Das Project 2025 ist eine Blaupause

PROJECT FUTURE

Eine Grand Strategy muss her

 

Alle fünf Minuten ist die Welt eine andere! Wie soll man da etwas schreiben, das für die nächste Stunde gilt? Trump ante portas! Nach dem Attentat und dem Parteitag der Republikaner war die Lage eindeutig. Eben noch drohte ein neuer Faschismus den USA und auch der Welt drum herum, sechs Wochen später erscheint der alte Mann implodiert und als lächerliche Witzfigur: weird. Und ich war fast fertig.

Denkt nach, Ihr Kappen!

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Doch dann, in einer Mischung aus Woodstock und Krönungsmesse (Precht) tritt Kamala Harris in die Schuhe Barack Obamas. Das liberale Amerika traut seinen Augen und Ohren kaum. Nicht Wenige suchen nach dem Haar in der Suppe. 
Richtig ist: wenn die Stimmung in sechs Wochen einen regelrechten U-Turn hinlegt, kann sie bis zur WAHL noch dreimal kippen: Wer will schon sagen, was dabei herauskommt.

Vielleicht – also – muss ich den Text noch einmal umkrempeln; und doch besteht weiterhin Anlass, meinen ursprünglichen Gedanken zu verfolgen: Kamala Harris würde, sollte sie gewählt werden und kein Bürgerkrieg aufflammt, den drohenden Faschismus vorerst abwenden; ein grundlegender Wandel der US-Gesellschaft wäre nicht zu erwarten – und die fundamentalen Probleme dort und in der ganzen Welt würden andauern. Vermutlich.

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Vorwärts, es geht zurück!

Mein ursprünglicher Gedanke passt nicht in nur einen Satz, beginnt aber mit dem mich selbst überraschenden Eingeständnis: je länger ich mich mit dem Project 2025 beschäftige, desto mehr beeindruckt es mich. Keine Frage: Ich tue mich schwer, etwas auch nur entfernt oder „unter Umständen” gut zu finden, dass die vereinigte Rechte Amerikas ausgeheckt hat, um Donald Trump zum Präsidenten zu befördern und das Land (mindestens) einem drastischen Rechtsruck zu unterziehen; denn das ist das Ziel des P25.

Right or wrong – man sollte wissen, worum es geht, bevor man zu den Bewertungen vordringt. Deswegen zunächst die Eckdaten: Was ist das P25 und wer steckt dahinter?

Da wäre, wie man so sagt: federführend, erst einmal die Heritage Foundation, ein „unabhängiger” Think Tank der US-amerikanischen Konservativen. Gegründet 1973, versteht sich diese Stiftung seit den 1980er Jahren als Vordenker konservativer US-Politik, ja, sogar als Massschneider umsetzbarer Regierungspläne und eine Art Dienstleister für die Beschaffung konservativen Personals. Schon öfter hat die Stiftung ganze Regierungsprogramme vorgedacht, besonders erfolgreich für Ronald Reagan. Sie füllt damit eine Lücke in der US-Politik, denn so etwas wie ausformulierte Regierungsprogramme gibt es nicht: Kandidaten m/w/d machen eine Reihe von Wahlversprechen, gewählte Präsidenten halten eine Inaugurationsrede, periodisch wendet sich ein „sitting president” mit einer „State-of-the-Union”-Rede an das amerikanische Volk; gelegentlich gibt es Ansprachen zu ausserordentlichen Vorgängen.

Das „Project 2025: Mandate for Leadership – The Conservative Promise” wurde 2022 geplant, ein Jahr später präsentiert. Man erwartet eine auf Hochglanz gedruckte Sammlung von Textbausteinen irgendeiner Lobbyvereinigung – aber so ist es nicht; immerhin flossen 22 Mio $ in das Projekt. Es ist einen umfassender Plan für die Regierungsübernahme durch den nächsten konservativen Präsidenten, (2023 war das vermutlich) Donald J. Trump.

Vier Pfeiler bilden das Fundament:

  • das „Mandate for Leadership” ist ein Buch von fast 1.000 Seiten, das in 30 Abschnitten alle  Themen der Regierungsarbeit bis in die einzelnen Ministerien abbildet (siehe Inhaltsverzeichnis). Jeder Abschnitt behandelt sein Thema in einem Kondensat von durchschnittlich 30 Seiten (mindestens 14 und maximal 54). Die Abschnitte setzen auf einer detaillierten (wenn auch politisch gefärbten) Analyse des Ist-Zustandes auf und adressieren und formulieren jeweils explizit – und bis hinunter zu Bulletpoint-Listen – die zentralen Ziele und Änderungsanforderungen an die künftige (konservative) Politik. Um zu qualifizierten Aussagen zu gelangen, mussten die Autoren das historische und aktuelle Regierungshandeln soweit durchdrungen haben, dass sie die vermeintlichen Schwachstellen benennen und die resultierenden Aufgaben priorisieren konnten. Hier das Inhaltsverzeichnis:

Das Buch bildet den Schwerpunkt der zurückliegenden Arbeit, es werden aber auch fortlaufende Aufgaben abgedeckt:

  • Ein sogenanntes „Playbook” wird für die ersten 180 Tage der Regierungsübernahme die Aufgaben strukturieren:
    »The project will create a playbook of actions to be taken in the first 180 days of the new Administration to bring quick relief to Americans suffering from the Left’s devastating policies.«  (Quelle)
  • Eine „Presidential Administration Academy” stellt ein umfangreiches (online-) Ausbildungsprogramm für künftige Regierungsmitarbeiter bereit. Deren Programm wird (auf Wikipedia) als qualitativ minderwertig, oberflächlich und ideologielastig beschrieben; versprochen hingegen wird:
    »You’ll learn from a distinguished roster of former political appointees from four previous presidential Administrations, as well as from policy experts, practitioners, and subject-matter experts representing more than 100 partner organizations. The Presidential Administration Academy faculty is a veritable Who’s Who of the conservative movement. «
  • Eine „Presidential Personnel Database” dient als Rekruitierungsinstrument – es sollen über 20.000 Profile erfasst sein:
    »Want to be considered for positions in a presidential Administration? Submit your resume today to be included in the personnel database.«

On top dieser 4 Pfeiler kommen die kommunikative Arbeit und Promotion des Programms in der Öffentlichkeit sowie auf der eigenen WebSite und schliesslich nicht öffentliche Arbeiten (zum Beispiel eine Sammlung ausformulierten Vorschläge für unmittelbar zu paraphierende „Executive Orders” nach dem Amtsantritt eines konservativen Präsidenten). Donald Trump hatte, ohne konkret darauf zu verweisen, vermutlich diesen Teil gemeint, als er zu Protokoll gab, dass er kein Diktator werden wolle, „ausser am ersten Tag”
Nunja: mit den richtigen Massnahmen sollte ein Tag durchaus genügen.

