AfD – ¿verbieten?

Die ist verfassungswidrig!

Kannst Du das beweisen?

 

Wie einst die Grünen, ist die AfD als eine Protestpartei gegründet worden; ihre ursprüngliche (im Kern auf die Abschaffung des Euros gerichtete) Zielsetzung ist in mehreren Häutungen verloren gegangen; Stück für Stück gerieten rechte, rechts-radikale, rechts-extreme, vor allem rassistische und schliesslich neo-faschistische Parolen auf den Sprechzettel von Parteifunktionären – Björn Höcke vorneweg – wenn auch nicht bis ins Parteiprogramm.
Jetzt ist die Debatte um ein Parteiverbot neuerlich aufgekommen.

Die Abschreckungsthese ist abschreckend

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Nicht jede Meinung, die ich vertrete, hat mich auch überzeugt. 
Klingt etwas schräg, soll aber sagen, dass meine Entscheidung für einen Standpunkt oder seine Alternative nicht immer eindeutig ist; ich schwanke.  

Jetzt ist die Debatte um ein Parteiverbot neuerlich aufgekommen. Am 04.09. titelt der Spiegel, „Grüne laden Union, SPD und Linke zu Gespräch über AfD-Verbot ein“ eingeladen haben. Könnte also sein, dass die seit geraumer Zeit schwelende Diskussion über ein Verbotsverfahren jetzt in eine heisse Phase kommt. Das Warum – liegt auf der Hand: In den zurückliegenden Monaten konnte die Welt life zuschauen, wie ein demokratisch gewählter Präsident eine stabile, gewachsene Demokratie gegen die Wand fährt und in ein faschistisches System umwandelt. Von der AfD ist zu befürchten, dass sie sich Trump zum Vorbild nehmen und, im Falle einer Regierung oder Regierungsbeteiligung, genauso oder ähnlich verfahren würden.
Plus: die AfD verzeichnet kontinuierlich ansteigende Zustimmungswerte. Es naht der Moment, in dem die Quantität in Qualität umschlägt, umschlagen könnte: 
Ein Viertel der Bevölkerung, „and counting“, ist, explizit oder irgendwie, mit der politischen Administration des Landes unzufrieden und … scheint gewillt, diese Unzufriedenheit – bis zu einer Regierungsbildung mit der oder durch die AfD – voranzutreibenen; von Protestpartei kann nicht mehr die Rede sein.

In der Diskussion – und vor einer Entscheidung – sind die Risiken abzuwägen: 

  • Was, wenn es gar nicht erst zu dem Versuch käme, die Partei zu verbieten?
  • Was, wenn er zugelassen wird, aber die Entscheidung über bis über einen Wahltermin verzögert wird (bei dem die Partei weitere oder gar dramatische Zuwächse erfährt)?

  • Was, umgekehrt, wenn die Partei verboten wird?  
  • Und was, wenn ein Verbot am Verfassungsgericht scheitert?

    Man weiss gar nicht, was der worst case wäre.

Grundgesetz
Beginnen wir mit dem §21 (2) des Grundgesetzes; er regelt die Parteienfrage zunächst ungenau:  

„Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.“ 

Das sagt noch nicht soo viel: was gefährdet oder wie genau gefährdet man die FDGO? (Z.B.: erinnere ich eine Zeit, als ich den Sozialismus für eine geeignete (wirtschaftliche) Staatsform hielt; nicht weniger meiner Gedanken damals hatten mit der FDGO wenig am Hut …) Im Grundgesetz steht: „Das Nähere regeln Bundesgesetze.“ Ob eine solche Verfassungswidrigkeit vorliegt und was daraus zu folgern sei, steht also nicht in der Verfassung, sondern wird, nach § 21 (4) GG, vom Bundesverfassungsgericht entschieden. Mit anderen Worten: es ist rechtlich, aber nicht grundgesetzlich, geregelt, welche Kriterien genau erfüllt sein müssen und zwar durch (kontinuierliche) verfassungsgerichtliche Interpretation der FDGO:


Kernbestandteile sind insbesondere:

  • Achtung der Menschenrechte, vor allem des Rechts auf Leben, freie Entfaltung und Menschenwürde.
  • Volkssouveränität (alle Staatsgewalt geht vom Volk aus).
  • Gewaltenteilung.
  • Verantwortlichkeit der Regierung.
  • Gesetzmäßigkeit der Verwaltung.
  • Unabhängigkeit der Gerichte.
  • Mehrparteienprinzip und Chancengleichheit der Parteien.
  • Möglichkeit verfassungsmäßiger Opposition.
  • Diese Elemente hat das BVerfG in ständiger Rechtsprechung konkretisiert. Sie bilden sozusagen das „unantastbare Minimum“ einer demokratischen Ordnung.

