch erzwingen können, das ihnen vorschwebt. Vom Ende: Seine Fähigkeiten wurden nicht gefordert, überzeugende Antworten blieben auf der Strecke, eine tatsächlich auf die Zukunft gerichtete politische Kommunikation unterbleibt.
Ich kann es nicht ausstehen, wenn Politiker Fragen nicht beantworten (die richtigen!). Das kommt aber nicht allzu oft vor, denn die richtigen Fragen werden ihnen nie gestellt, selten. Statt dessen vergeudet der Mainstream die ihm anvertraute Aufmerksamkeit mit dem immergleichen Unsinn. Und so kann ich Journalisten, die auf ihren falschen Fragen bestehen, noch weniger ausstehen – umso weniger übrigens, wenn sie dann auch noch mit einer Attitüde auftreten, als hätten sie ein Recht auf eben die Antworten, die sie hören wollen. Ich erinnere eine ZDF-Sendung mit Frau Schausten, Herrn Frey und Herrn Seehofer, in der die beiden Interviewer Herrn Seehofer in den zwanzig Gesprächsminuten 17 Mal gefragt haben, ob er und wann er denn nun zurücktrete. Natürlich können und sollen Journalisten etwas wissen wollen (zumal, wenn es Sinn macht). Was aber der/die Befragte antwortet, ist seine oder ihre Sache. In einer Frage wohnt keine Verpflichtung auf eine mit ihr insinuierte Antwort.
Zurück zu Habeck:
Er spricht kaum über Europa, kaum über strategische Linien. Man kommt ja mit dem Kommentieren kaum hinterher: im Bundestag wird er grundsätzlich: fragt nach der Zukunft. (Bezeichnend: hier kann er Thema und Gang der Argumentation selbst bestimmen – nur wer erfolgt Bundestagesdebatten??) Und für WAS – eigentlich – begeistert er mich? Sind es die Selbstverständlichkeiten, die staatstragende Vermittung(sic!) des Argumentes, das Bestehen auf einem Comment? Mit Recht beklagt er die Abwesenheit der Zukunft in der öffentlichen Rede! Doch seine Zukunft kommt über den kleinsten gemeinsamen Nenner nicht hinaus. Was die Republik und Europa so dringend brauchen und sogar herbeisehnen, sind radikale Horizonte, die allein glaubwürdig machen (könnten), es mit den Problemen der Zukunft auch tatsächlich aufnehmen zu können.
Ich verachte Donald Trump und seine gesamte Entourage; nur eins muss man ihm lassen: radikal ist er! Und es ist auch die nötige Radikalität – mit den falschen Mitteln, mit den falschen Zielen, darüber müssen wir nicht diskutieren. Er bereitet die USA auf eine neuen Faschismus vor (Marc Saxer hat – auf facebook – recht, wenn er darauf besteht, dass die – jeweilige – Zeit auch das Format des jeweils auftretenden Faschismus transformiert); wer die Augen offen trägt, kann aber die Nazi-Parallelen nicht übersehen. Sein Handeln wird als erratisch denunziert. Doch diese Kritik ignoriert die Folge: dass nämlich jeglicher Widerstand von der unberechenbaren Abfolge der Attacken paralysiert wird.
Ich weigere mich, der Radikalität als solcher anzulasten, was diejenigen anrichten, die mit ihr stiften gehen. Trumps Radikalität ist selfish, nepotistisch, betrügerisch und verlogen. Dass sie aber ohne Wirkung bliebe, das jedenfalls kann man ihr nicht vorhalten.
Ein politisches Feuilleton (Stefan Kühl im Deutschlandfunk) macht deutlich, wie auch dem (unterstellt) besten ministerialen Entwurf in der Abstimmung der Ministerien und Referate so viele Kompromisse aufgenötigt werden, dass am Ende nur breiige Wirkungslosigkeit übrig bleibt – wenn es gut geht! In den USA ist das nicht anders. Wer wirklich etwas ändern will, muss die in Interdependenzen verkrustete Struktur aufbrechen; die Diagnose gilt gleichermassen für die falschen wie für die richtigen Ziele! „Auch das Zu-Weit-Gehen hat sein Mass”, sang einst Wolf Biermann, „aber: Man muss immer einen Schritt zu weit gehen!” Und eben das ist die „Extra-Meile”, die Robert Habeck nicht geht.
