rinks und lechts velwechsr’ ich nicht

ver-mitte-lt

 

Stimmt diese Analyse? Vermutlich teilen sich die Meinungen in „Nö, Neee, Falsch, FakeNews, Achwas“ und ein paar wenige „Vielleicht, aber" s. Das Bestehende hat hohe Bindungskräfte. Gewiss scheint für den Augenblick nur, dass es dauert, bis diese Auffassung breitenwirksam wird; wahrscheinlicher sind Widerspruch und Ablehnung. Und selbst Wohlwollen könnte sich noch darin äussern, die vorgetragene Position zu vereinnahmen und rückwärts „einzupassen“.

EuGHfTFA is watching

Noch keine Bewertungen vorhanden

Teil Zwei: Hier und Jetzt – Also was?!

Das wäre fatal. Zu den Bedingungen der Möglichkeit des notwendigen Paradigmenwechsel, von dem jetzt die Rede sein muss, gehört es deshalb, wenigstens nach ein paar Hinweisen zu suchen, worin denn eine andere Sortierung der politischen Welt ihren Massstab fände.[qtip:(16)|Angesichts der Beschränkungen eines Essays müssen ein paar Verkürzungen, Grobheiten und Verallgemeinerungen in Kauf genommen werden, aber so etwas wie eine Richtung könnte und sollte schon erkennbar werden.] 

Es ist ein Gemeinplatz, dass alle Politik, von links bis rechts, für sich stets in Anspruch genommen hat, die Zukunft gestalten zu wollen; was sonst! Und so wird es selbst unter einem neuen Paradigma – beinahe – genau darum gehen. Bislang agierte Politik gemäss einer Herleitung, die aus (oder, wie zum Beweis: mit) der Vergangenheit in der Gegenwart eine Position formulierte, die in die Zukunft zielte; das musste auch so sein, denn die Welt, wie sie der Fall war, wollte, sollte, musste in die Zukunft mitgenommen werden. Politik der Vergangenheit bestand demnach in einer Extrapolation des Gegebenen aus dem Gewordenen. 

Das war eine Welt, in der die Gegenwart massive Trägheiten aufwies und sich nur widerstrebend bereit fand, sich in die Zukunft transformieren zu lassen. Das ist heute anders: Die Welt, wie sie ist, wartet nicht darauf, mitgenommen oder geschubst zu werden; sie befindet sich im Zustand des Voranstürmens, sozusagen mit Exponential-Stiefeln. Die Gegenwart verfügt über ein so gewaltiges Momentum, dass das Hereinbrechen der Zukunft schlechterdings unvermeidlich ist. Der erste, zentrale, wesentliche Paradigmenwechsel künftiger Politik wird deswegen darin bestehen, die Gegenwart – und die politischen Handlungsräume – als eine „Retropolation“ aus der Zukunft zu beschreiben. Lies den Satz nochmal, der ist wichtig.

OK, was heisst Retropolation? The Future's Not Ours to See? Well – vielleicht nicht alles, sicher aber vieles. Ein Ball, der mit genügend Wumms in die richtige freie Flugbahn geschossen wird, landet im Tor; soviel ist sicher, auch wenn dieser Ball sich eben erst vom Fuss gelöst hat. Kann sein, Manuel Neuer kommt noch dran, ... unwahrscheinlich. So ein Vektor ist keine Seltenheit: viele Sachverhalte verbinden eine eindeutige Richtung mit einem hinreichenden energetischen Eintrag, so dass sie HÖCHSTwahrscheinlich in einen erkennbaren Zustand einmünden. Wir denken so nicht: The Future's Not Ours to See. Warten wir erstmal ab. Erstens kommt es anders, ... Und so versäumen wir es, in der Gegenwart die Stellhebel zu bewegen, die der absehbaren Zukunft den gewünschten Spin geben. Eine Retropolation antizipiert die Zukunft und bewertet und richtet die Gegenwart aus dieser "Erkenntnis". 