(So beantwortet ChatGPt die Frage) 


Was genau dann der Fall ist, wenn sie erfüllt sind – regelt das Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Dort heisst es:


§ 46 (1) – Erweist sich der Antrag auf Entscheidung gemäß Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes als begründet, so stellt das Bundesverfassungsgericht fest, daß die politische Partei verfassungswidrig ist.

§ 46 (2) – Die Feststellung kann auf einen rechtlich oder organisatorisch selbständigen Teil einer Partei beschränkt werden.

§ 46 (3) – Mit der Feststellung ist die Auflösung der Partei oder des selbständigen Teiles der Partei und das Verbot, eine Ersatzorganisation zu schaffen, zu verbinden. Das Bundesverfassungsgericht kann in diesem Fall außerdem die Einziehung des Vermögens der Partei oder des selbständigen Teiles der Partei zugunsten des Bundes oder des Landes zu gemeinnützigen Zwecken aussprechen.  

Die Frage der staatlichen Parteienfinanzierung wird im ergänzenden §46a geregelt.

Die formale Abfolge eines Parteienverbotes ist: 

Die Antragsberechtigten Bundesregierung, Bundesrat oder Bundestag beantragen die Feststellung der Verfassungswidrigkeit, das Bundesverfassungsgericht entscheidet – und verbietet die Organisation, wenn es denn so entscheidet. 

Kann sein, muss nicht: beim NPD-Verbotsverfahren hat das Gericht „das Problem des Verbots einer Partei mit großer Anhänger- und Wählerschaft selbst verschärft, indem es im NPD-Verfahren in freier Erfindung betont hat, nur eine Partei von großer „Potentialität“ könne im Sinne des Art. 21 II GG überhaupt „darauf ausgehen“, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen. Eine nicht „potente“ Partei kann seitdem gar nicht verboten werden!” So erklärte mir ein Verfassungsrechtler; „in freier Erfindung” – besagt ja, dass das Grundgesetz dafür keine Handhabe geboten hat. Das Gericht kann so aber auch anders entscheiden, etwa in dem es nur die staatliche Parteienfinanzierung untersagt. In anderen Worten: da ist viel vielleicht und möglicherweise im Spiel, und wenn so ein Antrag abgewiesen würde, stünden der AfD Tür und Tor offen.

Bevor die Antragsberechtigten ein solches Verfahren einleiten, müssen sie sich über diese Folgen klar werden, und zwar in alle Richtungen (s.o.). Egal wie, in jedem Fall sind erhebliche politische Flurschäden abzuwägen. 

Ich selbst muss darüber nicht nachdenken – denn wie auch immer habe ich darauf keinen Einfluss. Über meine eigene Haltung muss ich sehr wohl nachdenken, denn die Frage greift nach meinem Verständnis von Staat und Demokratie. Meine Fragen sind nicht an der formalen Rechtslage orientiert, sondern eher an den politischen Auswirkungen, nämlich was und mit welcher Wahrscheinlichkeit geschieht, wenn die AfD – ohne Verbot oder nach dessen Scheitern – zu Regierungsmacht gelangte, und sei es zunächst als Koalitionspartner. 
Das fragt nach der Zukunft, ist Spekulation; stimmt. 
Aber soo schwer ist es nicht, zu einer relativ belastbaren Prognose zu kommen! Genau zuzuhören, erstens, ist schon mal ein Ansatz. Ein vergleichender Blick in die Welt um uns herum kann auch nicht schaden. Zudem sollte ich auch in die zugänglichen Programme schauen und – nicht zuletzt – in die Historie. 

Das Zuhören – wenn vom „Fliegenschiss”, dem „Denkmal der Schande” oder von „Kopftuchmädchen und alimentierten Messermännern” die Rede ist – ist zumeist unappetitlich … und hinlänglich bekannt. Unbekannt oder nur Hörensagen ist, was in den Hinterzimmern gesprochen wird – und da vermute ich die eigentlichen, die strategischen Aussagen. Es gibt Hinweise; sind sie gerichtsfest?