Der Aufriss macht klar, dass das P25 nicht eigentlich der Unterstützung des Kandidaten dient, sondern vielmehr die Forderungen der versammelten US-Konservativen an eine künftige (konservative) Präsidentschaft repräsentiert – und in Wahrheit sind es wohl die Bedingungen. Zwar formuliert das P25 kein verbindliches Regierungsprogramm im eigentlichen Sinn – wie gesagt: so etwas gibt es in der US-Praxis nicht –, wir dürfen aber davon ausgehen, dass „die amerikanische Konservative” und die Republikaner (Grand Old Party – GOP) sich mit dem P25 auf das Handbuch einer konservativen Regierungsübernahme verständigt zu haben. Auf der WebSite des P25 wird das (inzwischen) bestritten; doch nicht zuletzt heißt es: „The Conservative Promise” – also wer und mit welcher Legitimation könte ein solches Versprechen geben, wenn das nicht abgestimmt wäre! Mehr noch: ohne eine solche Übereinkunft würde sich die GOP nicht derart rückhaltlos, ja, fast sklavisch, hinter Donald Trump versammelt haben: immerhin sind das auch Politiker!

Nachdem aber Kamala Harris in einer Reihe von Angriffen das P25 sozusagen als verbindlich behauptet (was es freilich nicht ist, offiziell nicht), kam es in jüngster Zeit zu Absetzargumentationen des Kandidaten: Er kenne das Programm gar nicht und für ihn gelte es nicht. Zumindest die Unkenntnis darf man bezweifeln – nicht zuletzt stammen zwei Drittel der Autoren aus der ehemaligen Trump Administration –, aber the Donald wäre nicht er selbst, würde er nicht versuchen, sich von jeder Vormundschaft frei zu machen. Er hätte die GOP nicht zum ersten Mal vorgeführt!

Doch sollte man den Vorgang zum besseren Verständnis auch einmal umgekehrt formulieren: der Partei ist der Kandidat egal! Sie sieht Trump als den Mohr; hätte er das P25 einmal ins Werk gesetzt, hätte er seine Schuldigkeit getan, könnte er gehen, würde man ihn abservieren, so oder so. Das ist ein wichtiger Punkt: Schon während Trumps Präsidentschaft gab es zwischen der Partei und dem Kandidaten hinter den Kulissen einen klammheimlichen Konflikt bis auf’s Messer. Indem das P25 einen autokratischen Präsidenten installiert, kommt es dem Trump’schen Grössenwahn entgegen, blendet ihn womöglich; und doch ist das Programm ein U-Boot, das, wie das Gerrymandering, auf die (un-)absehbare Zukunft zielt, nicht auf die nächste Wahlperiode. Das Programm meint die kommenden Jahrzehnte – allein deshalb lohnt die nähere Befassung:

Der Hauptteil beginnt mit einer 60 Seiten langen Beschreibung der Aufgaben im Weissen Haus, der politischen und operativen Verwaltung. Es braucht kein politisches Bekenntnis, um zu erkennen, dass jede Administration nur so gut ist wie ihr Management. Insofern lesen sich diese ersten Seiten, auf denen die verschiedenen „Büros” im Weissen Haus und ihre spezifischen Aufgaben beschrieben werden, sozusagen informativ. Hollywood hat uns verschiedentlich Einblicke gewährt, hier erfahren wir die Details aus dem Organigramm.

Einer der Schwerpunkte des Programms adressiert den Deep State. Dieser allgegenwärtige Krieg gegen einen vermeintlichen Staat im Staate ist eine Art blutiges Hobby der Konservativen. Im zweiten Abschnitt geht es um die Beschreibung des „Exekutiven Büros des Präsidenten”. Es gelte, die „Tyrannei” des Deep State zu beenden, in dem derzeit – ich übersetze es in meine Worte – zahllose Bereichsfürstentümer darüber bestimmen würden, ob überhaupt oder wenn wie die politischen Vorgaben des Präsidenten umgesetzt würden. Drain the slump – dieser Deep State soll nun abgeschafft und in die Hände des Präsidenten „zurück” gegeben werden. Hier die Passage im Wortlaut:

»In Federalist No. 47, James Madison warned that “[t]he accumulation of all powers, legislative, executive, and judiciary, in the same hands, whether of one, a few, or many, and whether hereditary, self-appointed, or elective, may justly be pronounced the very definition of tyranny.” Regrettably, that wise and cautionary note describes to a significant degree the modern executive branch, which—whether controlled adjudicates whether that policy was properly drafted and enforced. The overall situation is constitutionally dire, unsustainably expensive, and in urgent need of repair. Nothing less than the survival of self-governance in America is at stake.

The great challenge confronting a conservative President is the existential need for aggressive use of the vast powers of the executive branch to return power including power currently held by the executive branch—to the American people. Success in meeting that challenge will require a rare combination of boldness and self-denial: boldness to bend or break the bureaucracy to the presidential will and self-denial to use the bureaucratic machine to send power away from Washington and back to America’s families, faith communities, local governments, and states.« (S. 43/44)

Versuchen wir uns in Unvoreingenommenheit: dass nachgeordnete „Fürstentümer” ihre je eigene Politik machen, ist kein linkes, rechtes oder spezifisch US-amerikanisches Phänomen, das gibt es überall und übrigens auch in Unternehmen. Der Witz hier liegt natürlich in der Ersetzung der sogenannten Tyrannei des Deep State durch eine Diktatur des Exekutiven Büros des Präsidenten. Das als „Rückgabe an das amerikanische Volk” zu bezeichnen ist grosse, aber doch auch allzu durchsichtige Propaganda. Zu den geplanten, regelrecht brachialen Massnahmen des Programms gehört die Personalpolitik. Jede neue Administration kommt i.d.R. mit einer Kleinstadt (ca. 4000) eigener Vertrauensleute in das Amt, von denen 1200 durch den Senat bestätigt werden müssen; das P25 nun plant die Ersetzung von über 50.000 Staatsbediensteten (von ∑ etwa 2 Millionen) durch eigens auf den Präsidenten verpflichtete Kräfte. Die Nazis sind es ähnlich angegangen.