Für den Paradigmenwechsel spricht zuvörderst die wachsende Dramatik des ökonomischen Umbaus[qtip:(17)|Paul Mason spricht bei der Gelegenheit flapsig davon, dass es Zeit ist, in Panik auszubrechen, weil, wie er nachweist, Grundannahmen der Fortschreibung des Bestehenden, beispielsweise der Generationenvertrag aber auch die Grundversorgung u.v.m an der demografischen und ökonomischen Entwicklung implodieren]. Beispiel: Dass das Ende der Erwerbsarbeit eine absehbare Folge der fortschreitenden Digitalisierung aller produktiven und administrativen Prozesse ist, wird inzwischen von zahlreichen Gewährsträgern thematisiert; ich muss das nicht länger gegen Granit-artige Widerstände vortragen, sondern kann es zitieren[qtip:(18)| so etwa von Elon Musk, Bill Gates, Paul Krugman, Richard Sennet, Harald Welzer, Richard David Precht und vielen anderen].

Wenn das stimmt, dann stehen auch die Grundfesten der ökonomischen Verfassung der Welt (… nu, kleiner geht’s eben nicht, …) zur Disposition. Das drängende Argument heute ist, dass sich das daraus resultierende (dito höchstwahrscheinliche) Leid und Chaos nur vermeiden oder wenigstens minimieren lässt, wenn die gesellschaftlichen Administratoren nicht länger versuchen, die Zukunft mit den Mitteln der Vergangenheit handzahm zu reden. 

Und zwar wie dann?

Betrachten wir den Status Quo am Beispiel der sich abzeichnenden Verluste durch die zunehmende Digitalisierung, so bescheiden sich Parteien und Persönlichkeiten auf der Linken heute damit (nachdem sie das Bundesarchiv umfänglich zu Fehlern und Versäumnissen des politischen Gegners befragt gehabt hätten), Verständnis für Notlagen zu zeigen und soziale Gerechtigkeit einzufordern.
Was ist daran falsch?

Nun, man könnte schon mal damit anfangen, dass auf diese Weise die eigentlichen Ursachen nicht mal benannt, sortiert, geschweige denn verstanden, noch irgendwelche Massnahmen strategisch ausformuliert oder geprüft und schon gar nicht mit zum Zwecke eines dauerhaften Ganzen (welches??) ins Werk gesetzt wären; halbherziges Herumdoktorn an den Symptomen. Schlimmer noch, würde man sich schon bei Mutmassungen über die Ursachen vom Hölz'gen bis auf’s Stöcks'gen zerstreiten. Läuft es schlecht, steht am Ende ein Untersuchungsausschuss, läuft es gut bis sehr gut, dann kommen ein paar Gesetzesvorschläge heraus, die ihren Weg durch den parlamentarischen Betrieb antreten und nach eins, zwei Jahren, läuft es schlecht, erst in der nächsten Legislatiurperiode, mit einer 75% Wahrscheinlichkeit wenig bis nichts von dem adressieren, dessentwegen sie auf den Weg gebracht wurden und mit einer 45% Wahrscheinlichkeit sogar das Gegenteil des ursprünglich Intendierten bewirken.[qtip:(19)|Anekdote am Rande: Ein Freund, seinerzeit Mitarbeiter der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit GTZ, berichtete vor (sehr) vielen Jahren, dass die GTZ zwischen Laos und Kambodscha eine Brücke über den Mekong zu bauen plane. Aber da sei doch immer noch Krieg, hatte ich ihm entgegengehalten. Genau, war seine Antwort; er habe gelernt, die Mittel der Entwicklungshilfe genau dort einzusetzen, wo sie sozusagen definitionsgemäss nichts nutzen – und so auch keinen Schaden anrichten könnten.] 

