Eine Empfehlung

Jean Echenoz schreibt "Unsere Frau in Pjöngjang"

Dazu sag ich nix.

 

Da brrringst Du mich krass
in dem Teufel sei Küch nei.

Mit Deinen Fans sollst Du sorgsam umgehen!

So heisst es im Standard-Lehrbuch „Public Relation - aber richtig“ von @JürgenBraatz (Hamburg 1976: 96). Wie leicht hast Du Deine Leserschaft halbiert, wenn Du einen von ihnen vergraulst?!

Die Haare von Frau Brooks, die Kurven von Frau Mercier (so steht es im Text)

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Spike Lee hat es seinerzeit auf den Punkt gebracht:

Do the right thing!

Es war jetzt so gewesen, dass mich eine Buchempfehlung erreicht hatte - versehen mit der lächelnden Aufforderung, im Nachgang gern ein paar treffende Hinweise zu dieser Empfehlung in eine Rezension zu giessen. Sicherheitshalber hatte ich 10.628 Seiten vorgeschützt, die ich noch zu lesen hätte, bevor ich überhaupt daran denken könne, eine neue Lektüre ins Auge zu fassen. Das war schon mal schlau von mir, tatsächlich aber hab ich mir das Buch gleich abends aufs Kindle gezogen. Es ist doch so: Wenn Dir schon mal jemand, der Dir in Deiner bissigen Kritik eines aktuellen Bestsellers zustimmt, eine Empfehlung gibt, dann denkst Du doch: da geht was! Oder?

Klar. Mit Deiner breit aufgestellten emotionalen Intelligenz weisst Du, was zu tun ist: Der einfachste Weg wäre jetzt natürlich, mit ein paar blitzenden Wörtlein die Glanzstellen dieser Empfehlung zu markieren, paraphrasieren, im historischen Kontext zu verorten, wohltönende Vergleiche mit noblen Autoren in Beziehung zu setzen –  und schliesslich in ein paar allerfeinst verknispelten Formulierungen Dich der erwarteten, ja, der geradezu verlangten Aufgabe zu entledigen. 

Etwa so: «Jean Echenoz hat mit seinen Roman „Unsere Frau in Pjöngjang“ keinen klassischen Agententhriller, sondern eine ulkige Parodie auf den Spionageroman verfasst. Dabei zündet der Autor im Minutentakt kluge Pointen und bedient sich augenzwinkernd allen gängigen Klischees des Genres. Jean Echenoz spricht seine Leser auch ganz direkt an, stellt Fragen und kommentiert seine Bedenken. Das ist freilich große Kunst und literarisch tipptopp umgesetzt. Ein begnadeter Stilist ist Jean Echenoz ja ohnehin. Sein Roman „Unsere Frau in Pjöngjang“ macht gute Laune, die Lektüre lohnt.» So jedenfalls sagt es knapp und bündig „Mafölino“ auf Amazon, vergibt 5 Sterne und  – legt damit den Verdacht nahe, ein Auftragskommentator des Verlages zu sein. 

Dr. Stephan Teichmann sieht die Sache etwas kritischer: «Nette Lektüre vor ernstem Hintergrund, aber mehr auch nicht. Zu guter Letzt: die Wahl des deutschen Titels lässt mal wieder einiges zu wünschen übrig. Die Handlung spielt zum großen Teil in Paris und der Einsatz in der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang gleicht eher einer kurzen Episode, als dass er wirklich handlungsbestimmend wäre. Wer in dieser Hinsicht einen wirklich amüsanten Roman lesen wollte, sei auf Graham Greene's „Our Man in Havanna“ verwiesen, unschlagbarer – in diesem Fall britischer Humor. Auf Grund des Inhalts und des eher idiotischen Titels nicht mehr als 3 Sterne.»
Ich würde sagen: da kommen wir der Sache schon näher.

Beinahe noch ein Vorwort: Bei mir war es (schon wieder) ein Fall von

Koinzidenz

(Du glaubst es nicht!). Ich lese also zur Nacht in diesem kleinen Büchlein und langweile mich (komm ich drauf zurück), und just an dem Abend, an dem ich den Handlungsstrang „Pjöngjang“ anfange, habe ich diese zwei Nord-Korea-Dokus auf 3Sat gesehen (von Michael Höft die eine und von Alexis Breton die andere), und (Du glaubst es schon wieder nicht): es war so, als hätte Herr Echenoz seine Fakten genau hier abgeschrieben. Das ist, irgendwie, lächerlich, lustig und lästig. Du liest ein Buch, und was darin beschrieben wird, hast Du grad eben im Fernsehen gesehen, streckenweise „wörtlich“ in Bild und Ton(alität), wobei ich das aus der Erinnerung zitiere, also mit dem wörtlich wahrscheinlich daneben liege.