Soviel zur Zukunft, der Habeck immerhin die wünschenswerte Aufmerksamkeit einräumt. Dann aber kommt die Gegenwart. Und was von der Zukunft glaube ich ihm, was kann ich ihm glauben? Ich meine zu wissen, dass er in die Richtung denkt, die ich richtig finde; aber seine politischen Entscheidungen zeigen das nicht. Mit seinen realen Entscheidungen hat er (dem Volk) gezeigt, dass man ihm das Staatswesen anvertrauen könnte, das ja (24% glauben das! Nur wenig mehr – 30% – glaube das von Friedrich Merz!). Nicht gezeigt hat er, dass man ihm die Zukunft anvertrauen sollte. Vielleicht, kann ja sein, dass auf seiner Agenda AUCH die richtigen Entscheidungen zuwarten; doch seine Kommunikation lässt vermuten, dass er eher das Land in der liberalen Mitte verwalten will, als es in eine neue Richtung zu führen.
Er spricht (im Bundestag) über Klima, Bildung und Integration (Sicherheit und Europa bekommen einen wohltemperierten Nebensatz). Habeck spricht zwar auch über Donald Trump (und Zölle, und dann auch über „eine europäische Reaktion”), doch genau das ist zu wenig, unambitioniert. Dann nämlich müsste er darüber sprechen, dass Deutschland in der NATO voran gehen sollte, und zwar in einer NATO OHNE die USA. Habeck diskreditiert Trump, als Person, was er aber nicht sagt ist, dass das Bündnis mit den USA ist nicht (mehr) im deutschen und mindestens ebenso wenig im europäischen Interesse ist. Das Argument geht, ja, bis tief in die Fundamente: die wirtschaftlichen Interessen ins Feld zu führen, auch wenn sie erhebliches Gewicht haben, genügt nicht. Dass Europa – umgekehrt – nicht mehr im US-amerikanischen Interesse ist, hat J.D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz deutlich gemacht – und wir müssen ihm für die Deutlichkeit, mit der er die transatlantische Partnerschaft aufgekündigt hat, dankbar sein: Diese Freunde und Partner haben „uns” schon vor langer, langer Zeit für ihre nur eigenen Interessen verraten.
Es ist eine Mär, dass Europa sich nicht schützen könnte: In Summe sind in Europa 1,6 Mio Mann – seltener Frauen, anderes Thema – unter Waffen. In Summe bringen die EU-Staaten Jahr für Jahr den zweit-höchsten Militärhaushalt der Welt auf. Nur um dann, Staat für Staat, ihre je eigenen Steckenpferde zu pflegen – sie einigen sich nicht. Das gehört auf die Agenda, wenn es um die Verteidigung geht. Und dann, wenn Europa – Deutschland und Frankreich vorneweg, vielleicht auch Polen und mit Glück sogar Grossbritannien – sich auf eine eigene Agenda verständigt, dann implodiert auch das Erpressungspotential der USA. Frankreich und Grossbritannien verfügen über fast 500 Atomsprengköpfe. Verglichen mit denen 5500 russischen beinahe vernachlässigbar, verglichen mit ihrem Abschreckungs- und Vernichtungspotential allemal genug.