Parteien und Persönlichkeiten auf der Rechten würden es sich angesichts der gleichen Umstände natürlich nicht nehmen lassen, ihrerseits die Fehler und Versäumnisse und, deswegen, auch noch die Verlogenheit des politischen Gegners zu beklagen, um sodann jede Krise zu leugnen, die Sozialleistungen zu kürzen, so die Kräfte des Marktes zu beschwören, schliesslich für die Zukunft dem Tüchtigen freie Bahn einzufordern und – als erstes mal Ordung in ihre Auslandskonten zu bringen. Derweil die christdemokartischen Mitte schliesslich ein bischen von allem tun und ein bischen von allem lassen und ansonsten die Ressorts sich munter beklopfen lassen würde. Soweit kennen wir das. 
Ernsthaft: wieviel Prozent Polemik stecken tatsächlich in dieser Beschreibung? 

(A) Reality bites: das Ende der Arbeit

Der geforderte Paradgimenwechsel hin zu einer Zukunfts-orientierten Politik wird sich zunächst einmal dadurch auszeichnen, rituelle Veitstänze und Scheingefechte abzustellen[qtip:(20)|nicht ganz einfach, da geistig weniger agile Zeitgenossen darin immer wieder eine auch für sie erreichbare Keule im Kampf um die eigene Positionierung sehen] . Um dann z.B. damit zu beginnen, das Offensichtliche anzuerkennen und – in diesem Fall – das tendentielle Ende der Erwerbsarbeit zu konstatieren. Punkt. Aus. Tatsache. Um die daraus dann resultierenden logischen Fragen zu formulieren und strukturell zu beantworten. Einige symptomatisch-oberflächliche Antworten werden derzeit „vorgefühlt“: etwa das Bedingungslose Grundeinkommen (BGE) oder die von Bill Gates vorgeschlagene Robotersteuer; mag sein, dass diese Partikular-Massnahmen sogar zu irgendwie brauchbaren Puzzlesteinen werden, strukturelle Fragen beantworten sie nicht:

  • Was schöpft noch einen Gewinn, wenn nicht Arbeit? Und:
  • Wenn nicht mehr Arbeit das Leben legitimiert, was dann?
  • Wer „darf“ arbeiten, und warum?
  • Zu schweigen von den Fragen der Verteilung!
  • Und wie leben all jene, die nicht arbeiten?
  • Z.B.: dürfen Erwerbslose Kinder zeugen? –

nur, um ein paar dieser grundsätzlichen Fragen anzudeuten. Die bloss praktischen, pragmatischen, die sich mit der Krankenversorgung, der Wasserwirtschaft, dem Klima oder ähnlichen Kleinigkeiten beschäftigen, mal aussen vor.

Ein ernsthafter Versuch, politische Willensbildung an den Notwendigkeiten zu bemessen, die bereits heute „unabweisbar“ erkennbar sind, führt zu tiefgreifenden Änderungen in allen Fragen der Umsetzung. Ein Prozess wie die Welt-Klimakonferenz, der seit Jahrzehnten eine ungeheuerliche, globale Reisetätigkeiten legitimiert, ohne sich auch nur in Ansätzen an den verhandelten Problembestand heranzurobben, zeigt die ganze Absurdität der extrapolativen Politik (und seine unappetitlichen Parallelen zum Völkerbund der 1930er Jahre). … Selbst WENN es auf diesem Weg zu rudimentären Einigungen käme, die allerdings auch noch die überwiegend westlich induzierten Entwicklungsnöte der Welt-Mehrheitsbevölkerung einpreisen müssten, wäre damit noch kein Millimeter Raum hin zur Umsetzung der Vereinbarungen gewonnen. Nicht davon gesprochen, dass ein Mr. Trump das mühsam Erreichte mit einem Federstrich kassiert.