Das Programm strotzt nur so von ideologischen Regressionen, (hier verschiedene Zusammenfassungen: Guardian, Boston Review, Vox und Wikipedia), die zunächst darauf abzielen, die Errungenschaften der Biden-Administration möglichst komplett rückabzuwickeln – wie Trump es mit dem Erbe Obamas bereits einmal vorgemacht hat –, in Summe aber eine konservative Herrschaft auf Dauer zu installieren; es gilt, jedwede künftige Einflussnahme liberaler demokratischer Politik auszuhebeln, angefangen beim Supreme Court, über die Bundesrichter und demnächst bis hinunter in jede Dienststelle. Dies zu bewerkstelligen entsteht ein autokratischer Staatsapparat, in dem insbesondere das Justizministerium zum ausführenden Organ des Präsidenten wird, um – „Wenn Sie mich verfolgen, verfolge ich Euch” – in der nächsten Legislaturperiode seine Gegner hinter Gitter zu bringen. Joe McCarthy und Edgar Hoover liefern das Drehbuch, die Biographie von J. Robert Oppenheimer (von Bird/Sherwin) gibt Anschauungsunterricht.

Als Aussenstehende müssen wir, Welt, Europa, Deutschland, zwar zur Kenntnis nehmen, was mit dieser Agenda auf die USA und die Welt zukommt, zukommen könnte; jedoch macht es keinen Sinn, etwaige Fehler, Widerspüche, Manipulationen und Lügen dieser Erzählung aufzubröseln und widerlegen zu wollen. Ein Kampf gegen Windmühlen, eine Sisyphus-Aufgabe ohne Mehrwert. Denn das Programm liegt vor, es ist „abgestimmt”, publiziert; eine Änderungsbereitschaft nach „fundierter Kritik” zu unterstellen, wäre illusorisch.

Sowieso entzieht sich das P25 jedem Verdacht, Antworten für die anstehenden Probleme zu liefern. Deutlicher: Es ist ein Schritt zurück ins 18. Jahrhundert – ganz besonders, was die Stellung der Frau betrifft, aber natürlich auch in allen ökonomischen, ökologischen und gesellschaftspolitischen Fragen: Familie/Staat/Grenzen/Freiheit, so die Leitgedanken dort, um dann ungefähr alles links liegen zu lassen, was wirklich drängt.

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Also gut: Wenn nun Kamala einerseits und der schimmelige Inhalt andererseits die Sinnhaftigkeit einer Detailkritik untergraben – was ist dann das Ziel meiner Überlegungen? Es ist der Umkehrschluss!

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Die US-Konservativen haben ein Programm geschrieben, was immer man davon hält, das sich vornimmt, die US-Gesellschaft radikal und für lange Zeit umzugestalten. Dafür haben sie jeden Aspekt der politischen Administration einer aggressiven, detaillierten Revision unterzogen, haben für jedes Ministerium ein Programm formuliert und haben darüber nachgedacht, wie sie die erwartbaren Widerstände mit legislativen und personellen Massnahmen aushebeln. Die Konservativen wollen die Welt retten, ihre! na klar, und sie haben die Frage gestellt: Was genau muss so ein Plan leisten? Das P25 gibt die Antwort. Grottenfalsch, aber ein Gebrauchsmuster. In eben diesem Sinne ist das P25 paradigmatisch: es zeigt den kompletten Weg, wenn man wirklich politische Änderungen durchsetzen will, es ist eine Grand Strategy. Deswegen: Könnte man nicht das P25 als Blaupause hernehmen und so mit Inhalten füllen, dass dabei Zukunft entsteht?

Vorsicht!
Das P25 hat einen ideologischen Überbau, der (natürlich) in die praktischen und taktischen Massnahmen streut: der rechts-konservative Geist kontaminiert (auch) das Vorgehen. Es formuliert die Grundlagen einer Autokratie und legt womöglich die Basis für einen neuen Faschismus. Ich hatte meine Vorbehalte bereits erwähnt – sie werden vom Nachdenken ja nicht schwächer! Wenn der Weg das Ziel ist, kann das Ziel auch den Weg vergiften. Und dass der Zweck die Mittel heiligt, ist ein altes, versalzenes Rezept. Wer sich mit der Geschichte des Kommunismus (und den Zeugnissen seiner Renegaten – Sperber, Koestler, Leonhardt …) ein wenig auskennt, dem graust auch vor einer ins „linke, liberale Gemeinwohl” gedrehten Grand Strategy.
Nochmal: warum sollte man sich dann überhaupt damit auseinandersetzen?

Weil die Welt ein gravierendes politisches Problem hat; leicht zu benennen und schwer zu lösen. Wenn es um die wirklich grossen Fragen geht: Klimawandel, Digitalisierung, Finanzindustrie, Migration, kommen wir immer wieder an die gleiche intellektuelle Wasserscheide: nicht nur müssen zahlreiche ausführende Organe und Institutionen involviert werden, sozusagen bis zum Landratsamt, es werden auch alle gesellschaftlichen Gruppen davon berührt. Darunter besonders jene, die sich gemeinhin durch ausgeprägten Lobbyismus zu schützen wissen – seien es Kirchen, Gewerkschaften oder Berufs-, Unternehmens- und Wirtschaftsverbände. Oder die Medien. Nicht zuletzt: das Volk. Unter den vielen Beteiligten und Betroffenen gibt es immer genug, eher sogar zu viele, die versuchen, jede Agenda zu unterlaufen, wenn nicht offensiv zu verhindern.

Auch bei uns gibt es Erscheinungen des Deep State  – um nur ein Beispiel zu nennen: Das unfertige, nicht abgestimmte Heizungsgesetz („Die Journalisten sind an einen Vorentwurf für das Gesetz gelangt – eigentlich befindet der sich noch in der sogenannten Frühkoordinierung innerhalb des Ministeriums, nur wenige Menschen haben Zugang zu dem Papier.”) wurde aus dem Wirtschaftsministerium an die Bildzeitung durchgestochen („Schon ab 2024! Habeck will Öl- und Gas-Heizungen verbieten”).