Für die Auswirkungen einer rechts-populistischen Regierung gibt es Beispiele und Blaupausen: Ungarn, Polen, Italien, Israel und natürlich die USA unter Trump, illustrieren Richtung und Vorgehen; und das ist nur der Westen. Schaut man nach Russland, China, Nord-Korea, in den Iran, die Türkei oder nach Saudi-Arabien, wird der Schrecken nur grösser. Lassen sich die Beispiele 1:1 übertragen? Sicher nicht; glasklar und frappierend ähnlich dagegen ist der politische Vektor, die Handlungsmuster dieser Konzepte.

Mit Abweichungen im Detail und in der Reihenfolge geht es gleich zu Beginn meist um die Besetzung hochrangiger Richterposten; logisch, denn das sind die Instanzen, die, in Auslegung der bestehenden Gesetze, nachfolgendes Regierungshandeln einschränken könnten. Sodann kommt es zu Säuberungswellen an den Schaltstellen der staatlichen Administration. Gefolgt von der Freisetzung oder Umwidmung finanzieller Ressourcen. Teile dieser Ressourcen fliessen mitunter, nicht immer, in populistische Wohlfahrtsprogramme (so war in es Polen). Gleich darauf geht es um die Disziplinierung der Informationen, notfalls durch Einschüchterung der Medien, und schliesslich um die Ausschaltung oppositioneller Wortführer. 
Und wenn die neu eingesetzten Richter allein, vom fortbestehenden Recht behindert, das nicht hinkriegen, hilft gern einmal ein Staatsnotstand aus – und dafür braucht es Krieg (vielleicht in Venezuela) oder Bürgerkrieg. Gute Idee, im Vorfeld schon mal die respektiven Ministerien einzuschwören oder umzubenennen.

Für die USA hat das Project 2025 vorab auf über 1.000 Seiten eine detaillierte Handlungsanleitung für einen konsequenten Staatsstreich geliefert. Ich hatte an anderer Stelle schon darüber nachgedacht, wie sich dieses Programm adaptieren liesse – auf die Idee ist die AfD vermutlich auch schon gekommen. 

Taktisch erweist sich eine Vorankündigung als eine subtile Massnahme: ist sie genügend radikal, glaubt die Appeasement-Fraktion gern, dass das „so niemals… nichts wird so heiss gegessen …“ umgesetzt werden wird. In der begleitenden politischen Debatte – auch das zeigt das Beispiel USA – werden die verschiedenen Stadien und einzelnen Massnahmen eines Staatsstreiches stets an einem Hoffnungshorizont gemessen: so arg schlimm wird es nicht werden! Oder, auch gern genommen: es geht auch wieder vorbei; kommen die Midterms, kommen die nächsten Wahlen … Solange noch nicht jeder Würfel exakt auf seinem Platz liegt, dominieren die Skrupel, das tatsächlich längst absehbare Geschehen beim Namen zu nennen: dann hat eine Massnahme „schon mal autokratische Züge”, aber darf man es wirklich bereits als Faschismus bezeichnen (so kürzlich zu sehen im Interview von Marietta Slomka mit dem US-Philosophen Jason Stanley)? Auch immer wieder zu hören: Die Demokratie weiss sich zu verteidigen …, Pfeiffen im dunklen Wald. 
Später, wenn die Ankündigungen dann doch zur Realität werden, verweisen die Akteure auf Ihr Mandat: Wir haben es Euch vorher gesagt und Ihr habt zugestimmt. Denn das ist die eigentliche Crux des Faschismus: Er kommt vorzugsweise auf demokratischem Ticket an die Schalter der Macht. Und es sind die Skrupel und Feigheiten, die im Nachhinein (Vorgriff auf die Historie) zu der Zusammenfassung führen: Als man die Juden abholte, hab ich nichts gesagt: ich war ja kein Jude … 
In anderen Worten: der Blick in die Welt verheisst nichts Gutes und die Erfahrung zeigt (Vorgriff auf die Historie), dass die wirklich grossen Trends einer energetischen Dynamik unterstehen: Einmal in Gang gebracht, ist es schwer, die Maschine zu stoppen.