(B) The Digital Europe Project – Modell eines Systemwechsels

Wenngleich eine sehr grosse, so ist die Frage der Erwerbsarbeit, wie bereits angedeutet, nur eine grosse Frage unter anderen grossen Fragen, die letztlich allesamt auf die Ressourcenausstattung, Trag- UND Organisationsfähigkeit des Planeten zielen und eine ganze Reihe von praktischen Systemfragen bereithalten. Nicht zuletzt die Frage, wie eine Gesellschaft, oder gar die Welt (demokratisch?) gesteuert werden soll oder kann, wenn auf Grund der zunehmenden technologischen Komplexität nur noch verschwindend wenige Spezialisten die Grundlangen von Entscheidungen überhaupt bewerten können. Schon lange stehen die Zeichen an der Wand, dass die gesellschaftlichen Verfassungen, wie sie bestehen (und sich auch noch munter bekriegen), diesen Fragen nicht gewachsen sind. Deutlich ist auch, dass es keine oder jedenfalls nur sehr wenige theoretische Anstrengungen zu geben scheint, diese Fragen (auf der notwendigen Skala!) zu bearbeiten[qtip:(21)|Im Gegenteil sorgt die Dritt-Mittel-Doktrin dafür, dass diese entscheidenden Fragen gar nicht erst auf die Agenda kommen]. In einer Diskussion mit Mark Saxer habe ich an anderer Stelle[qtip:(22)|http://timelabs.de/autor/tldr – The Digital Europe Project] von der Notwendigkeit gesprochen, die hier aufgeworfenen Fragestellungen in einer (dem Manhattan-Projekt vergleichbaren) grossen Anstrengung zu thematisieren – und halte das weiterhin für einen notwendigen Schritt in Richtung des intendierten Paradigmenwechsels. Bei der Gelegenheit schrieb ich:

„Ein solches Projekt hätte den Auftrag, die Grundlinien einer technologischen, ökonomischen, ökologischen gesellschaftlichen Verfassung und Organisation zu erarbeiten, deren feasibility nachzuweisen und einen Pfad für den Übergang zu formulieren. Es gibt dafür Ansätze: alle zu klein gedacht. Es gibt auch genügend smarte Köpfe: In Parteien, Unternehmen, Institutionen, Universitäten – verstreut, unkoordiniert, diszipliniert. Es gibt genügend Mittel: wenn das Human-Brain-Project mit einer Milliarde finanziert werden kann, dann sollte das auch einem Projekt gelingen, dass den Untergang Europas verhindert. Und es gibt sogar adaptierbare Strukturen, mit denen sich eine solche Initiative managen liesse.“

Ich möchte diesen ersten Vorschlag um einen, wie mir scheint, gewichtigen Punkt ergänzen. Beinahe mehr noch als in der Ökonomie gilt für die Natural- und mehr noch in den Applied Sciences eine Art Marktorientierung, bestimmt durch die Finanzierungsanforderungen im Allgemeinen und durch den joint approach mit interessierten Unternehmen im Besonderen. Die damit intendierte "Erdung" der Wissenschaften auf eine pragmatische Perspektive ihrer Arbeiten (Stichwort: Elfenbeinturm) hat, so richtig der Impuls ursprünglich auch gewesen sein mag, inzwischen ein Ausmass erreicht, bei dem, ausgenommen ein paar Exoten-Wissenschaften, von einer unabhängigen Forschung nicht mehr die Rede sein kann. Dass und welche gemeinschädlichen Auswirkungen das hat, ist in vielen Forschungsfeldern, etwa in der Saatgut-Forschung, der Biogenetik oder in der Pharmakologie, um nur ein paar plakative, Interesse-gesteuerte Bereiche zu nennen, überdeutlich.

Damit sind jedoch lediglich billigend in Kauf genommene Systemschwächen angesprochen, also solche, bei denen aus den Wissenschaften heraus nur solche Vorhaben betrieben werden, die auf ökonomische Nützlichkeit zielen, während andere, weniger lukrative Forschungen[qtip:(23)|beispielhaft solche, die auf Krankheiten in Entwicklungsländern zielen, bei denen zu erwarten ist, dass der Forschungseinsatz nicht durch Pharma-Verkäufe refinanziert werden kann] vernachlässigt werden. Unbedacht bleiben damit aber solche Schwächen, Fehler oder gar Katastrophen, die aus mangelhafter Technikfolgenabschätzung herrühren. Gerade der Erfolgsdruck, der von der „forschungsfernen“ Incentivierung ausgeht, birgt unabschätzbare Gefahren[qtip:(24)|so zum Beispiel gab es Diskussionen darüber, ob die Ergebnisse der Forschungen des LHC am CERN möglicherweise die Ausbildung eines „Schwarzen Loches“ befördern könnten; oder es stand in Frage, ob aus den Forschungen der Nanotechnologie etwa „sich viral verbreitende“ Gefahrenstoffe entstehen könnten. Dass beides bislang nicht eingetreten ist, beweist ja … nichts]. 