In anderen Worten: Wenn es wirklich ans Eingemachte geht, stellt sich für jede Regierung die Frage, wie das gegen die absehbaren Widerstände umgesetzt werden kann.
Die alltägliche Antwort ist auch klar: gar nicht!

Da liegt der Hase im Pfeffer. Wir leben in einer Zeit, in der weltweit ausstrahlende Risiken durchbrechen, die einzuhegen von jenen ökonomischen und politischen Kräften verhindert wird, die von (oder mit) den Ursachen der Probleme (gut) leben. Wer auch immer versucht, diese Probleme zu überwinden, ist mit dem (jeweiligen) Deep State, der (jeweiligen) Deep Economy, der (jeweiligen) Deep Society konfrontiert, die das Morgen für das Heute zu opfern bereit sind (oder – auch das kann man nicht von der Hand weisen – sich dazu genötigt sehen).

Übrigens ist der Widerstand der Realität gegen radikale Änderungen oftmals richtig, sogar vernünftig, weil grosse Strukturen wie Nationen oder Unternehmen nicht über Nacht anderen Prinzipen oder Prozessen folgen können, ohne dabei Schaden zu nehmen. Diese in der Regel einleuchtende Rücksicht kann nur dann nicht mehr gelten, wenn existentielle Risiken zu „minderen” Schäden in Wettbewerb treten. Metaphorisch: Auf einer Titanic droht ein „übergeordneter Schaden”, der „Widerstand des Fahrplans” gegen den radikalen Kurswechsel evoziert den Untergang. Das – und ich glaube: nur das – rechtfertigt das Nachdenken, und, so sie denn überzeugt, auch das Umsetzen einer Grand Strategy.

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Um das P25 als Blaupause nutzen zu wollen, macht es Sinn, über jene Kräfte nachzudenken, mit denen die Zielsetzung die Massnahmen ausrichtet. Beginnen wir mit dem Zielpublikum: das P25 entstand in und für die USA, und berücksichtigt die dort gültigen Ziele, Werte, institutionellen und philosophischen Grundlagen – die sich von jenen in Deutschland (und Europa) grundlegend unterscheiden. Zuerst und besonders geht es um die Rolle des Präsidenten – der zwar in der Legislative mit beiden Häusern des Kongresses zusammenarbeiten muss, zugleich aber die Exekutive dominiert (dominieren sollte, wie die Konservativen klagen) und – zumindest für die Dauer der jeweiligen Wahlperiode – mit „Executive Orders” durchsetzen kann, „was immer er will”. Diese politische Verfasstheit ist nur der erste in einer Reihe fundamentaler Unterschiede.

Wir sind es nicht gewohnt, diese Unterschiede wahrzunehmen und noch weniger reflektieren wir ihre Auswirkungen. Die Einstellung der Deutschen zu den USA wurde nach dem Ende des Zweiten  Weltkrieges in zwei Wellen geprägt. Der Marshall-Plan verhinderte, was der DDR wiederfuhr: die flächendeckende De-Industrialisierung. (West-)Deutschland erhielt erhebliche Geldmittel für den Wiederaufbau (1,41 Mrd $, ~ca. 17 Mrd $ in Euro heute); darüber hinaus haben Care-Pakete, Entnazifizierung und ReEducation die Vorstellungen von einer Befreiung konsolidiert und in mindestens einer Generation tiefe Dankbarkeit verankert. Eine Generation später mischten sich in einer zweiten Welle Kapitalismuskritik und Vietnamkriegs-Proteste zu dem verbreiteten Anti-Amerikanismus der 68er; der Nato-Doppelbeschluss (Stationierung der Pershing II; jüngst nimmt die SPD einen neuen Anlauf, Raketen stationieren zu lassen, die nicht der deutschen Kontrolle unterstehen) verlängerte die kritische Sicht auf die USA mindestens bis in die nächste Generation. Eine belastbare Konstante hingegen war die transatlantische Einstellung der deutschen Politik, die sich aus Überzeugungen, ökonomischen und militärischen Machtverhältnissen und nicht zuletzt dem Besatzungsstatus der Bundesrepublik (vor 1989) ergab.

In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg haben Deutsche bereits in der Schule gelernt, dass „wir” mit unseren „Freunden und Partnern”, den USA, „die gleichen Werte” teilen. Dass das ein Mythos ist, können wir täglich auf Netflix oder Amazon prime anschauen. Sicherlich hat die Behauptung historische Wurzeln: die US-Amerikaner sind überwiegend Nachfahren europäischer Auswanderer (und btw sind über 43 Mio deutscher Abstammung). Und gewiss gibt es an der Ost- und der Westküste sowie in den Metropolen intellektuelle und akademische Gesellschaftsschichten, die einige und zuweilen sogar grundlegende Überschneidungen mit dem deutschen/europäischen Kultur- und Politikverständnis aufweisen (politisch/parteilich sind es zumeist Demokraten, doch nicht jeder Demokrat denkt europäisch). Diese – hilfsweise: europäischen – Amerikaner bilden eine nennenswerte, auch einflussreiche, aber doch überschaubare Minderheit. Die „eigentlichen” USA sind rot (= republikanisch), das zeigen die Ergebnisse der Präsidentsschaftswahlen nach Counties (Landkreisen) besonders dramatisch.


Grafiken: Wikipedia C00

 

Erstaunlich genug, dass an den Küsten genügend Demokraten leben, um zuweilen auch „demokratische” Präsidenten zu ermöglichen. Doch selbst unter dem gleichen Etikett „konservativ” wohnen in den USA gesellschaftliche Vorstellungen, die sich von denen in Europa zivilisationsgeschichtlich um ein oder zwei Jahrhunderte unterscheiden. Liest man etwa Greg Iles Geschichten aus dem amerikanischen Süden, wähnt man sich eher in Zeiten von Sklaverei, Rassentrennung und Bürgerkrieg, wenngleich in den Requisiten des 21. Jahrhunderts.

„Unsere” Einstellung ist eine Art transatlantischer Impfung, teils der genannten Dankbarkeit geschuldet, nicht zuletzt aber auch der andauernden (deutschen) Kollaboration und – als Bestandteil dessen – der politischen, ökonomischen und nicht zuletzt militärischen Indoktrinierung.