Einen Schritt zurück: ich ahne es zwar, weiss aber natürlich nicht, was in Zukunft passieren wird; immerhin schiebt die Realität einen Berg von Problemen als Hypothek vor sich her in Richtung Zukunft, und so sieht sich jede (neue) Regierung mit der Aufgabe konfrontiert, erstmal einen Boden unter die Füsse zu bekommen. Bis dahin zeigen sich sowohl die Realität wie auch ihre (oppositionellen) Bewohner oft genug widerständig und obstruktiv. Das induziert Hoffnungsschübe: bis die richtig im Sattel sitzen, ist vom Zauber des Anfangs das Allermeiste verraucht. 
Es ist also kein Wunder, sondern eine wichtige, insofern auch die Hoffnung rechtfertigende Beobachtung, dass erst Trump 2 in der Lage war, die Grundpfeiler des Staates einzureissen! … und deswegen spielt eine Regierungskoalition unter Beteiligung der AfD eine entscheidende Rolle: als Lektion in Regieren.

Programm
Um ihre Ziele zu verwirklichen, muss jede (künftige) Regierung zunächst die Bedingungen der Möglichkeit bereitstellen, logisch – das führt uns zu den Zielen.
Solange eine Partei durch eine Wahl von der Macht getrennt wird, muss sie trommeln und sich erklären, muss mit einem Programm um Zustimmung werben. Insofern ist der Blick in das Programm, für mich, für uns, für das Verfassungsgericht, eine wichtige Quelle. Unter mindestens einem gewichtigen Vorbehalt: Papier ist geduldig! Der Wolf hat Kreide gefressen, und ich glaub „denen“ ja kein Wort.
Im Falle der AfD gibt es ein veröffentlichtes Grundsatzprogramm von 2017 und ein Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2025. Im Vergleich klingt das Grundsatzprogramm relativ moderat, während das Wahlprogramm schon gehörig zur Sache geht. Anyway, zweiter mindestens ebenso gewichtiger Vorbehalt: was im Programm steht, und was eine Partei in der Regierung tatsächlich tut, …phhhh, das sind viele paar Schuhe (siehe Agenda 2010, Atomkraftwerke, Wehrdienst, LNG, Schuldenbremse …). 
Dennoch lohnt der Blick ins Programm, weil: die Wahrscheinlichkeit eines Erdrutschsieges der AfD ist zwar nicht Null, wahrscheinlicher – und auch strategisch angestrebt – ist aber zunächst eine Koalition, und da ist die Frage nach Übereinstimmungen und Andockstellen von grosser Bedeutung. An diesen programmatischen Synapsen entscheidet sich, inwieweit die Beteiligten persönlich und politisch zu Kompromissen in der Lage sind.

Die Präambel des AfD-Grundsatzprogramms (2017) beginnt mit drei Sätzen:

„Wir sind Liberale und Konservative. Wir sind freie Bürger unseres Landes. Wir sind überzeugte Demokraten. …“ Ein paar Zeilen später heisst es: „Als freie Bürger treten wir ein für direkte Demokratie, Gewaltenteilung und Rechtsstaatlichkeit, soziale Marktwirtschaft, Subsidiarität, Föderalismus, Familie und die gelebte Tradition der deutschen Kultur.“

Je nun. Das tönt wie bei den übrigen Parteien der bürgerlichen Mitte. Ähnlich staatstragende Passagen finden sich auch im Wahlprogramm 2025 (185 Seiten), die man, auch wenn man im Einzelnen anderer Meinung ist, als Positionen im bürgerlichen Spektrum verorten kann.


„Wir stehen fest zu den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft, die seit Jahrzehnten Wohlstand und sozialen Frieden in unserem Land sichern.“  

„Deutsche Unternehmenssteuern sind im internationalen Vergleich zu hoch und hindern unsere Unternehmen daran, dringend benötigte Zukunftsinvestitionen vorzunehmen.“ 

Derlei Placebos sind wohlfeil. Die eigentlichen Ziele der AfD stecken in zahllosen ideologisch ausgreifenden und dann auch grob oder vorsätzlich falschen Behauptungen, die einen Handlungsplan sozusagen einleiten:

„Die gegenwärtige Situation ist hingegen von einem wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Niedergang geprägt. Technologievorgaben, Auflagen und Verbote setzen den marktwirtschaftlichen Wettbewerb in Teilen außer Kraft; suboptimale technische Lösungen und Produkte sind die Folge. Viele davon sind ohne staatliche Subventionen nicht marktfähig, zum Beispiel alternative Energien und Elektroautos.“