In Deutschland – und in Europa – muss sich die Erkenntnis durchsetzen, und sie muss in der politischen Kommunikation ausgebaut werden, dass die Interessen der USA nicht die unseren sind, dass sich die USA in ihrem militärischen und ökonomischen Gebaren (schon immer, mindestens aber schon sehr lange) nur unwesentlich von China oder Russland unterscheiden. In Emmanuel Macron haben Europa und die Deutschen den richtigen Kopf (wenn nicht – mehr – in Paris, dann aber – künftig – in Brüssel), um eine europäische Agenda zu formulieren und durchzusetzen, … wenn Deutschland endlich aufhört, ihn mit seinen Initiativen am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen. Mit einem „europäischen Patriotismus”, vergleichbar dem, was uns die USA seit Jahrzehnten vorleben, liesse sich auch die rechtspopulistischen Umtriebe einfangen – denn: in dieser globalen Welle versammeln sich keine überzeugten Rechten oder Nazis (auch wenn sie dazu werden können, ich leugne eine insofern mögliche politische Dynamik keineswegs), es sind vor allem überzeugte Ungläubige: sie glauben den Erzählungen der letzten Jahrzehnte nicht mehr. Sie, die Menschen, haben Angst vor der Zukunft, weil sie den Rezepten der Komprokratie nicht glauben, weil sie verstanden haben, dass die Probleme grösser sind, als die Wirkmacht der herrschenden Vertagung. Diese vermeintlich rechte Welle in den Dienst der europäischen Idee umzuwidmen, eine „nationale europäische Perspektive” zu zeigen, sie mit MEGA-Egoismus zu impfen und zugleich ein (durchaus protektionistisches) ökologisches Wirtschaftswunder zu skizzieren, das, meine ich, ist der einzige Weg, an einem (neuen) Faschismus vorbeizuschrammen.
Nichts davon sagt Habeck.
Mein Rezept, ich räume das ein, könnte falsch sein. Habeck aber rührt lediglich im Süppchen der sozialen Marktwirtschaft und entwickelt kein anderes Rezept.
Und jetzt kommt die Drehung der Argumentation, die uns, dieses Land, zurück in die zukunftsorientierte Politik führt: diese zukünftige, europäische Entwicklung muss von „unten” kommen, aus der Öffentlichkeit. Sie muss jedoch von oben vor-formuliert werden, von der Intelligentia des Landes (insofern in Abgrenzung zur politischen Kaste!). Das ist es, was Volt fehlt: nämlich das Auffangbecken einer politischen Öffentlichkeit zu sein, zu werden, die Speerspitze einer virulenten Haltung. Wir, also diejenigen Menschen, die Öffentlichkeit „politisch” denken (andere lesen hier eh nicht), müssen, sollten uns in den Dienst dieses europäischen Denkens stellen.
Meine Freunde … sollten es tun.
„Rechts von der CSU darf es keine Partei geben!” Das war unter Franz Josef Strauss das bayerische Credo. Warum aber kann es links von den Grünen eine ökologische Partei geben? Habeck orientiert sich an der Mitte: Jeminee!
Dort gibt es keinen Fortschritt, hat es noch nie gegeben. Dort wird die Gegenwart verwaltet; dort findet sich nicht der Rückraum für eine radikale Politik! Habeck wird ein solches Rezept erst entwickeln und kommunizieren, WENN es von links einen wahrnehmbaren Resonanzraum gibt, wenn er sich davon einen Impuls verspricht, dem die Mitte gerne glauben möchte. Derzeit formuliert Habeck Politik nur als „freundlichen Realismus”. Und genau DESwegen motiviert er nicht (in der Breite). Wie könnte er überzeugender sein als Friedrich Merz: In dem er sich an genau der Mitte orientiert, die auch Merz adressiert?! Fridays For Future haben gezeigt, dass es diesen in die Gesellschaft ausstrahlenden Raum gibt, ebenso die Demonstrationen der letzten Woche. Nur geht kein vorwärtsgerichteter Impuls von diesem Raum aus, weil von vorn nur gegen die AfD gejammert wird, aber keiner hinsteht und sagt:
„I have a Dream” oder
„Yes, we can” oder
„Europe is our Future”.
p.s.: ich hab schon gesagt, warum ich Volt nicht wähle. Zwar sind mir die dort formulierten Impulse sympathischer, als das auf-Mitte-spielen der Grünen. Doch – abgesehen von dem Risiko, die eigene Wahlstimme der 5%-Hürde zu „opfern” – der Laden ist mir auch zu seicht, zu künstlich, ohne soziale Verankerung, zu sehr Ergebnis einer Wähler-Markt-Analyse (wie das BSW), irgendwie links-liberal-konservative Piraten, aber ohne Enterhaken, ohne Stachel, ohne F*ckU.