Das 2nd Amendment – vom 15. Dezember 1791
Allein die Tatsache, dass es in den USA mehr Waffen in privater Hand gibt als Einwohner, verweist auf eine schier unüberbrückbare Differenz – ein gesellschaftliches Axiom. Die amerikanische Gesellschaft spiegelt sich in einer Kultur der Rücksichtslosigkeit und des gewaltsamen Sozialdarwinismus; doch nicht einmal das survival of the fittest bestimmt die US-Gesellschaft, sondern das des Best-Bewaffneten, Skrupellosesten. Morde sind ein gängiges Idiom, gefühlt 50% aller US-Streamingangebote helfen bei wichtigen Fragen: „How to get away with murder?” „Selbstportrait eines Serienmörders”, „Making a murderer” usw. – und auch in den eher zivilen (gerne: gerichtlichen) Inszenierungen geht es grundsätzlich darum, wer wem besonders elegant eins in die Fresse gibt  (verschweigen wir nicht, dass ein paar Restangebote in pink und hellblau vom Heiraten und Kinder kriegen handeln); in „Yellowstone” landet überflüssiges Menschenmaterial in der Schlucht; in „Scandal” entledigt sich der Präsident höchstselbst einer Moral-geplagten Richterin und für den Alltag unterhält (dort) der Staat eine Truppe von Mord- und Folter-Spezialisten, die, noch befremdlicher, nicht einmal der Regierung unterstehen.
Das ist, natürlich, Fiktion, isn’t it?

Möchte man glauben, doch die Repräsentation von Gewalt in der US-Unterhaltungsproduktion ist keine quasi-pädagogische Überhöhung (wie im ÖRTV): Polizeiliche Willkür und -gewalt sind eher die Regel als die Ausnahme (wenn es einen Redneck-DeepState gibt, dann hier), es vergeht kaum eine Woche ohne Amokläufe, gerne an Schulen; für 2023 zeigt Statista 214 Morde in Deutschland, für die USA knapp 19.000 – Faktor ~88, bei einer um den Faktor ~4 grösseren Bevölkerung.

Gott, Glaube, Vaterland
Auf der Rückseite der Gewaltbereitschaft, die im Morden und Massenmorden lediglich ihren brutalsten Ausdruck findet, erkennen wir eine schier hirnlose, vor allem aber politisch instrumentalisierte Religiosität, deren gegen alle Aufklärung gerichtete Spitze die Evangelikalen repräsentieren. Im Vorwort zum P25 lesen wir davon in dieser Passage:

»The Declaration of Independence famously asserted the belief of America’s Founders that “all men are created equal” and endowed with God-given rights to “Life, Liberty, and the pursuit of Happiness.” It’s the last—“the pursuit of Happiness”—that is central to America’s heroic experiment in self-government.

When the Founders spoke of “pursuit of Happiness,” what they meant might be understood today as in essence “pursuit of Blessedness.” That is, an individual must be free to live as his Creator ordained—to flourish. Our Constitution grants each of us the liberty to do not what we want, but what we ought. This pursuit of the good life is found primarily in family—marriage, children, Thanksgiving dinners, and the like. Many find happiness through their work. Think of dedicated teachers or health care professionals you know, entrepreneurs or plumbers throwing themselves into their businesses—anyone who sees a job well done as a personal reward. Religious devotion and spirituality are the greatest sources of happiness around the world. Still others find themselves happiest in their local voluntary communities of friends, their neighbors, their civic or charitable work..« (S.13)

Dass „Religiöse Hingabe” weltweit zu den dominierenden Treibern kriegerischer Auseinandersetzungen zählt (die in der Regel harte materielle Interessen maskieren), hat sich bis zur Heritage Foundation noch nicht herumgesprochen; anyway. Derweil finden sich die verstockte Prüderie und der allgegenwärtige Sexismus des Cheerleadertums Side-by-Side; die Bigotterie, fast möchte man sagen: ein Hauptcharaktermerkmal, feiert fröhliche Urstände. Das ist etwas grobschlächtig, und Bigotterie gibt es überall: Für unsere Überlegungen hier aber genügt die Feststellung, dass ein vergleichbarer nationalistisch-religiöser Fundamentalismus in der deutschen Bevölkerung eine vernachlässigbare Rolle spielt; auch wenn es ihn – als sozusagen eingewandertes Phänomen – gibt. Ähnliches gilt auch für den chauvinistischen, dogmatischen, wenn nicht gar fanatischen, aber doch hohlen Patriotismus/Nationalismus und das irgendwie kranke Flaggenbrimborium der Amerikaner.     

Die Freiheit des Einzelnen
Eine nicht ganz so eindeutige Distinktion findet sich in der Sicht auf den Einzelnen, dessen „Leben, Freiheit und Streben nach Glück” ein Gott-gegebenes Recht sei. Eine gewisse Schwierigkeit liegt in der Abgrenzung zu den Menschenrechten. Das amerikanische Verständnis des Einzelnen ist strukturell permissiv und hat einen (libertären) Zug ins Anarchische: Dieser Einzelne „macht sich die Erde Untertan”, sozusagen: immer noch!, und „darf” unterwegs weitgehend alles aus dem Weg räumen, was ihn hindert; eine Freiheit, die wie mit Bulldozern über den Planeten brettert. Für diesen Einzelnen gilt, was Maggie Thatcher dekretierte: „There’s no such thing as society.” Wie die Gewalt gleichsam von Gott begleitet wird, wird die Anarchie vom Gesetz reguliert (die Grundlage jedweden Polizeiterrors); wohlbemerkt: nicht vom Recht – denn das würde womöglich eine Dialektik ins Spiel bringen, die den durchschnittlichen Amerikaner schlicht überfordert.

Die Menschenrechte, im Unterschied zu diesem Verständnis („Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren” Art.1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, 1948), übernehmen eine moralische und juristische Schutzfunktion für Einzelne: diese seien frei, im Unterschied zu Leibeigentum und Sklaverei. Die Menschenrechte schützen sie in ihrer Gesellschaft und insbesondere gegenüber Regierungen. Diese Freiheit erkennt ihre Grenze in der Freiheit des Anderen, sie ist eine Errungenschaft von Zivilisation, Aufklärung und Demokratie.