Zu den programmatischen Höhepunkten zählen sicherlich Aussagen wie:

„Klimawandel gab es zu allen Zeiten. Er ist ein komplexes Phänomen, verursacht durch eine Vielzahl von Faktoren. Die Frage nach dem Anteil des Menschen an diesem ist wissenschaftlich ungeklärt.“

„Unsere Bürger im Mehltau des linken Zeitgeistes
Die Stimmung der Bürger unseres Landes ist heute von Verunsicherung und Pessimismus geprägt: Unsicherheit durch bürgerferne Politik; Unsicherheit darüber, was man noch sagen darf; Unsicherheit über die Sicherheit in unseren Städten; Angst vor einem großen Krieg und Sorge um die finanzielle Zukunft.“

Aus Herleitungen dieser Art werden sodann Schlussfolgerungen und Ziele abgeleitet – etwa:

  • Verlängerung der Laufzeiten der Kohlekraftwerke
  • Wiedereinstieg in die Nutzung der Kernenergie [hier ein amüsanter Kommentar]
  • Reparatur und Wiederinbetriebnahme der Nord-Stream-Pipelines
  • Aufhebung des Verbots von Gas- und Ölheizungen
  • Abschaffung der CO₂-Abgabe

  • Abschaffung des Verpackungsgesetzes
  • Abbau der Nachhaltigkeitsberichterstattung
  • Vereinfachung der Datenschutzgrundverordnung

Durch das Programm zieht sich explizit und implizit eine nationalistische, anti-EU, anti-EURO, anti-linke, anti-ökologische, neo-liberale Zielsetzung und mischt sich mit einer Aufklärungs-aversen, populistischen, Ressentiment-geladenen Grundhaltung. Die Diagnose: das AfD-Programm will der bestehenden Gesellschaftspolitik mit einer radikal anderen, gegen einen (vermeintlichen oder bestehenden) liberalen Mainstream und mit einer zumeist rückwärts-gerichteten Politik begegnen. Das gilt (u.v.a.) dann auch für die Sozialpolitik, die Rentenpolitik, die Arbeitsmarktpolitik oder die Gesundheitspolitik … usw.. 
Zugleich lassen sich in diesen Katalogen immer wieder konsensfähige (und auch anderwärts erhobene) Forderungen finden (etwa die Einbeziehung der Beamten in die Rentenfinanzierung, oder, anderes Thema, ein verbessertes Schienennetz für den Nah- und Fernverkehr …). Dass sich die AfD gegen die zunehmende digitale Profilierung wendet und den Datenschutz in den Vordergrund rückt, könnte man sogar für fortschrittlich halten.

„Die AfD fordert die Erstellung einer Bundesstrategie für digitale Souveränität, um die Autonomie der Bürger im digitalen Zeitalter zu gewährleisten und staatliche Institutionen sowie kritische Infrastruktur effektiv zu schützen. Zu Elementen dieser Strategie gehören zum Beispiel Open-Source-Techniken und dezentrale Systeme, wie auch die Entwicklung bundeseigener Hard- und Software für Kritische Infrastruktur.“

Wie das mit der gleichfalls geforderten „Vereinfachung der Datenschutzgrundverordnung“ gelingen kann, wird nicht ausgeführt. Einerseits. Andererseits findet sich die subkutan-eigentliche Zielsetzung nur wenige Zeilen zuvor 

„Immer mehr öffentlich-rechtliche sowie nicht-staatliche Akteure, sogenannte „NGOs“, wie zum Beispiel „Faktenchecker“ oder „Correctiv“, …[werden] … über staatliche Beauftragung und Finanzierung für Desinformationskampagnen eingespannt.“ 
Oder: 
„Auch die Bundesregierung selbst nutzt den Einfluss auf Social-Media-Plattformen direkt zur Überwachung und Steuerung des Gedankenaustausches ihrer Bürger. Ein wirkmächtiges Instrument ist dabei das NetzDG, da dieses Social-Media-Plattformen zwingt, Inhalte binnen kürzester Zeit zu löschen.“