Etwa könnten solche Gefahren mit der Entstehung lebens- und vielleicht sogar reproduktionsfähiger künstlicher Intelligenzen aufkommen, wie sie nach der „Singularität“ denkbar erscheinen. Grundsätzlich wird die Frage nach der Wünschbarkeit von Ergebnissen technologischer Entwicklungen immer dringlicher, je mehr sich Forschungsergebnisse, wie auf einer Exponentialkurve, mehr und mehr beschleunigen und verselbständigen.

(C) der EuGhfTfa
Derzeit gibt es keine legislative und/oder exekutive Instanz, keine Regierung, kein Forschungsrat, keine Polizei und keinen Geheimdienst, die solche Entwicklungen steuern oder verhindern – und im Zweifel auch nicht eindämmen könnten. Ich rege also an, einen Europäischen Gerichtshof für Technikfolgenabschätzung zu installieren und (etwa mit Gerichts-eigenen Beraterstäben oder Forschern/Thinktanks, aber auch mit angemessenen Sanktionsmöglichkeiten) so auszustatten, dass dieser Gerichtshof aus eigener Kompetenz und mit eigenem Mandat Gefahren für die Menschheit zu identifizieren und zu bekämpfen in der Lage ist.

Neben den Bereichen Folgeabschätzung und damit der Zweckbindung von Technologien, induziert technologische Entwicklung zugleich auch ein wachsenden Bereich rechtlicher Leerstellen, der mit der Privatisierung und Patentierung von „naturgegebenen“ Grundlagen nicht beginnt und mit der denkbaren Unendlichkeit menschlicher Existenz nicht endet.[qtip:(25)|Angefangen mit den Wasseraufkäufen von Nestlé bis zur die Genpatentierung von Monsanto … Das Eigentum hat im Wirkungsbereich der Digitalisierung eine eher prekäre Rolle und ist streckenweise/möglicherweise obsolet … Die Grenzauslastung des Planeten hebelt eine Reihe von existentiellen Grundrechten aus … Zugleich stellt sich die Frage, welche globalen Verantwortlichkeiten für lokale Katastrophen dingfest gemacht werden können …]

Die Globlisierung von Kommunikation, Technologie und Waren- & Ressourcenfluss haben die rechtlichen Rückbindungen der globalen Player aufgelöst - während sie zugleich ihre Fremdlasten aus der Region auf den Globus umverteilt haben. Man kann diese Tatsachen als „Kontrollverlust“ beklagen und sodann ignorieren, oder eine der Zukunft angemessene Regulierung dieser schwarzen Energien anstreben.

Stichwort Produktion – dabei geht es nicht allein um rechtliche Regulierung: Was oder ob irgendetwas produziert wird, ragt als Regelungsanforderungen auch in der Bereich des Paradigmatischen. Paul Mason weist zum Beispiel zu Recht darauf hin, dass etwa die Ölreservern des Planeten überwiegend ihren Charakter als „Ressourcen“ verloren haben und in das Lager der „Gefahrenstoffe“ gewechselt sind; wenn, sagt Mason, diese Reserven verbrannt werden, ist eine zusätzliche dramatische Klimaerwärmung und nachfolgend die weitgehende bis überwiegende Vernichtung der Lebensgrundlagen des Planeten vermutlich unvermeidbar. Im gleichen Kammerton stellen sich zahlreiche Fragen an die „globale Konsumtion“, sei es, dass es um den blanken Abverbrauch geht, sei es, dass es um die Kontamination von Erde-Wasser-Luft geht, sei es, dass es um die Ernährung geht. 