Die allgemeine Dummheit
Natürlich gibt es den Amerikaner so wenig wie den Deutschen. Alle Versuche, belastbare und brauchbare Aussagen über die allgemeine Dummheit eines Volkes zu formulieren, führen ins Abseits. Es gibt allerdings einen relevanten Aspekt dieser Frage, der ursächlich auf das Interesse zurück geht und den man in etwa so fassen könnte: „Es ist mir egal, ob das richtig oder falsch ist, solange es mir nützt.” Diese Haltung, auch bei deutschen Politikern zuweilen zu beobachten, scheint in den USA ungleich weiter verbreitet als hierzulande; dort, zumindest ist das der Eindruck aus der Ferne, ist die Fähigkeit, ein Rational zu bestreiten, sogar umso ausgeprägter, je höher der IQ und der gesellschaftliche Status; möglicherweise ein Ergebnis der im angelsächsischen Raum, und gerade an den Universitäten, verbreiteten Debattierclubs – in denen es allenfalls nebenbei darum geht, auch Richtiges zu sagen; entscheidend ist, vor der Gruppe zu obsiegen.
Gott schütze mich vor Verallgemeinerungen!

Es gibt nur einen vertretbaren Grund, überhaupt über die Dummheit nachzudenken, nämlich im Zusammenhang mit der stets bedrohlichen Gruppendynamik: welche rationale Differenzierung „kann man einem Volk zumuten?” Gerade in einer Grand Strategy könnten Aspekte benannt werden, die, um Widerstände zu vermeiden, in begriffliche Watte gepackt, oder regelrecht krummgelogen sind. Bei der Lektüre des P25 spielt das durchaus eine Rolle. Sehr gern, und sei es Vorsatz oder Gewohnheit, werden hier Argumentationen ineinander verschwurbelt, deren Gehalt und Implikationen zu identifizieren einer gewissen Sprach- und Denkpraxis bedarf.

»The great challenge confronting a conservative President is the existential need for aggressive use of the vast powers of the executive branch to return power – including power currently held by the executive branch—to the American people. Success in meeting that challenge will require a rare combination of boldness and self-denial: boldness to bend or break the bureaucracy to the presidential will and self-denial to use the bureaucratic machine to send power away from Washington and back to America’s families, faith communities, local governments, and states.« (S. 44)

Wie gesagt: Jede Textkritik würde die Intentionen der Urheber missverstehen – das soll so!

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Tatsächlich zielt die Aufzählung dieser hauchzart-anti-amerikanischen Abgrenzungen auf den Hinweis, dass eine etwaige Adaption sich von derlei false values und Vernebelungsaussagen fernhalten muss, sollte, WEIL eben diese kritischen Attribute den Geist des P25 spiegeln.

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Denkt nach, ihr Kappen!

Zurück zu den strategischen Fragen der Taktik. In meiner beruflichen Praxis in der Untenrehmensberatung war ein guter Plan, nämlich die Strategie, sozusagen der heilige Gral. Die Kernfrage, die es zu beantworten galt, war stets: What business are we in!

In der Praxis war die Frage mehr ein Imperativ – denn tatsächlich waren viele Antworten auf diese Frage ziemlich TINA (there is no alternative). Zu Beginn der 2000er Jahre mussten viele Unternehmen an ihren überkommenen Geschäftsmodellen zweifeln – viele andere scheiterten, weil sie die Überprüfung verweigerten. Change or Die! schrieb Alan Deutschman 2005. Nach und nach hat sich die Nachricht in den Unternehmen durchgesetzt (für Deutschland gilt: zu langsam). 
Kein Vergleich aber zur Politik: die weiss von nix, alles Neuland!

Dabei hat sich natürlich auch das politische, ökonomische, technologische und geopolitische Umfeld so grundlegend geändert, dass die alten Analysen und Rezepte nicht mehr greifen: Change or get lost! – reduziert sich auf die Praxis: get lost. Von ein paar überklebten Etiketten und angelernten Buzzwords einmal abgesehen, könnten die Herren Scholz bis Lindner auch die 80er Jahre bespielen, und selbst Frau Wagenknecht hält (hielt) bei jeder passenden Gelegenheit Ludwig Erhard in die Kamera. 
C’mon – das … kann’s doch nicht sein! Die handelsübliche Politprosa, seien es Partei- oder Grundsatzprogramme, seien es Studien oder saisonale politische Veröffentlichungen, wird den Anforderungen nicht (mehr) gerecht. 
Dafür lassen sich eine Reihe von Ursachen benennen:

  • da ist einerseits der von den Wahlperioden vorgegebene Horizont der Parteien,
  • da ist andererseits die Kleinteiligkeit und Unterkomplexität der Drittmittelforschung, hinzu kommen
  • der Markt- und Marketingopportunismus der Medienindustrie und auch
  • die Opportunismen und Feigheiten der (wenigen) intellektuellen Kapazitäten.

Wie in der Informationsüberflutung im Allgemeinen leidet auch der politische Diskurs an der Überflutung mit kleinen und kleinsten Fragestellungen. Der Markt und seine Agenten bestimmen die Ambitionen. Bücher sollen den Zeitgeist treffen; nicht Probleme lösen, sondern Käufer finden:

– „Umkehr – wie sich der Markt noch retten lässt”
– „Das Geschlechterparadox”
– „Am Scheideweg des Liberalismus”
– „Eine Theorie des Algorithmus”
– „Vom Realismus zur Transformation”

usw.. Dies sind zur Kenntlichkeit erfundene Buchtitel, es geht nicht darum, einzelne Autoren ob ihrer mangelnden Ambitionen vorzuführen. Ich beklage die summarische Beschränktheit im Angesicht von global-übergreifenden, multikausalen Krisenthemen. 
Das braucht noch einen Absatz:

Es gibt natürlich viele Beiträge, die richtige, wichtige und auch dringende Fragen stellen und nach Antworten suchen. Doch selbst kluge Autoren finden lediglich Insellösungen, die nur funktionieren, wenn das betroffene Umfeld sich an den einleitenden Vorbedingungen der Autoren ausrichtet; tut es nicht, nie! Manchmal sind es Double Binds: „Entweder, Du löst dieses Problem, oder jenes, beide zusammen geht nicht.” Oft sind es handfeste Interessen, die dagegen stehen. Und nicht selten ist Widerspruch lediglich eine Marktstrategie: Wenn die Grünen dafür sind, ist die CDU dagegen et vice versa. Alles nur Teildiagnosen für Nebenwidersprüche. 