Die komplette Durchsicht des Programms ist ermüdend, auch würde eine ausführliche Kommentierung dessen Qualität überbewerten; in der Zusammenführung kann man sagen: die AfD plant, die deutsche Gesellschaft aus Europa zurück in den Nationalstaat zu führen und unterwegs plus/minus alle liberalen Errungenschaften sowie alle Regelungen abzuschaffen, die einem ungezügelten kapitalistischen Wirtschaften im Wege stehen könnten, darunter auch durch Anonymisierung von Geldströmen (durch die Förderung des Bitcoin). Viele Positionen sind in sich und/oder zueinander widersprüchlich; vieles, aber nicht alles, ist grober Unfug – und das Meiste von dem, was nicht grober Unfug ist, halte ich für falsch. Immer wieder wird evident, dass das Offensichtliche und Öffentliche nur die legalistische Spitze der tiefer liegenden ideologischen Zielsetzungen ist. Und damit gelangen wir schliesslich zum Eingemachten.

Migration
Der Schwerpunkt der Diskussion ist – natürlich – die Asyl- und Migrationspolitik.

Während ich in den oben genannten Themenstellungen kein Problem habe, die Positionen der AfD im Ganzen und im Einzelnen für politisch falsch oder dumm, schädlich, kontra-indiziert und rückwärtsgewandt zu erklären und mit Abscheu in den Müll zu kicken, ist das Thema Migration in meinen Augen komplexer und weniger leicht zu bewerten.  

  • Da ist zunächst der demographische Wandel, der die Renten- und Sozialsysteme, aber auch die Wirtschaft- und Produktionsverhältnisse Deutschlands vor gravierende Probleme stellt. Ohne Zuwanderung (die Zahlen sind weithin bekannt und schwanken zwischen 300.000 und 500.000 geforderten Zuwanderern pro Jahr), stehen die grundlegenden Strukturen Deutschlands vor massiven Problemen (übrigens auch, weil es eine signifikante(!) Auswanderung insbesondere von Akademikern gibt).
  • Diese Notwendigkeit hat jedoch Katauelen: Das deutsche Wirtschaftssystem ist hoch differenziert und braucht – kommunikativ (mindestens englisch) und fachlich – qualifizierte Zuwanderung. Die tatsächliche Zuwanderung mit diesen Anforderungen in der gewünschten Qualität und Quantität zur Deckung zu bringen, liesse sich allenfalls im Verlauf von Generationen realisieren.
  • Die Zuwanderung stösst zudem aber auf einen gravierenden Umsetzungsvorbehalt was die finanziellen, organisatorischen und materiellen Möglichkeiten betrifft. Die Wohnungsnot ist in den Metropolen ein brennendes, anwachsendes Problem … und greift mitunter bereits auf die Regionen über; die Organisation der Integration überdehnt und überfordert die Kommunen bei Kapazitäten (und Kompetenzen). Dass nahezu alle Budgets auf Kante und Schulden gefahren werden: no news.
  • Nicht genug damit: die Schulausbildung ist bereits strukturell gefährdet, wo nicht bereits implodierend, weil in zu vielen Klassenverbänden deutsche Sprachkenntnisse nicht mehr vorausgesetzt werden können – und damit die Ausbildungsstandards dramatisch abgesenkt werden.
  • Ein anderes Problem ist die Ghettobildung, überall aber vor allem in den Metropolen, die ein hohes und mitunter gewalttätiges Konfliktpotential („Clash of Cultures“; … Stichwort Kölner Domplatte) mit sich bringt (insbesondere auch, weil Ghettos die Adaption verhindern). Der öffentlich sichtbare Umgang mit Frauen, aber auch das Religions- und Kulturverständnis von Frauen, insbesondere in muslimischen Communities, ist in meinen Augen inakzeptabel – um nur eines der Konfliktfelder herauszugreifen; nun fällt mir nicht im Traum ein, auf der persönlichen Ebene darauf einwirken zu wollen. Mein Verständnis ist aber doch, was ich auch umgekehrt für mich selbst akzeptiere: This Country, These Rules! Es ist unerträglich, dass die Kriminalitätsrate bei Menschen mit Migrationshintergrund auf einem hohen (15% der Bevölkerung sind in 34 % der Fälle tatverdächtig) und anwachsenden Niveau (um ca. 25%) ist (Quelle), selbst wenn/wo soziale Missstände das begünstigen.  
  • Und schliesslich sind die bestehenden WIE AUCH die bloss imaginierten Probleme mit der Migrantion zur Quelle politischer Entwicklungen geworden, die zunehmend zur Gefahr für das Land und die Demokratie heranwachsen – nicht zuletzt durch die AfD.