Es fällt schwer, zu glauben, dass „der Mensch“ freiwillig auf „gewünschte“ oder „attraktive“ Ausstattungsmerkmale seiner Lebenswelt verzichtet – und das ist durchaus pro domo gesprochen[qtip:(26)|Es hat sich in meinem Umfeld eine Art Ablasshandel durchgesetzt, in dem vorbildliche Einzelmassnahmen – Verzicht auf Fleisch, Carsharing oder Fair-Trade-Einkäufe – symbolisch gesellschaftliche Verantwortung übernehmen und Legitimation stiften (sollen). Ich halte davon wenig; zunächst mit Blick auf den Wirkungsgrad – „WENN es alle machen würden“ ist ein Lotto-Argument, weil es nicht alle machen; wenn es dagegen Ergebnis einer Regelsetzung wäre, würden es alle machen müssen – und keiner käme sich vor wie der calvinistische Trottel vom Dienst.
Im Übrigen kritisiere ich auch den Trend, dass die genannten symbolischen Handlungen immer gerade soviel an gesellschaftlicher Verantwortung übernehmen, wie es die allgemeinen Lebensumstände „sowieso“ gerade erfordern; ein Beispiel: erst wer einmal freiwillig „auf dem Land“ mit Carsharing zu leben versuchte, würde aus dem Schatten dieses „sowieso“ heraustreten – und im Gegenzug nun wenigstens ein Drittel seiner verfügbaren Zeit auf die Lebensorganisation verwenden müssen.
An regulatorischen Massnahmen herrscht ja kein Mangel! Wir können also auch nicht damit argumentieren, dass bestimmte „Verzichte“ oder „Verbote“ nicht durchsetzbar seien, und deswegen in privater Verantwortung geleistet werden müssten; Blödsinn! Bis zum Krümmungsgrad einer Gemüsegurke ist alles geregelt – mit Ausnahme der wirklich wichtigen Dinge]. Ebenso schwer fällt es, daran zu glauben, sozusagen unterhalb der Katastrophe breitflächige Verbotsszenarien in westlichen Gesellschaften durchsetzen zu können, – und beinahe unmöglich erscheint diese Vorstellung in Schwellen- und Entwicklungsländern.
Das globale gesellschaftliche Dilemma ist damit offenbar.  

(D) Virtuality relieves

Ich bin nicht der Einzige, der auf Abhilfe sinnt; was es bislang aber an Vorschlägen gibt, ist – fast möchte man sagen: „logisch“ – entweder Science Fiction oder es ist Spiel und Spass. Nicht von ungefähr zeugen die wachsende Bedeutung der Spieltheorie und der Trend zur Gamification von einem markanten Shift: Dass Spass und Ernst[qtip:(27)|Beispiel: „Lego Serious Play“] sich immer weniger eindeutig voneinander unterscheiden lassen, ist nur die andere Seite des (sagen wir: „Klassen-spezifischen“) parallelen globalen Trends, dass Beruf und Freizeit sich mehr und mehr vermengen – oder noch anders, technologisch gesprochen: dass Realität und Simulation auf dem Weg sind, sich als Paralleluniversen zu verfestigen.