Die intellektuelle Blindstelle besteht darin, dass gerade jene Gesellschaften, die in den Populismus regredieren, „eigentlich” nach einer umfassenden Perspektive verlangen – aber nur abgedroschene Textbausteine bekommen. Auch das kommt nicht von ungefähr! Die „eigentliche” Ursache dieser Unterversorgung besteht darin – und es ist nicht nur eine Herausfordeurng –, dass zu viele, zu grosse Themenblöcke gleichzeitig angefasst und umgedacht und in einem Zukunftsmodell zusammengeführt werden müssen. Und nein: dazu ist keine „neue Theorie” gefordert, sondern ein Plan! Nicht einmal der würde reichen: er müsste überdies – nein, nicht erst übermorgen –, heute, morgen umgesetzt werden: asap! Es gibt ja Pläne! Doch Pläne, die bis 2030, 40 oder 50 reichen – die „Endlagerfrage” werde nicht vor 2075 gelöst werden können – seien womöglich einem „realistischen Pragmatismus” geschuldet, ignorieren aber eine Nebenbedingung des gleichen Realismus: Derart langfristige Zielsetzungen sind für die Galerie, für die Schublade, … es sind Placebos, Baldriankapseln, Johanniskrautersatz – niemand glaubt wirklich, was da geplant wird. Kommt Corona, kommt Inflation, kommt Regierungskrise, kommt Krieg – und schon ist alles anders. 
Derlei Vertagung auf den St-Nimmerleinstag ist Zukunftsbetrug.

Und weil das so ist, und alles mit allem zusamenhängt, deswegen braucht es eine Grand Strategy, die, wie das P25, auch verbindlich ins Werk gesetzt werden soll. Natürlich wäre ein Einzelner damit überfordert: es braucht die fachliche, die politische und die institutionelle Expertise! Am P25 haben 34 Hauptautoren und weitere 400 Experten gearbeitet! Eine vergleichbare Ausarbeitung eines deutschen, europäischen, globalen Project Future würde, bevor Du fragst, meine Fähigkeiten, Deinen Realitätssinn und diese Plattform überfordern.
Allenfalls reicht es für ein paar Hinweise.

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Freiheit ist aus
Meine „Analyse” ist grob, na klar. Die Tücken jeder Planung oder Bewertung stehen im Kleingedruckten, die grösseren Baustellen erkennt man dennoch schon aus der Ferne; darunter „die Freiheit”. Freiheit ist ein schillernder Begriff: die Freiheit von (Diktatur, Repression, Slaverei …) ist eine zivilisatorische Errungenschaft; regelrecht ausverkauft erscheint dagegen die Freiheit zu. Sie ist es, die sich im Streben nach Glück materialisiert. Das ist eine fundamentale Frage – und sie dreht sich nicht (mehr) um die je nationale Verfasstheit einer Gesellschaft; mir geht es um eine Neufassung, und tatsächlich um die Einhegung der Freiheit selbst. Auch wenn sich die gesuchte Grand Strategy nicht mit einer Arbeit am Begriff zufrieden geben kann, braucht es für die Präambel ein neues Verständnis davon, inwieweit die Freiheit der Anderen auf die Freiheit selbst durchschlägt.

Unser erlerntes Verständnis von Freiheit setzt auf einem Begriff auf, der, wenn nicht vor Jahrtausenden, so doch vor Jahrhunderten („Stadtluft macht frei”) und vor allem in der Aufklärung geprägt wurde. Er stammt aus einer Zeit, in der beide Freiheiten, von und zu, noch Hand in Hand gingen, ja, sogar in eine Neue Zeit aufbrachen; einer Zeit, in der die Verhältnisse schrecklich aber die Möglichkeiten schier unendlich waren. Das Leben war eng und bedrückend, aber die Welt erschien menschenleer (erst um 1800 wuchs die Weltbevölkerung über eine Milliarde) – und stand unbeschränkt zur Verfügung (faktisch!, insofern man indigenen Völkern weder einen Menschenstatus noch irgendwelche Rechte zubilligte). Nicht zuletzt ist diese Leere auch ein politischer Faktor der US-Kultur: Montana etwa (wir erinnern uns: „Yellowstone” spielt hier), ungefähr so gross wie Deutschland, hat etwas über eine Million Einwohner. 35 der 50 US-Staaten haben nicht mehr als 5 Millionen Einwohner.


Wie sich die Demokratie für eine Population von vielleicht 40.000 entwickelte, so galten die philosophische und die Freiheit der Praxis für eine leere, grenzenlose Welt, die von einer Exponentialfunktion noch nichts wusste. „Wir können, was wir wollen – und das sollen wir auch!” ist denn auch die Freiheit des Industriezeitalters, das, bis ~zum Beginn des 21. Jahrhunderts, seinen radikalsten Ausdruck in der Mobilität des Kapitals sowie – komplementär, honi soit qui mal y pense –, im „Menschenrecht auf Mobilität” fand.

Diese Freiheit ist unhaltbar geworden.
Jetzt ist die Welt eng, und die freie Entfaltung des Menschen ist zu einem existentiellen Risiko geworden. Die Freiheit der Selbstverwirklichung, „des Strebens nach Glück”, nämlich die ungezügelte ökonomische Gier nach mehr, nach Wachstum, letztlich die Freiheit des Handelns ist mit den ökologischen Beschränkungen einer Menschen-ermöglichenden Lebenswelt unvereinbar. In der Theorie ist das nahezu Konsens, wenn nicht weltweit, so doch in den entwickelten Ökonomien. In der Praxis hingegen, Stichwort Bigotterie, gilt: „Niemand soll mir sagen, was …” Wer also aus der Theorie Forderungen an die Praxis ableitet, muss mit Widerspruch rechnen, bissig und aggressiv. Die praktische Freiheit zu bestreiten, ist ein Sakrileg: jede Einschränkung im Anwendungsraum wird zum Angriff auf das Prinzip erklärt! Doch in der Enge der Welt ist die Freiheit des Anderen näher gerückt – und mehr noch die Freiheiten der Zukunft: JEDER footprint riskiert bereits die Wohlfahrt der Gegenwart, vernichtet aber die Existenzvoraussetzungen kommender Generationen.