In diesem komplexen Argumentationsdschungel erscheinen mir all jene Bestrebungen als falsch, die einer ungesteuerten Asyl- und Aufnahmepolitik das Wort reden. Gut gemeint, aber intellektuell unterkomplex und in der Wirkung fatal: Die Welt wird nicht gerechter, wenn die wachsende Zuwanderung die Absorbtionsfähigkeit einer Gesellschaft überfordert und die sozialen, politischen, materiellen und psychologischen Probleme hier verschärft. Politische Konflikte, wenn nicht Disruptionen, sind vorprogrammiert.
Auch das lose Gerede von einem reichen Deutschland geht an den tatsächlichen Verhältnissen vorbei, wenn die Standards nur noch über wachsende Schuldenaufnahme aufrecht erhalten werden können. 
Hinzu kommt, dass diese Diskussion nicht mit Blick auf das nächste Quartal oder die nächste Wahl geführt werden darf: die aktuelle Migrationsdelle sollte nicht davon ablenken, dass der Migrationsdruck durch die anstehenden Klimakatastrophen (im Wechselspiel mit ökonomischen und einhergehenden gewalttätigen Konflikten) strukturell weiter wachsen wird.

… ohne Anspruch auf Vollständigkeit verweist die Liste der ineinander verkeilten Argumentationen (und Meinungen) lediglich auf einen komplexen, multikausalen Cluster, der mit dem ständig wiederkehrenden Rassismusvorwurf nicht abgehakt werden kann. In diesem Beitrag geht es mir um die AfD und ihr etwaiges Verbot, und es ist klar, dass die Partei sich gar nicht erst die Mühe macht, Argumente zu differenzieren. Natürlich profitiert die Partei vom politischen Versagen zurückliegender Regierungen, die die mit der Migration ebenfalls einwandernden Konflikte nicht erkannt, nicht benannt, nicht gemanagt haben. Die Positionen der AfD in der Migrationsfrage sind bekannt und radikal; doch nach allem, was ich recherchieren konnte, hielte ich es für abenteuerlich, ein Parteiverbotsverfahren mit der Papierform begründen zu wollen. Natürlich geht es auch um Reden und Handeln der Protagonisten: „Es gilt das gesprochene Wort“, so heisst es, wenn Redetexte an Pressevertreter herausgegeben werden. Im verfassungsrechtlichen Sinn ist das gesprochene Wort nicht von gleichem Gewicht. Es ist beweisflüchtig, nicht immer öffentlich und wo doch, sprechen Parteivertreter als Einzelne (Gauland, Höcke…), auch wenn sie in ihrer Funktion als Parteivertreter auftreten; und manche sprechen so und andere sprechen anders.

Eine 65 Seitenstarke Dokumentation des Instituts für Menschenrechte befasst sich nahezu ausschliesslich mit der möglichen Verfassungswidrigkeit der AfD-Positionen und kommt zu einem anderen Schluss, nämlich dass 

„Die rechtlichen Voraussetzungen für ein Verbot … nach den Ausführungen dieses Beitrags bereits jetzt vor[liegen].” S.63 

Ich folge diesem Befund nicht. Zwar glaube ich, wie die Untersuchung, dass die AfD verfassungswidrig IST, nicht aber, dass es sich aus den Belegen gerichtsfest nachweisen lässt; zwar werden zahllose Zitate bereitgestellt, doch die Verfassungswidrigkeit wird mit Schlussfolgerungen, Interpretationen dieser Zitate belegt. Nach meinem Rechtsverständnis haben Schlussfolgerungen jedoch keine rechtswirksame Belegkraft. Dazu müss/t/en weiter gehende, insbesondere vom Verfassungsschutz zu belegende Erkenntnisse (s.o.) vorgestellt werden, wie sie beispielsweise (vielleicht!, ich war nicht dabei) bei der berüchtigten Potsdamer Konferenz gesammelt werden konnten.