Der entscheidende Hinweis hier liegt in den Möglichkeiten der Virtualisierung. Das klingt, vielleicht, auf den ersten Blick unernst und augenzwinkernd, nimmt gleichwohl konsekutive Logik für sich in Anspruch und führt fort, was unbenannt, gleichsam kollektiv vorbewusst, weit verbreitet ist. Wer einen Traum erinnert, erinnert dessen „Realität“, und auch die Philosophie hat die „Realitätsfrage“ oft und länglich ausgeforscht – heute findet der Wechsel in eine „andere Realität“, in ein anderes Leben täglich statt: im Kino, in der Filterbubble oder in den Gaming-Welten. Der Ansatz läuft darauf hinaus, dass „das virtuelle Leben“, sagen wir: tendentiell, sich vom wirklichen Leben nicht, sagen wir: kaum unterscheidet. Auf der Ebene des Paradigmenwechsels geht es darum, zu diskutieren ob (und zu planen wie), Anreize zu denken wären und zu schaffen, um nennenswerte Anteile des materiellen Konsums in die Virtualität „umzusteuern“. Diese Idee jetzt weiter auszugestalten wäre sicherlich unterhaltsam; doch geht es mir um das Zielbild. In eine Frage gebettet: was müssen wir tun, um die virtuelle der realen Realität gleichzusetzen, wenn nicht gar jene gegenüber dieser zu präferieren.

Natürlich erzwingt so ein Vorschlag einen Blick auf die Downside, sei es die obligatorische Sucht-Vermutung, der „Realitätsverlust“, die „Isolation“ oder ähnliche (sogar auch noch unbekannte) Negativaspekte[qtip:(28)|wie sie bereits im 18.Jahrhundert englischen Romanleserinnen vorgehalten wurden, oder, weniger weit weg, den TV-„süchtigen“ Babyboomern und nowadays den Internet-Addicts …]; und ich räume derlei Gefährdungen ein. Nicht abzuweisen, erstens, ist das Argument, dass jedes Online-Erlebnis „nur“ Energie verbraucht[qtip:(29)|ja,ja und die Rechner, die VR-Hardware … schon klar; sagen wir: „überwiegend“], während jedes (!) lebensweltliche Ereignis einen ungleich grösseren „Fussabdruck“ hinterlässt. Der, zweitens, eigentliche Knackpunkt des Anganges aber liegt in der Vermutung, dass uns gar nichts anderes übrig bleibt. Der globale Konsumtionsvektor ist, wie er ist, „genozidär“.

(E) Eine Frage des Geldes

Es versteht sich von selbst, dass zu den Denkanstössen, aus denen sich der hier skizzierte Paradigmenwechsel speist, auch eine grundsätzliche Neuausrichtung der Finanzwirtschaft gehört.[qtip:(30)|Und, nur nebenbei gesprochen, sollte sich der EuGhfTFA auch mit den Auswirkungen gemeingefährlicher Derivate auseinandersetzen …] Ich verstehe von diesem Thema zu wenig, um konkreter zu werden, halte es aber selbst mit meinem Erbsenverstand für unabweisbar, dass die inzwischen unsteuerbare Eigendynamik der Kapitalströme keinem gesellschaftlich wünschbaren oder auch nur vertretbaren Interesse mehr dient. Die damit implizit geforderte nachhaltige Regulierung findet sich aber als solche, wiewohl sie an irgendeinem derzeit nicht bekannten Wert bemessen werden müsste, eher auf der Massnahmenseite.

Es sind die darüber hinaus gehenden Fragen nach der Existenz und Funktion des Kapitals in der Digitalisierung, die einer grundlegenden Klärung bedürfen. Hier spielen die oben angesprochenen Probleme der Erwerbsarbeit hinein, aber auch Fragen der Funktion des Kredites (Geldschöpfung), des Eigentums (des Copyrights - in seiner „finalen Ausprägung“), der Verteilung von Wohlstand und Mangel. Wenn, ich räume aber sogleich ein, dass ich das nicht durchdenken kann, wenn also zunehmend bis überwiegend Maschinen herstellen und administrieren, was die Lebenssicherung erfordert, dann fragt es, das System, sich möglicherweise, ob es überhaupt noch ein Geld braucht? Dass wir bereits mehrheitlich auf Basis von „Verrechnungskonten“ leben, also eher mit „digitalen Werten“ als auf der Basis von Münzen und Papier, ist dabei ein sekundärer Aspekt; primär ist die Frage wodurch tendentiell und strukturell überhaupt noch Geld „geschöpft“ und wofür es „gebraucht“ werden kann.