Fassen wir das zusammen: wenn das P25 zur Blaupause einer Grand Strategy werden soll, muss die Adaption einige markante Differenzen aufweisen, um ein europäisches und insbesondere auch deutsches Verständnis zu ermöglichen. In der Ausprägung des Freiheitsbegriffes auf die Wirtschafts- und Lebensbedingungen dagegen wird sie Neuland betreten (müssen).

Die Grenzen der Freiheit
Wo anfangen! Es gibt schier unendlich viele Themen. Wir können aber doch die gesellschaftlich entscheidenden Fragen isolieren und an die Spitze eines Kanons gesuchter Lösungen rücken: 

  1. Vermutlich auf der ersten Position steht die Beschränkung des Bevölkerungswachstums.
    Nach dem Stand der Prognosen wird die Menschheit in den nächsten 20 Jahren um 20 Prozent wachsen: zwei weitere Milliarden von Menschen, in Asien und vor allem in Afrika. Nicht nur emittieren „neue” Menschen CO2 und verbrauchen Ressourcen. Sie tragen zudem dazu bei, dass die „emerging economies” alles daran setzen werden, auch diesen, nämlich „ihren” Menschen ein Leben nach westlichen Standards zu ermöglichen. Das wäre der tatsächlich letzte Sargnagel des Planeten;
  2. damit einher geht die Notwendigkeit, das Wachstumsdogma zu brechen. Die Aus-, wahrscheinlich sogar Zurichtung der Ökonomie an den Imperativen der Ökologie (Energie, Müll, Ressourcen …) ist „alternativlos”.
    Wer den einschlägigen industrie-politischen Diskussion folgt, gleich wo in der Welt, muss den Eindruck gewinnen: „Die sind doch alle irgendwie blind und taub.” Wir wissen es besser. Sie wollen nicht hören;
  3. drittens geht es um die Regulierung von KI und Robotik: in ihrer Kombination vernichten sie die Erwerbsarbeit.
    Die aber ist system-relevant. Sie sichert die finanzielle Grundausstattung der westlichen Gesellschaften: Steuern, Rente, Versicherungen … . Schon zwei-stellige Einbrüche gefährden die Finanzstabilität – vordergründig des Westens, doch in ihren Strahlungseffekten dere ganzen Welt;
  4. die Rückführung der Finanzindustrie auf die Zwecke der ökonomischen Grundversorgung.
    Die geradezu absurde Abkoppelung der Finanzindustrie von der Realwirtschaft hat ein Kartenhaus errichtet. 2008/2010 war die Welt Zeuge, wie es wackelte. Es ist eine Illusion, das System für stabil zu halten. Wenn es zusammenfällt, wird die Weltgesellschaft genötigt, die Zeche der Spekulation zu zahlen;
  5. die Einhegung der Dateninflation und die Reglementierung der individuellen Datenhoheit.
    In Abwesenheit einer tiefgreifenden Krise erscheint „die Datenfrage” als Nebenschauplatz. Beim sogenannten Gülen-Putsch in der Türkei konnte man beobachten, wie „die Datenfrage” scharf geschaltet wird.
  6. Letztlich gehören auch die gesellschaftliche Informationsversorgung, die „Bedingungen von Öffentlichkeit” auf den Prüfstand. 
    Die inzwischen uneingeschränkte Bewirtschaftung der öffentlichen Meinung mit Fake News und sozial-medialer Propaganda führt die (meisten westlichen) Gesellschaften an eine Demarkationslinie, mit einer protofaschistischen Autokratie auf der einen und der Unregierbarkeit auf der anderen Seite.

Ja, wenn’s weiter nichts ist!
Zusammengenommen fordert eine solche Aufzählung mal eben die Neuerfindung der Welt, dabei ist sie, gemessen an den Notwendigkeiten, natürlich unvollständig.

Es fehlen, beispielsweise, geopolitische und militärische sowie Fragen zur Migration; nicht, weil sie hier nicht hingehören, sondern weil ich sie für intellektuell nicht lösbar halte. In machtpolitischen und militärischen Fragen überlagert und verhindern die Implikationen der Spieltheorie rationale Lösungsmodelle. In Fragen der Migration überwiegen existentielle und emotionale Kräfte. Der Anspruch, auch diese Fragen modellhaft auflösen zu wollen, würde solche Bereiche kontaminieren und vermutlich sogar aushebeln, in denen Sachordnungen dominieren, und die insoweit theoretisch erreichbar sind. 

Der Plan gilt einer Neuordnung der Sachordnungen.
Der Vorteil eines Planes gegenüber einer Theorie ist, dass man ihn ausführen kann. 

Ein Project Future, das sich der genannten Themen annähme (und sei es plus/minus), hätte die Chance, das Handlungsvakuum, die Orientierungslosigkeit zu überwinden. Selbst wenn ein Plan im Verlauf überprüft und neu ausgerichtet werden muss: er liefert Leitplanken, Argumentationen, Rollen und Aufgaben, Hoffnung vor allem. Hoffnung stiftet Energie, der zurückliegende Parteitag der Demokraten gab in diesem Punkt überzeugenden Anschauungsunterricht.

Bei aller Skepsis: Der Problemdruck durch Klimawandel, Digitalisierung und Migration ist gewaltig und die Menschen, die Gesellschaften, sind in Sorge um die Zukunft. Sie wissen, dass es so nicht weiter gehen kann, auch wenn sie zugleich wollen, dass der Krug an ihnen vorübergeht. Sie erkennen die Orientierungslosigkeit der Eliten – und der Verlust dieses Zutrauens befördert die falsche Alternative. Eskapismus ist eine natürliche Reaktion! Die Menschen flüchten sich in Regressionen und sehnen sich nach der Vergangenheit.

Das P25 setzt genau hier an und verspricht dem amerikanischen Volk, die Nation „zurück” auf den Weg der Sicherheit, des Erfolges und der Freiheit zu bringen und den Deep State, dem es die Misere zu verdanken hat, zu entkernen. 

Die Analyse ist falsch (weitgehend).
Die Ziele sind falsch (fast ausnahmslos).
Die Massnahmen sind falsch (überwiegend).
Der Weg ist der richtige.