Aber egal. Zunächst hat der Herr Dr. Teichmann ja völlig Recht: der Titel ist ein Schwachsinn! Die Nord-Korea-Nummer fängt auf Seite 195 an und das Buch hat davon nur 285. Aber egal. Während der Lektüre hab ich mich immer wieder gefragt, wie man auf die Idee kommen könnte, das Buch einen Roman zu nennen? Mein Eindruck: es ist ein Treatment. An einer Stelle weit hinten ist der Autor geständig: «Ja, die Szene wäre nicht übel gewesen. Es sei denn, sie wird beim Schnitt rausgenommen. Oder, später, dass er «die Szene (eine andere) abbrechen müsse». Ein Treatment, belehrt uns die WebSite „Autor werden“, «… enthält die komplette Geschichte, jede Szene und jede Figur, die auch in Ihrem Drehbuch auftauchen soll. Im Grunde liest es sich so ähnlich wie die Roman-Adaption eines Drehbuchs, nur sind die Dialoge etwas spärlicher gesät und die Bilder stehen klar im Vordergrund.» Ja, so ähnlich war das, aber, wie soll ich sagen, schlechter. 

Da ist zum Beispiel die „Frau in Pjöngjang“, Constance heisst sie. Allzuviel erfahren wir über sie nicht; sie ist hübsch. Eine nicht ganz so dauerhaft erfolgreiche Helene Fischer, die einmal einen Welthit gelandet hatte. Obwohl es dem Autor allerliebst subtil gefällt, alles mit allem sehr schlau zu verknüpfen – eine gute Voraussetzung für ein Kammerspiel, das senkt die Kosten beim einzusetzenden Personal – wird Constance quasi mit dem ersten Satz einbestellt: «Ich will eine Frau, verkündet der General. Eine Frau brauche ich, so.» Diese Frau findet sich ein paar Seiten später vor dem Spiegel, «… nutzt […] die Gelegenheit für eine rasche Kontrolle: geschwind die Lippen nachgezogen. Burberry 308 seidenmatt, ein Blick auf den Nagellack, Chanel 599 PROVOCATION, sie verwuschelt sich ein wenig den Pony, pudert sich die Nase nach und tritt dann einen Schritt zurück: Vollansicht […] straff sitzende blaue Bluse, anthrazitgraue Skinny-Jeans, flache Schuhe, ein Haarschnitt à la Louise Brooks und Kurven wie Michèle Mercier  [… ] nicht sehr berufstätig und nicht sehr ausgebildet …»
Nachdem die Protagonistin dergestalt eingeführt wurde, ist es dann auch kein Wunder mehr, wenn der General auf Seite 206 mitteilt: «… dass Gang Un-ok [ein Parteisekretär] die Kleine vor weniger als 24 Stunden beschlafen hat …»

Ja! Was könnte man gutes an dem Buch finden? Ich weiss es nicht. Am Anfang ist die locker-flapsige Prosa ganz nett, aber erstens verbraucht sich der Effekt wie die Kurven …  des Opel Manta (phhhh, da hab ich aber grad so noch mal die Kurve gekriegt) und zweitens hält der Autor den Stil auch nicht durch. Immerhin, im Gegensatz zu machem anderen Werk wäre es in diesem Fall unangemessen, das Fehlen einer Handlung zu beklagen, es sind vielmehr die Charaktere und mehr noch deren Motive, ihr Innen- und Interaktionsleben, die oder das der Autor wie mit der Kehrschaufel mehr zwischen die Zeilen schmeisst als in sie hinein.

Aber von alldem wollte ich doch gar nicht sprechen, nicht schreiben! Ich bitte Dich, da müsste ich mich doch nicht wundern, wenn mir auch die wohlwollendste Leserschaft abhanden käme! Soweit kann es nicht gehen, mit der Wahrheitsliebe nicht und nicht mit der Meinungsvielfalt. Also, ich werde die Angelegenheit aussitzen, totschweigen, unter den Teppich kehren, am ausgestreckten Arm aushungern. Der vergisst das!

Ich darf nur nicht versehentlich auf diesen Button drücken ….