Die Demokratie
Umgekehrt aber wäre die Diskussion auch bei fehlenden Beweisen nicht beendet. In dem oben erwähnten Report des Institutes für Menschenrechte heisst es auch: 

„Ein Parteiverbot steht immer in einem Spannungsverhältnis zu den Grundsätzen einer Demokratie. Allerdings hat gerade die deutsche Geschichte gezeigt, dass es Parteien geben kann, die es sich zur Aufgabe machen, die freiheitliche rechtsstaatliche Demokratie abzuschaffen. Der Rechtsstaat hat das Verbot einer Partei als letztes Mittel im Spannungsverhältnis zu den Grundsätzen einer Demokratie also zumindest dann zu wählen, wenn die von der Partei ausgehende Gefahr so groß ist, dass eine „wehrhafte Demokratie“ handeln muss, da sie sonst ihre Abschaffung riskiert, …. 
Während Abwägungen über die Frage eines Verbotsverfahrens zu der Überlegung führen können, ob sich die Folgen eines Verbotsverfahrens beherrschen lassen, weist die aus historischer Erfahrung geschaffene Möglichkeit des Parteiverbotes nach Artikel 21 GG darauf hin, dass es eine Situation geben kann, wonach den Folgen einer weiterhin agierenden verfassungsfeindlichen Partei nicht mehr wirksam begegnet werden könnte.“  (S.63)

Dem folge ich durchaus. Der kritische Punkt der Verbotsdiskussion liegt in dem Konflikt zwischen der Nachweisbarkeit einer verfassungswidrigen Zielsetzung oder entsprechenden Handlungen der Partei und ihrer Organe und Mitglieder einerseits und deren legalistischen Auftreten andererseits: Lip Services, die mit juristischem Feingefühl unterhalb der Borderline zur Verfassungswidrigkeit gehalten werden. Es liegt auf der Hand und wurde und wird uns weltweit vorgeführt, dass und wie rechte und populistische Regierungen ein demokratisch errungenes Mandat nutzen, um die liberalen und demokratischen Prinzipien ihrer Gesellschaften auszuhebeln. Einmal an der Macht, können insbesondere Gesetze unterhalb der Verfassungshürde neu geschrieben und die bestehenden oder dann neu geschaffenen staatlichen Machtmittel zu Zwecken… eingesetzt werden. Die USA geben das Beispiel: Der von Trump geschaffene Supreme Court wird – die Zeichen stehen an der Wand – die „wehrhafte Demokratie“ vom Tisch fegen.

Die AfD repräsentiert schliesslich, und hier habe ich die grössten Bauchsschmerzen, das Grundproblem der demokratischen Ordnung überhaupt: Was, wenn die demokratische Mehrheit die Demokratie abschaffen will? Der liberale Demokrat hat ein natürlich legitimes Interesse am Erhalt einer, seiner Demokratie; muss er sich fügen, wenn das Ergebnis dieser Demokratie sich gegen ihn und sein Interesse wendet? Werden nicht die Hüter der Verfassung ihrerseits zu Autokraten, wenn sie sich anschicken, die Repräsentation des politischen Willens eines Viertels der Bevölkerung zu verbieten (vulgo: zu unterdrücken), und das damit rechtfertigen, dass aus dem Viertel eine Mehrheit werden könnte?
Die Verfassung kennt eine Partei mit verfassungswidrigen Zielen, aber erst das Bundesverfassungsgericht kann darüber entscheiden – und daraus entweder den Entzug der staatlichen Förderung oder ein Verbot ableiten. Mit anderen Worten: ein Parteiverbot ist kein Element der grundgesetzlichen Ordnung, sondern eine nachgeordnete Frage der Auslegung.

Was bitte meinte Böckenförde: „Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann.“? Das rechts-politische und strategische Problem, das dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden wird, passt in die Frage: „Kann die Demokratie eine rechtsextreme Regierung überleben?“ 
Ich glaube: nein, und muss dazu nicht lange überlegen – das ideologische Konzept einer solchen Regierung widerspricht der Demokratie. Das Gericht wird auf diese Frage aber nicht nach der Papierform der AfD urteilen können. Reicht es, wenn Verfassungsschützer, Ehemalige und Konvertiten bezeugen, wie es um die wahren Ziele hinter einer nur legalistischen Fassade bestellt sei?

Ich kann den theoretischen, philosophischen, demokratischen und am Ende praktischen Widerspruch nicht auflösen.

Right or wrong, ich kann mich nur entscheiden: 
Für das Verbot. The buck stops here.